Breitensport in Bayern:Aus einer Krise in die nächste

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Die Sportvereine erholen sich gerade von den Lockdown-Folgen, doch bei einem drohenden Energiemangel im Herbst könnten die Hallen bald wieder geschlossen sein. Und dann gibt es da noch ungelöste Probleme beim Ganztagsschul-Programm.

Von Karoline Kipper

Geschlossene Sportanlagen, Bewegungsarmut, Mitgliederschwund in Vereinen - die Liste der Pandemie-Nebenwirkungen im Breitensport ist lang. Besonders dramatisch war der Rückgang bei Kindern im Grundschulalter, der Bayerische Landessportverband (BLSV) spricht von bis zu 25 Prozent weniger Mitgliedern in dieser Altersgruppe.

Schon vor der Pandemie hätten Kinder und Jugendliche mehr Zeit vor Fernseher, Computer oder Handy verbracht. "Die Corona-Pandemie wirkt wie ein Brennglas auf die letzten Jahrzehnte", sagt Jörg Ammon, der sich trotz Strafanzeige aus den eigenen Reihen wegen eines Streits um die Auftragsvergabe von IT-Dienstleistungen in Höhe von insgesamt neun Millionen Euro aus dem letzten Jahr an der Spitze des BLSV hält.

Im Verband haben sie erleichtert festgestellt, dass endlich wieder fast so viele Menschen Mitglieder in einem Sportverein sind wie vor der Pandemie. Auch die Zahl der Kinder und Jugendlichen habe sich wieder eingependelt. Die Gründe dafür liegen für BLSV-Geschäftsführerin Susanne Burger auf der Hand: "Wenn das Vertrauen der Bürger da ist, dass die Sportstätten geöffnet bleiben, dann steigen kontinuierlich auch die Mitgliederzahlen."

Doch nach den pandemiebedingten Schließungen stehen nun leere oder zumindest sehr kalte Hallen wegen des drohenden Energiemangels in Aussicht: "Unsere Sorge ist im Hinblick auf die öffentlichen Sportstätten schon größer", räumt Ammon ein. Die Bedenken des Funktionärs sind durchaus berechtigt: Um Energie zu sparen, hat der deutsche Städtetag kürzlich die Schließung von Hallenbädern ins Spiel gebracht. Für Katja Nomrowski, die Präsidentin des SC Prinz Eugen München, wäre das fatal: "Wenn es tatsächlich so kommt, sieht es für die betroffenen Vereine und alle Kinder, die jetzt wieder angefangen haben zu schwimmen, rabenschwarz aus."

Der ESV München hingegen hat eigene Hallen - aber natürlich trotzdem Sorgen. Für Heizkosten muss der Verein selbst aufkommen: "Wir können davon ausgehen, dass unsere Energiekosten sich verfünffachen. Ich weiß nicht, wie ich unter diesen Voraussetzungen überhaupt noch eine Halle betreiben soll", sagt die Geschäftsführerin Pia Kraske. Bei staatlichen Hilfen hat sie eine Bitte: "Nicht im Gießkannenprinzip." Ein Verein, der öffentliche Sportstätten benutze, brauche andere Unterstützung als etwa der ESV.

Gutscheine für Schwimmkurse - in der Theorie ist das eine gute Idee

Ein bayerisches Förderprojekt, das großen Andrang findet, ist das sogenannte Gutscheinprogramm. Schülerinnen und Schüler, die noch kein Mitglied in einem Sportverein sind, können beim BLSV einen Gutschein über 30 Euro für den Neueintritt in einen Sportverein bekommen. Seit September 2021 sind fast 29 000 Gutscheine eingereicht worden. Auch für Schwimmkurse gibt es beim Landessportbund Gutscheine. In der Theorie ist das eine wichtige Aktion, da Kinder im Lockdown kaum eine Möglichkeit hatten, Schwimmen zu lernen. In der Praxis können die Vereine aber der Nachfrage nicht gerecht werden: "Unsere Kapazitäten sind erschöpft, weil es an Trainern und Wasserflächen fehlt", erklärt Nomrowski.

In München gibt es weniger Schwimmhallen als Bedarf, das war schon vor der Pandemie so. Aber auch andere Sportstätten sind ein knappes Gut. Beim ESV sind die Hallenkapazitäten komplett ausgenutzt: "Unsere Kindersportschule kann den Bedarf nicht decken", berichtet Kraske. Die Folge: lange Wartelisten.

Das Raumproblem werde sich durch den Ausbau von Ganztagsschulen noch weiter verschärfen, befürchtet Kraske. Momentan sei das Konzept des Ganztagsschulen-Anspruchs ab 2025 "nicht zu Ende gedacht", kritisiert die ESV-Geschäftsführerin. Eine Zusammenarbeit zwischen Kultusministerium, Verband und Vereinen gebe es nicht. Allerdings stelle sich die Frage, wie in Zeiten des Lehrermangels eine Ganztags-Betreuung inklusive viel Bewegung ohne Übungsleiter der Vereine realisierbar sein soll.

Insbesondere um kleine Vereine mit fast ausschließlich ehrenamtlichen Übungsleitern mache sie sich Sorgen, erklärt Kraske. Ehrenamtliche seien häufig berufstätige Eltern, die zur Ganztags-Schulzeit zwischen 8 und 17 Uhr nicht zur Verfügung stünden. Der ESV München starte nun den Versuch, Ganztagsschule und Verein zu verzahnen, "aber das machen wir nicht mit den ehrenamtlichen Übungsleitern, sondern mit Hauptamtlichen". Letztere haben viele kleine Klubs kaum oder gar nicht.

Und auf Kraskes Liste der Bedenken gegenüber der Ganztagsschule steht noch ein gewichtiges weiteres Argument: "Wenn man das Sportangebot in die Schulen verlagert, dann sind es die gleichen Kinder, die in einem bestimmten Viertel wohnen, die zusammen Sport machen." In Sportvereinen sei das anders. Dort treffen Kinder aus allen Ländern, Schichten und Schulformen zusammen: "Das fällt weg, und das wird unserer Gesellschaft nicht guttun."

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