SSV Jahn Regensburg:Sachlich stressen

SSV Jahn Regensburg: Erfolgreich in Bielefeld: Joshua Mees (rechts) tritt nach seiner Rückkehr zum Jahn direkt als Führungsfigur auf.

Erfolgreich in Bielefeld: Joshua Mees (rechts) tritt nach seiner Rückkehr zum Jahn direkt als Führungsfigur auf.

(Foto: Ulrich Hufnagel/Imago)

Der SSV Jahn Regensburg führt nach zwei Spieltagen überraschend die Tabelle der zweiten Fußball-Bundesliga an und empfängt nun im DFB-Pokal den 1. FC Köln. Es ist ein besonderes Wiedersehen für die Oberpfälzer, die ihr spielerisches Portfolio langsam erweitern.

Von Johannes Kirchmeier

Es gibt im Internet Bilder von Tieren und Dingen, die - zumindest allem Anschein nach - ganz plötzlich da gelandet sind, wo sie eigentlich nicht hingehören. Da steht ein Pferd auf dem Hausdach, hängt ein Pick-up-Truck in einer Baumkrone oder ein Schafbock mit seinen Hörnern an einer Stromleitung. Manch einem Fußballfan kommen vermutlich gerade ähnliche Gedanken, wenn er die Tabelle der 2. Fußball-Bundesliga aufruft. Diese führt nach zwei Siegen an zwei Spieltagen der kleine SSV Jahn Regensburg vor dem nur etwas größeren 1. FC Heidenheim an. Die stolzen und ruhmreichen Vereine 1. FC Nürnberg und Hamburger SV folgen beispielsweise erst auf Rang sieben und acht.

Zu Saisonbeginn kann es natürlich schon einmal vorkommen, dass die Tabelle etwas anders als vermutet aussieht. Das wissen sie in Regensburg sehr gut, wo der Jahn schon vor einem Jahr überraschend und bis zum sechsten Spieltag ganz oben stand. Und so hatte der Regensburger Sport-Geschäftsführer Roger Stilz, 45, schon gehofft, dass seine Mannschaft in ihrem sechsten Zweitliga-Jahr in Serie die etablierten Konkurrenten Darmstadt (2:0) und Bielefeld (3:0) ärgern kann. Gerade die Art und Weise des Sieges bei der Arminia imponierte ihm aber: "In Bielefeld haben wir uns sehr sachlich und konzentriert gezeigt, da dürfen wir auch ein bisschen stolz sein, das war eine gute Vorstellung der Mannschaft. Daran müssen wir in den kommenden Wochen anknüpfen." Klar sei aber auch: "Es sind erst zwei Spiele gespielt, wir können das schon richtig einordnen."

"Grundsätzlich will ich ja, dass Regensburg weit kommt, weil ich Fan bin und bleibe", sagt Kölns Geschäftsführer Keller

Trotzdem erhofft sich Stilz von diesem Start, dass das Selbstvertrauen im Team gestiegen ist. Schließlich steht am Samstag (15.30 Uhr) eine schwere Aufgabe an: In der ersten DFB-Pokalrunde trifft der Jahn auf den Bundesligisten 1. FC Köln. Und da klingelt es bei den Regensburger Fans gleich zweimal: Einerseits steht ein Pokalerfolg an einem kühlen und späten Mittwochabend gegen Köln für den bislang größten Pokallauf der Oberpfälzer in ihrer Vereinsgeschichte. 2021 schafften sie es dadurch ins Viertelfinale, wo sie an Werder Bremen scheiterten. Und andererseits wird die Partie ein Wiedersehen mit dem ehemaligen Geschäftsführer und Stilz-Vorgänger Christian Keller.

Keller, zuvor acht Jahre beim Jahn, dachte sich bei der Auslosung: "Scheiße, das ist nicht das optimale Los. Grundsätzlich will ich ja, dass Regensburg weit kommt, weil ich Fan bin und bleibe. Aber in dem Fall muss Regensburg leider in der ersten Runde ausscheiden." Stilz ist da etwas anders gestrickt: "Es war schon ein wenig skurril, vor allem mussten sicherlich viele Mitarbeiter schmunzeln. Auch ich habe im ersten Moment gelacht, aber ich persönlich bin jetzt auch nicht so ein nostalgischer Typ. Ich freue mich mehr über das Heute. Und jetzt natürlich langsam auch auf die Partie am Samstag." Auch er will vor allem weiterkommen und erwartet sich dafür einen mutigen Auftritt gegen die favorisierten Kölner. Keller hatte den gebürtigen St. Galler im vergangenen Dezember nach dessen Amtsantritt noch eingearbeitet.

In Bielefeld hat der Jahn in aller Ruhe und Bestimmtheit Torchancen kreiert

In diesem Sommer stellt Stilz den Jahn-Kader nun erstmals nach seinen Vorstellungen zusammen. Die Mannschaft scheint sich trotz der in Regensburg fast schon alljährlich gewohnt prominenten Weggänge wie Torwart Alexander Meyer (Dortmund), Max Besuschkow (Hannover) oder Erik Wekesser (Nürnberg) gefunden zu haben. Auch weil der alteingesessene Torjäger Andreas Albers wie üblich trifft und die Rückkehrer Joshua Mees (zur Leihe aus Kiel) und Maximilian Thalhammer (Paderborn) direkt als Führungskräfte auftraten und ebenso Tore erzielten. "Ein paar Spieler, die gegangen sind, haben das Gesicht des Jahn natürlich mitgeprägt. Daher war es mir wichtig, auch Spieler mit Zweitliga-Erfahrung dazu zu holen", sagt Stilz, der in den nächsten Wochen "noch das eine oder andere" auf dem Transfermarkt machen will. Ein Spieler wird dem Vernehmen nach noch vor der Pokalpartie kommen.

Mit dem veränderten Kader will Stilz auch eine neue Komponente ins Team bringen: "sachlichen Fußball spielen", wie er es nennt. "In dieser emotionalen Liga, in der es viele Zweikämpfe und intensive Spiele gibt, kann es auch einmal gut sein, eine gewisse Sachlichkeit auf den Rasen zu bringen." Das ist bei den als Stresstester der Liga bekannten und wild pressenden SSV-Fußballern durchaus neu. Beim Bundesliga-Absteiger Bielefeld haben die Regensburger nach einer wilderen Anfangsphase in aller Ruhe und Bestimmtheit Torchancen kreiert. Der stressige und von Gegnern bisweilen als "eklig" titulierte Spielstil soll bis in die Jugendmannschaften in der Vereins-DNA erhalten bleiben, aber die neue Sachlichkeit gleichzeitig das Portfolio von Trainer Mersad Selimbegovic erweitern. Das ist wohl auch eine Erkenntnis aus der vergangenen Rückrunde, in der nach der starken Hinrunde nur noch zwei Partien gewonnen werden konnten.

Stilz will zudem daran arbeiten, dass sich die Führungsfiguren des finanziell weiterhin unten in der Liga angesiedelten Klubs nicht mehr zwangsläufig jeden Sommer ändern müssen. Ein erster Effekt: Nach fünf Leihen in der Vorsaison sind aktuell neben Mees nur noch der verletzte Oscar Schönfelder (Bremen) und Stammspieler Nicklas Shipnoski (Düsseldorf) Leihkräfte. "Leihen können für alle Beteiligten Sinn machen. Nach wie vor auch für uns. Und trotzdem ist es mein erklärtes Ziel, kurz- bis mittelfristig ein Jahn-Gerüst mit Jahn-Spielern zu kreieren." Damit sich die Fußballfans in Deutschland im besten Falle daran gewöhnen können, dass Regensburg auch öfter oben mitspielen kann.

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