Energiekrise:Die Regierung muss endlich Gas geben

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Diese Tätigkeit soll nach dem Willen zweier Ministerien bald entfallen: Ein Kaminkehrer in Markt Schwaben bei München nimmt eine neue Gastherme ab. (Foto: Peter Hinz-Rosin/Photographie Peter Hinz-Rosin)

"You'll never walk alone" hat der Kanzler den Deutschen versprochen. Dazu müsste die Ampel aber schnell handeln, denn die vielen Bedürftigen in Deutschland können Inflation, Energiepreise und jetzt auch die Gasumlage nicht aus eigener Kraft tragen.

Kommentar von Markus Balser

Es war ein großes Versprechen, das der Kanzler vor einer Woche gegeben hat. Keiner werde in der Ukraine-Krise mit seinen Problemen allein gelassen, sagte er bei einem Krisenauftritt am Freitag vor einer Woche. Olaf Scholz' Versprechen an verunsicherte Bürgerinnen und Bürger erinnerte an die Worte, mit denen einst der Italiener Mario Draghi als EZB-Chef in der Finanzkrise 2012 verängstigte Bankkunden in ganz Europa beruhigte: "Whatever it takes".

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Doch statt einen Satz für die Ewigkeit hat Scholz nur eine Zeile für eine Woche geliefert. Seine Botschaft verfing nicht. Und schon am Donnerstag stellte die Regierung klar, dass ziemlich viele Deutsche erst einmal allein durch die Krise laufen müssen. Vizekanzler Robert Habeck kündigte eine Gasumlage zur Rettung strauchelnder Konzerne an, die Haushalte von Oktober an mit etwa 500 Euro, wenn es schlecht läuft, sogar mit 1000 Euro jährlich belasten wird - zusätzlich zu den ohnehin steigenden Gastarifen. Nicht jedem werde der Staat diese Last abnehmen können, räumte der Grünen-Politiker ein.

Der Staat muss derzeit zu viele, zu große Probleme schultern

Der Staat macht damit deutlich: Er kann in einer Krise dieses Ausmaßes nicht als Heilsbringer auftreten und den Deutschen jede Last abnehmen. Hilfen für die Wirtschaft, militärische Hilfe für die Ukraine, neue Milliardenausgaben für die Bundeswehr, der Kampf gegen drohende Pleiten in der Energiebranche - die Aufgaben sind schlicht zu groß. Zumal sich die Probleme gerade verschärfen. Das Wachstum liegt bei null. Die Zahl der Arbeitslosen steigt. Die Inflation in Deutschland bleibt hoch.

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Damit ist auch die Solidarität derer gefragt, die höhere Gaspreise tragen können. Dass die Deutschen nun für die verfehlte Energiepolitik der vergangenen Jahre, für eine zu große Abhängigkeit von Russland und einen zu schleppenden Ausbau der erneuerbaren Energien einen buchstäblich hohen Preis zahlen müssen, ist bitter. Für viele gut verdienende oder sogar wohlhabende Deutsche ist die neue Gasumlage aber ohne staatliche Hilfen zu schultern. Dass höhere Gaspreise bei den Kunden ankommen, ist durchaus politisches Kalkül. Dies soll die Bürger motivieren, mehr Energie einzusparen. Die Regierung will das Land so ohne Knappheit durch den Winter steuern.

Die Koalition muss ihren bizarren Streit über eine höhere Grundsicherung beenden

Das große Versprechen des Kanzlers aber sollte bedingungslos für die Armen im Land gelten. Das tut es bisher nicht. Wie etwa Geringverdiener die hohen Zusatzkosten durch Inflation und Energiepreise schultern sollen, lässt die Regierung offen. Ein besserer Kündigungsschutz oder etwas mehr Wohngeld, wie von Scholz angekündigt, wird nicht reichen. Der Staat muss schnell Pauschalen für Haushalte mit geringen Einkommen beschließen und die Grundsicherung deutlich erhöhen. Die Ampelkoalition sollte ihren bizarren Streit um höhere Sätze beenden und endlich entschlossen handeln.

Es ist höchste Zeit, dass die Regierung das eigene Tempo erhöht. Die politische Dynamik hält nicht mehr Schritt mit der Dynamik der Belastungen. Dass sich nach dem Willen des Kanzlers erst im September ein Gipfel aus Wirtschaft, Gewerkschaften und Politik damit beschäftigen soll, welche Entlastungen zum Jahreswechsel umsetzbar sind, wird der Realität nicht mehr gerecht. Schon der Herbst wird ein teurer für die Deutschen. Die Armen in Deutschland dürfen dann nicht noch ärmer, die soziale Spaltung darf nicht noch größer werden. Wladimir Putins Kalkül, die Gesellschaft zu spalten, würde sonst wohl aufgehen.

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