Basketball:Von Haien und einem kleinen Fisch

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Neuester Zugang für die Bayern: In der Summer League machte Cassius Winston (li.), der für die Philadelphia 76ers spielte, auf sich aufmerksam. (Foto: Stephen R. Sylvanie/USA Today Sports/Reuters)

In der Bundesliga ist der FC Bayern finanziell enteilt. Doch die europäischen Topvereine, die investieren wie zu besten Zeiten, sind ihm weit voraus.

Von Ralf Tögel

Den Beruf des Basketballprofis muss man zu jenen zählen, bei denen sich die Freizeit in einem überschaubarem Rahmen bewegt. Das gilt besonders für die Besten ihres Fachs, die neben dem nationalen Geschäft mit zwei Wettbewerben auch international beansprucht sind. Wie die Spieler des FC Bayern, deren Saison erst am 19. Juni ein Ende fand. Dennoch wird Trainer Andrea Trinchieri in drei Wochen bereits zur Vorbereitung auf die kommende Saison bitten. Bis dahin haben die Münchner Zeit, am Kader zu feilen - wenngleich das Gros der Personalien entschieden ist.

Als neuesten Zugang haben die Bayern nun einen Spielmacher aus den USA präsentiert. Der 24-jährige Cassius Winston kommt von den Washington Wizards, in der NBA reichte es zuletzt nur für Kurzeinsätze. Was auch für den kurz davor verpflichteten Center Freddie Gillespie gilt. Beide stehen beispielhaft für die Transferpolitik des FCB. Im Basketball wohlgemerkt, denn während sich die Fußballer mit Weltstars schmücken, präsentierten die Kollegen keine großen Namen. Der Klub verlässt sich einmal mehr auf die Expertise von Sportdirektor Daniele Baiesi, der fünf Jahre für die Talentsichtung des NBA-Klubs Detroit Pistons verantwortlich war. Auch für die Bayern ist der Italiener gerne bei der Summer League der NBA unterwegs, wo sich Spieler für Verträge anbieten - und wo ihm Winston und Gillespie aufgefallen sind.

Die europäischen Topvereine investieren ungeachtet der Pandemie und des Krieges

Man muss sich natürlich auch um die Basketballer keine Sorgen machen, mit der europäischen Konkurrenz können diese aber nicht mehr mithalten. Offenbar lassen sich die kontinentalen Basketball-Größen weder von Pandemie noch Krieg beeindrucken und investieren wie zu besten Zeiten. Kaum ein Team mit seriösen Ambitionen auf die Endrunde im europäischen Wettbewerb leistet sich nicht mindestens einen Großverdiener: Euroleague-Champion Efes Istanbul etwa hält nicht nur sein Spielmacherduo Vasilije Micic und Shane Larkin, die eigentlich in der NBA erwartet wurden, die Türken haben ihren Kader sogar verstärkt.

Neben Klubs wie Mailand, Madrid oder Barcelona, für die das Geld stets eine Nebenrolle zu spielen scheint, müssen Traditionsvereine wie Tel Aviv, Fenerbahce Istanbul oder Athen eine schwache Saison vergessen machen - entsprechend gestalten sich deren Transferaktivitäten. Zudem drängen Teams wie Monaco, Villeurbanne oder Partizan Belgrad mit teuren Zugängen nach vorne.

Unter Trainer Andrea Trinchieri (li.) gelang Wade Baldwin beim FC Bayern der Durchbruch - heute ist er für die Münchner zu teuer. (Foto: Mladen Lackovic /Imago)

Die Münchner setzen auf hoch talentierte, aber in Europa gänzlich unerfahrene Akteure, was das Risiko erhöht. Wie funktionieren die Spieler im neuen Umfeld, wie im deutlich defensiver orientierten europäischen Basketball? In der Euroleague ist der FCB bislang gut damit gefahren. In den vergangenen beiden Jahren wurde das Halbfinale nur knapp verpasst, dank Spielern wie Wade Baldwin: Der konnte in der NBA nicht Fuß fassen und wurde vor zwei Jahren von Piräus als schwer trainierbarer Hitzkopf gerne nach München abgegeben. Dort gelang ihm unter Trinchieri der Durchbruch. Im vergangenen Sommer war er für den FCB bereits unerschwinglich. In der kommenden Saison bildet Baldwin in Tel Aviv ein Spielmacherduo mit Darrun Hilliard, den die Bayern in diesem Jahr nicht halten konnten.

Oder Derrick Williams: In der NBA war er ausgemustert, beim FCB wurde ihm nach aufsehenerregenden Leistungen das Tor nach Europa geöffnet. Nun wechselt der US-Forward von einem Euroleague-Topverein zum nächsten. Auch Deshaun Thomas wird entgegen dem Wunsch von Geschäftsführer Marko Pesic nicht nach München zurückkehren, er hat ein besser dotiertes Angebt in Mailand unterschrieben, die Bayern können da nicht mithalten.

In der Euroleague wird es auch darauf ankommen, wie sich der neue Bayern-Center Freddie Gillespie (re.) akklimatisiert. (Foto: Matthew Lynch /Zuma Wire/Imago)

In der Bundesliga sind die Bayern die Topadresse und finanziell selbst Meister Berlin enteilt, da wird aus dem kleinen Fisch ein gefräßiger Hai. Ein Angebot von der Isar ist für einen BBL-Spieler kaum abzulehnen. Jüngstes Beispiel ist Niklas Wimberg, der in Chemnitz zum Nationalspieler reifte. Das gelang in München Gavin Schilling, der dem Vernehmen nach dennoch kein neues Angebot bekommt. Auf den deutschen Positionen besteht nach den Weggängen von Nihad Djedovic, Joshua Obiesie und Leon Radosevic, für den der in der Bundesliga bestens bekannte und etwas kostengünstigere Elias Harris aus Japan geholt wurde, folglich noch Handlungsbedarf. Denn ein weiterer Misserfolg in der Bundesliga wird kaum verziehen werden, zumal ausgerechnet das in der Euroleague weniger erfolgreiche Berlin die Bayern düpierte.

Um die Leistungen in der Euroleague zu wiederholen, wird es darauf ankommen, wie Gillespie und Winston einschlagen. Zudem setzen die Bayern auf Kontinuität und haben in Augustine Rubit, Vladimir Lucic oder Othello Hunter Topkräfte gehalten, die verlässlich lieferten. Diese Konstanz müssen auch die jungen Regisseure Zan Mark Sisko und Ognjen Jaramaz zeigen. Ein weiterer Misserfolg in der Meisterschaft wäre wohl nur durch einen internationalen Titel zu kaschieren - und der ist nach Lage der Dinge nahezu auszuschließen.

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