Östliches Mittelmeer:Türkei fordert neutrale Haltung Deutschlands

Östliches Mittelmeer: Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und ihr türkischer Kollege Mevlüt Çavuşoğlu am Freitag in Ankara.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und ihr türkischer Kollege Mevlüt Çavuşoğlu am Freitag in Ankara.

(Foto: Annette Riedl/dpa)

Bei Besuchen in Athen und Ankara stellt sich Bundesaußenministerin Annalena Baerbock im Konflikt um Ägäis-Inseln auf die Seite Griechenlands.

Von Tomas Avenarius, Istanbul

Deutschland hat Griechenland im griechisch-türkischen Konflikt um eine Reihe von Inseln im östlichen Mittelmeer den Rücken gestärkt. Auf ungewöhnlich direkte Art sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock bei einem Besuch in Athen: "Griechische Inseln sind griechisches Territorium und niemand hat das Recht, das in Frage zu stellen". Baerbock war zuvor mit dem griechischen Premierminister Kyriakos Mitsotakis und Außenminister Nikos Dendias zusammengetroffen. Anschließend reiste sie nach Istanbul, wo sie mit ihrem türkischen Amtskollegen Mevlüt Çavuşoğlu zu Gesprächen zusammenkam.

Der türkische Außenminister sagte dann auch in Istanbul, Griechenland verstoße gegen historische Vertragsvereinbarungen und habe vertragswidrig Militär auf den Inseln stationiert. "Wenn wir über internationales Recht sprechen", so Çavuşoğlu, "ist es nicht richtig, Griechenland zu schützen, nur weil es ein EU-Staat ist".

Die eindeutige Haltung Berlins in der seit Jahren offenen Streitfrage der griechischen Inseln in der Ost-Ägäis dürfte in Ankara hinter den Kulissen Verärgerung hervorrufen. Die Grünen-Ministerin hatte klargestellt, dass Berlin in dieser Frage solidarisch mit Athen sei und für die europäische Familie einstehe. Baerbock hatte sich zugleich bewusst dafür entschieden, ihre Antrittsbesuche bei den beiden zerstrittenen Nato-Partnern miteinander zu verbinden. Sie hatte schon vor Beginn der Reise gefordert, dass die Nato-Staaten nach dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine geschlossen und einig zusammenstehen. Moskau wolle die Nato und Europa spalten. Zugleich dankte Baerbock der Türkei für die Vermittlung im Streit um den Export ukrainischen Getreides: "Was Ihre Regierung erreicht hat, ist ein Hoffnungsschimmer für viele Menschen, die vom Hungertod bedroht sind. Wir schätzen das sehr."

Ankara wird wenig erfreut über die eindeutige öffentliche Parteinahme sein. Der türkische Außenminister reagierte schroff auf Baerbocks Äußerungen zum Inselstreit, ebenso auf ihre Bemerkungen zur Inhaftierung des oppositionellen Kunstmäzens Osman Kavala. Die Beziehungen zwischen Griechenland und der Türkei haben sich zuletzt wieder massiv verschlechtert. Ankara stellt die Souveränität griechischer Inseln in der östlichen Ägäis wie Rhodos, Samos und Kos infrage und fordert den Abzug des griechischen Militärs von einzelnen Inseln.

Die Türkei lässt Kampfjets über griechische Inseln fliegen

Ihren Forderungen verleiht die Türkei mit Überflügen türkischer Kampfjets über bewohnte griechische Inseln immer wieder Nachdruck. Griechenland rechtfertigt die Truppenstationierung mit der Präsenz zahlreicher Landungsboote an der türkischen Westküste. In der Mittelmeer-Hafenstadt Izmir ist die türkische Ägais-Armee stationiert.

Baerbock wollte am Samstag in der türkischen Hauptstadt Ankara noch mit Vertretern der Opposition und der Zivilgesellschaft zusammentreffen. Die Treffen mit Oppositionsvertretern dürfte der türkischen Führung ebenfalls sauer aufstoßen. Präsident Recep Tayyip Erdoğans Rückhalt schwindet wegen der schlechten Wirtschaftslage mit einer Inflationsrate von mehr als 70 Prozent, die Opposition hingegen gewinnt an Boden. Die Oppositionsparteien stehen seit Jahren unter Druck. Der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP etwa droht ein Verbot, eine führende Politikerin der CHP wurde jüngst vor Gericht gestellt.

Zuletzt hatten sechs wichtige türkische Oppositionsparteien ein gemeinsames Grundsatzprogramm veröffentlicht. Beobachter gehen davon aus, dass die Parteien sich zu einem Bündnis zusammenschließen und einen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten für die für den Sommer 2023 angesetzten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen aufstellen. Das Bündnis setzt sich unter anderem zusammen aus der größten Oppositionspartei CHP, der nationalkonservativen Iyi-Partei und der Deva-Partei.

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