USA:Das Recht, Ruhe zu bewahren

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Erleichterung nach der Bekanntgabe des Ergebnisses: Bei einem Referendum haben die Menschen in Kansas gegen eine Einschränkung des Rechts auf Abtreibung gestimmt. (Foto: AP)

Eine Mehrheit im konservativen Kansas hat gegen ein Abtreibungsverbot gestimmt. Das Urteil des Supreme Court hat unerwartete Folgen.

Kommentar von Meredith Haaf

"Wir geben die Autorität, Abtreibung zu regeln, an das Volk und seine gewählten Vertreter zurück." Dieser zentrale Satz stand in der Urteilsbegründung des amerikanischen Supreme Court von Anfang Juli. Er enthält den ganzen Sprengstoff der Entscheidung, das geltende Abtreibungsrecht im Land zu kippen. Denn zum einen sprach er der bisherigen juristischen Grundlage und medizinischen Praxis bei dem Thema die Legitimität ab; zum anderen fürchten viele, dass das "Zurück zum Volk" die schwer erträgliche Polarisierung um Abtreibung noch weiter verschärfen wird. Dass republikanische Mehrheiten Frauen und Ärzte ihrer Rechte berauben könnten, ist eine nicht unberechtigte Sorge.

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In Kansas ist nun ein Funke an den Sprengstoffzünder gesprungen, in Gestalt eines Referendums zu der simplen Frage: Soll Abtreibung in Kansas illegal sein, ja oder nein? Und siehe da, die Explosion ist ausgeblieben. Eine klare Mehrheit in diesem konservativen und in der Nachbarschaft der abtreibungsfeindlichen Gegenden Texas, Oklahoma und Mississippi beheimateten Bundesstaat will das Recht auf Abtreibung in der Verfassung stehen lassen - auch in Bezirken, wo Trump-Anhänger dominieren. Das Volk hat von seinem Recht Gebrauch gemacht, Ruhe zu bewahren.

Eine Mehrheit der Amerikaner beider Lager wünscht ein liberales Abtreibungsrecht

Das passt zu dem seit vielen Jahren eindeutigen Befund der Meinungsforschung, dass eine Mehrheit der Amerikaner ein liberales Abtreibungsrecht unterstützt, unabhängig von ihrer Parteipräferenz. Verbote sind das Projekt rabiater Gruppen und einiger radikalisierter Politikerinnen und Politiker; auf der anderen Seite fordern einige, aber eben auch nicht sehr viele, ein bedingungsloses Abtreibungsrecht. Das Referendum von Kansas hat sich insofern als Glücksfall für die Menschen entpuppt und als Chance für eine offene Debatte. Dass das nun überall so läuft, ist nicht gesagt. Doch offensichtlich ist die Autorität, wichtige Fragen zu regeln, beim Volk nicht immer nur schlecht aufgehoben.

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