Volkswagen:Warum Porsche und VW nicht in Personalunion zu führen sind

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Oliver Blume sieht sich mit seinen zwei Topjobs bei VW und Porsche auch möglichen Interessenskonflikten gegenüber. (Foto: dpa)

Der Job an der Volkswagen-Spitze erfordert vollen Einsatz - Oliver Blume sollte sich nur darauf konzentrieren, aus mehreren Gründen.

Kommentar von Caspar Busse

Jobsharing ist gerade einer der Trends in der Arbeitswelt. Immer öfter teilen sich Mitarbeiter einen Arbeitsplatz oder eine Vollzeitstelle. Dadurch können zwei Personen in Teilzeit arbeiten und doch gemeinsam beispielsweise eine Führungsposition übernehmen. Die Arbeitnehmer sind flexibler, der Arbeitgeber profitiert im Idealfall von doppelter Kompetenz.

Ein Jobsharing der besonderen Art peilt jetzt Oliver Blume an. Der 54-jährige Ingenieur will alleine zwei Topjobs zusammen erledigen - nämlich den des Vorstandvorsitzenden des VW-Konzerns und den von Porsche in Personalunion. Von September an rückt er als Nachfolger von Herbert Diess, der überraschend gehen musste, an die Konzernspitze, soll aber seinen alten Job bei Porsche behalten: Dienstag, Mittwoch, Donnerstag in Wolfsburg, Montag, Freitag, Samstag in Stuttgart-Zuffenhausen. So etwas gibt es bei deutschen Unternehmen eigentlich nicht, vielleicht abgesehen von Thomas Rabe, der dem Medienkonzern Bertelsmann und der Fernsehfirma RTL in Personalunion vorsteht.

Die Doppelfunktion ist eine Gefahr für den Börsengang der Sportwagenfirma

In Teilzeit Europas größten Industriekonzern mit 250 Milliarden Euro Jahresumsatz und deutlich mehr als 600 000 Mitarbeitenden führen? Das wird nicht funktionieren - und kann durchaus Risiken bergen. Denn der Job an der VW-Spitze erfordert vollen Einsatz, auch wenn der Vorstand des Autobauers mit insgesamt derzeit zwölf Mitgliedern ungewöhnlich groß ist. Es gibt derzeit - trotz der guten Gewinnzahlen für das erste Halbjahr 2022 - viele ungelöste Probleme bei Volkswagen, auf die Vorgänger Diess bislang überzeugende Antworten schuldig blieb. Dazu gehören Schwierigkeiten mit der Software, Turbulenzen auf dem für VW so wichtigen Markt in China, immer wieder Diskussionen mit dem Betriebsrat, der weitere Umstieg auf Elektromobilität. Den von Diess eingeschlagenen Kurs weg vom Verbrenner hin zu neuen Antrieben und in Richtung Digitalisierung muss Blume gegen alle Widerstände in dem nahezu unregierbaren Konzern weitergehen.

Dazu kommt, dass die Doppelfunktion von Blume ein ernstes Hindernis für eines der wichtigsten Projekte des Konzerns darstellt, nämlich den geplanten Börsengang des Sportwagenbauers Porsche - an diesem Montag gibt es (mutmaßlich gute) Porsche-Halbjahreszahlen, zudem werden möglicherweise neue Details zum geplanten Listing erwartet. Es soll einer der größten Börsengänge Europas in diesem Jahr werden. Einige Investoren und Vertreter großer Fonds haben recht, wenn sie die künftige Doppelrolle von Blume kritisieren. Denn diese wirft auch in diesem Zusammenhang Fragen auf.

Durch den Börsengang sollen Volkswagen und den Eigentümerfamilien Porsche und Piëch nicht nur viel Geld für die weitere Transformation zufließen. Porsche soll auch ein Stück unabhängiger vom VW-Konzern werden und damit mehr Bewegungsfreiheit erhalten. Doch wie soll das glaubhaft vermittelt werden, wenn die Chefposten in einer Hand liegen? Nur sehr viel Geld ausgeben und dafür de facto gar keine Mitspracherechte erhalten - dieses Risiko werden wichtige Investoren sicher nicht eingehen, denn das macht die künftige Porsche-Aktie unattraktiv.

Blume wird bei dem anstehenden Börsengang nicht nur voll gefordert sein, er sieht sich auch möglichen Interessenskonflikten gegenüber. Was aus VW-Konzernsicht gut ist, etwa Synergien zu heben und gemeinsame Modelle oder Antriebe zu entwickeln, könnte für die neue Unabhängigkeit von Porsche schlecht sein. Die Konstellation ist ein Risiko für den geplanten Börsengang. Zudem ist die Lage an den internationalen Kapitalmärkten angesichts des Ukraine-Kriegs, der Konflikte zwischen China und Taiwan und eines möglichen weltweiten Wirtschaftsabschwungs ohnehin fragil. VW sollte sich ein Vorbild etwa an Siemens nehmen. Der Einfluss der im Dax notierten Gesundheitssparte Siemens Healthineers ist durch Mitglieder im Aufsichtsrat gewährleistet.

Die Doppelfunktion von Blume wirft abermals ein schlechtes Bild auf die gute Unternehmensführung, die Corporate Governance, im VW-Konzern. Die Eigentümerfamilien wollen so wenig Einfluss abgeben wie nötig, aber alle Vorteile einer Börsennotierung genießen. Das ist ohne Zugeständnisse aber nicht möglich. Blume muss sich für einen der beiden Jobs entscheiden.

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