Open Air:Jazz für die Massen

Open Air: Wolfgang Haffner, deutscher Schlagzeuger-Fürst und Kurator von "Stars im Luitpolthain".

Wolfgang Haffner, deutscher Schlagzeuger-Fürst und Kurator von "Stars im Luitpolthain".

(Foto: Uwe Niklas)

Wolfgang Haffners "Stars im Luitpoldhain" in Nürnberg sprengen alle Rekorde.

Von Oliver Hochkeppel, Nürnberg

Es gehört zum guten Ton, dass Musiker dem Publikum beim Konzert sagen, was für ein besonderes Erlebnis das gerade sei. Egal, ob es stimmt. Beim Nürnberger Jazz-Open-Air "Stars im Luitpoldhain" am vergangenen Sonntag aber hätte man wohl keinen unter den vielen Musikern gefunden, der das nicht wirklich so empfunden hat. Schon, weil es vermutlich weltweit kein anderes jazz-affines Event gibt, zu dem 65 000 Zuschauer strömen und samt Wunderkerzen für eine immer friedliche Picknick-Party-Stimmung sorgen.

Auf die Idee zu diesem Format, einer logischen Abrundung der "Klassik Open Air" und des Global-Pop-Hochamts "Bardentreffen", ist 2015 Andreas Radlmaier gekommen, der Leiter des Projektbüros beim "Geschäftsbereich Kultur" der Bürgermeisterin Julia Lehner. Als Kurator holte er sich Wolfgang Haffner, den Nürnberg eng verbundenen deutschen Schlagzeuger-Fürsten. Schon immer im Grenzbereich zwischen Jazz und Pop arbeitend, konnte er die richtigen Freunde an den Start bringen, um die Sache populär genug zu gestalten. Die unter anderem mit Roger Cicero bestückte erste Ausgabe des biennalen Gratis-Monsterprojekts war noch stark regengeschädigt, von da an aber brach die Geschichte alle Rekorde.

Frischzellenkur für die Stars

Jetzt also ging es zum fünften Mal zur Sache, mit einem Neuling als Opener: Der brasilianische Pianist und Sänger, vor allem aber Komponist von zahllosen gecoverten Songs der Musica Populeira Brasiliana, Ivan Lins, mag beim deutschen Publikum nicht so bekannt sein wie etwa ein Gilberto Gil, unter Musikern ist er eine Legende. In jedem Fall sorgte er für einen beschwingten, "tropischen" Einstieg. Lins ist das beste Beispiel dafür, dass man Erfolg mit musikalischen Kompromissen haben kann, die trotzdem den Anspruch und die Qualität des Jazz nicht aufgeben. Was generell für die "Stars im Luitpoldhain" galt: Natürlich sind die Hits von Cassandra Steen für sich genommen mitunter etwas eindimensional, kommt der 35 Jahre alte melodische Funk der vier Isländer von Mezzoforte erst einmal angegraut daher, würde einen das Disco-Downbeat-Gerumpel der Haffner-Ibiza-Kumpels von Nightmares On Wax eher einschläfern, könnte einen der Bombast des Special- und Stammgasts Thomas Quasthoff auch abschrecken - wäre da nicht jeweils die Frischzellenkur durch die nicht zu Unrecht so genannte German Allstar Bigband und die großartigen Arrangements ihres Leiters Jörg Achim Keller.

Nur Starposaunist Nils Landgren und Max Mutzke als finale Rampensau (und mit einem göttlichen "Me And Mrs. Jones"-Duett mit Steen) wären wohl auch ohne ausgekommen. Landgren bescherte dem Jazz-Woodstock mit seiner unter die Haut gehenden Gesangsversion von Stings "Fragile" auch den emotionalen Höhepunkt, war dies doch ein Wunsch Radlmeiers zum hier vollzogenen Abschied. Der Mann, der soeben binnen drei Wochen eine halbe Million Menschen für Musik mobilisiert hat, geht vorzeitig in Rente. Wohl auch, weil er - und da ist er landauf landab nicht der einzige - den Rückhalt der Politik vermisste. Noch so ein Alarmzeichen für den Kulturbetrieb.

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