Sportpolitik:Putins Einfluss ist ungebrochen

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Die Polit-Elite um Staatspräsident Wladimir Putin im Eispalast der Winterspiele 2014. Mit dabei: Der damalige Vize-Premier Arkadij Dworkowitsch, inzwischen Präsident des Schach-Weltverbandes (Zweiter von links). (Foto: Itar-Tass/Imago)

Die Wiederwahl von Arkadij Dworkowitsch als Boss des Schach-Weltverbandes zeigt, wie groß Russlands Macht im globalen Sport auch in Kriegszeiten ist. Mehr noch: Sie legt auch die Fehler der Gegner offen.

Kommentar von Johannes Aumüller

Der Kreml hat nicht lange gebraucht für eine freudige Grußbotschaft. Das Ergebnis des Kongresses in Chennai/Indien sei "eine sehr gute Nachricht", erklärte ein Sprecher von Staatspräsident Wladimir Putin wenige Minuten, nachdem der russische Funktionär Arkadij Dworkowitsch an der Spitze des Schach-Weltverbandes (Fide) bestätigt worden war. Und der Chef des nationalen Schachföderation ließ sich von dem erstaunlich eindeutigen 157:16-Sieg gegen den ukrainischen Herausforderer Andrij Baryschpolets zu einer besonders raumgreifenden Bemerkung ermutigen. Der Sieg zeige doch, dass "Russland in der Welt nicht isoliert ist".

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Kommentar von Johannes Aumüller

Der organisierte Sport offenbart mal wieder eindrücklich, wie er positioniert ist im Umgang mit Russlands Kriegsverbrecherregime. Vor wenigen Wochen signierten 35 Sportministerien aus der westlichen Welt eine Resolution, in der sie den Ausschluss russischer Funktionäre forderten. Das juckt den Sport nur nicht. Mögen die meisten russischen Athleten von den Wettkämpfen gebannt sein, in der globalen Familie der Sportfunktionäre bleiben selbst Putins Getreue herzlich willkommen.

Der Blick auf den Ukraine-Krieg ist rund um den Globus oft ein ganz anderer, als es die westlichen Staaten gerne hätten

In dem von Thomas Bach geführten Internationalen Olympischen Komitee sitzen bis heute vier russische Mitglieder. In den Weltverbänden bekleiden Funktionäre wie der Stahlbaron Wladimir Lisin (Präsident im Schießsport) ihre einflussreichen Positionen. Die Boxer bestätigten Umar Kremljow jüngst per Akklamation. Das langjährige Regierungsmitglied Dworkowitsch zählte in der Kreml-Ordnung zwar früher mal zum sogenannten liberalen Flügel und benutzte im Frühjahr mit Blick auf die Ukraine sogar das in Russland verbotene Wort "Krieg". Aber er ist weiter eng verdrahtet in Moskaus Elite und war erkennbar der Mann, den sich Russlands Führung an der Spitze der Fide wünschte.

Das alles zeigt, wie das Funktionärswesen des Weltsports weiter vom Kreml, seinen angeschlossenen Schaltstellen und russischem Geld durchdrungen ist. Und es zeigt, wie der Sport in diesem Fall die politischen Realitäten rund um den Globus abbildet, wo der Blick auf den Ukraine-Krieg vielfach ein ganz anderer ist, als es die westlichen Staaten gerne hätten.

Das Ergebnis von Chennai ist nicht nur ein Sieg für Russland - es offenbart auch die gravierenden Fehler seiner Gegner. Es ist den Dworkowitsch-Kritikern während des Wahlkampfes nicht gelungen, einen überzeugenden Gegenkandidaten aufzubauen. Wenn am Tag des Kongresses als Herausforderer ein 31 Jahre alter, weithin unbekannter und sportpolitisch unerfahrener Großmeister aus der Ukraine übrig bleibt, ist das die demaskierende moralische Überladung einer Wahl, die nicht zu gewinnen war. Und die Politiker jener 35 Länder, die unlängst so klar den Funktionärsbann fordern? Müssen sich fragen, was sie außer Wortgeklingel unternehmen wollen, um Putins ungebrochenen Einfluss im Weltsport zu mindern.

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