Münchner Momente:Der Xare und seine Lederhose

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Lederhosn - ein zeitloser Look. (Foto: Felix Hörhager/picture alliance / dpa)

Die Damenwelt muss sich jedes Jahr zur Wiesn auf neue Dirndl-Trends einstellen. Die Männer haben's da viel einfacher.

Glosse von Stephan Handel

Soso, dachte der Hinterberger Xare bei sich, soso, Samt also. Samt ist der neue Dirndl-Trend auf der Wiesn heuer, weil nämlich die Dirndlschneider entschieden haben, dass das Weibergwand heuer unaufgeregt daherkommt und seinen Reiz aus einer gewissen Strenge bezieht, was zu einer zurückhaltenden Ästhetik und monochromen Looks führt. So stand's jedenfalls Anfang der Woche in der Zeitung, also wird's schon stimmen.

Der Hinterberger Xare ging in den Keller und holte seine alte Lederhosn aus dem Schrank - er sprach immer von seiner Hirschledernen, obwohl sie nur aus Rindspalt war. Was hatte er mit der schon erlebt! Er passte immer noch ganz gut hinein, auch wenn er das Geschirr um einige Löcher länger machen musste und der hintere Spalt bis zum Geht-nicht-mehr gedehnt war. Liebevoll blickte er auf die Ringe an den Oberschenkeln, entstanden durch jahrelanges Abstellen von nassen Masskrügen. Amüsiert sah er innen am Latz undeutliche Kugelschreiber-Spuren - als junge Männer hatten sie sich einen Spaß daraus gemacht, Frauen-Bekanntschaften dort unterschreiben zu lassen.

Der Xare trug seine Lederhosn nur zur Wiesn, sonst höchstens noch zum Dorffest - es handelte sich also um eine reine Bierzelt-Lederhosn. Diese jahrzehntelange Geschichte war dem Leder mittlerweile imprägniert, wie der Xare durch einen tiefen Riecherer feststellte. Stundenlanges Schwitzen roch er heraus, alles Bier der Bierstadt München, und den Rauch aus der Zeit, als in den Zelten noch gequalmt wurde. Historie olfaktorisch! Die ging sogar noch weiter zurück, denn es gab eine Zeit in Xares Jugend, in der er seine Alkoholtoleranz noch eichen musste, und dazu gehörte auch, manchmal über die Grenzen zu gehen, was dem Odeur der Lederhosn eine leicht säuerliche Note gab.

Monochromer Look, dachte sich der Xare. So ein Schmarrn! Seine Lederhosn hatte den mittlerweile auch, ganz ohne Modedesigner, weil die einst hellbraunen Stickereien im Lauf der Zeit fast genauso dunkel wie das Leder geworden waren. Die gewisse Strenge stellte sich mittlerweile auch ein, vor allem durch ein leichtes Zwicken rund um den Hosenbund. Mit einem Lächeln hängte er das gute Stück zurück in den Schrank. Gut vier Wochen noch, dann geht's wieder auf, dann würde der Hinterberger Xare seine zurückhaltende Ästhetik wie jedes Jahr ins Augustiner Zelt führen. Da werden die Weiberleit mit ihren neuen Samtdirndln aber schauen!

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