Kreis und quer:Ein Fabelwesen namens Millionär

Jeder dürfte im Landkreis München schon einmal einem begegnet sein - auch wenn er es nicht gemerkt hat.

Kolumne von Martin Mühlfenzl

Er oder sie könnte vor einem an der Theke beim Bäcker stehen und wie jeder andere auf die herrlich duftende Brezn warten. Oder ganz unauffällig auf der Decke nebenan im Freibad liegen. Vielleicht sitzt er auch hinter einem im Sattel an der Ampel und wartet wie jeder Normalsterbliche auf die grüne Phase oder lässt sich mit dem Neun-Euro-Ticket ganz nonchalant quer durchs Land kutschieren. Und niemand merkt, dass es tatsächlich eines dieser Fabelwesen ist, das - vollkommen unentdeckt - in großer Zahl im Landkreis München daheim ist: ein Millionär!

Jeder dürfte schon mal einem begegnet sein, denn unter den etwa 360 000 Einwohnern des bevölkerungsreichsten aller bayerischen Landkreise tummeln sich den neuesten Erhebungen des Statistischen Landesamtes zufolge 462 Menschen, deren jährliches Einkommen über einer Million Euro liegt. Das sind 13 Spitzenverdiener je 10 000 Einwohner. Inzwischen dürften es noch mehr sein, denn die Zahlen stammen aus dem Jahr 2018, aktuellere gibt es nicht. Mit diesem Wert belegt der Landkreis München im Millionärsindex Platz zwei im Freistaat hinter dem Kreis Starnberg. Der kommt sogar auf 22,2 Millionäre je 10 000 Einwohner, was insofern keine Überraschung ist, als das Fünfseenland seit jeher als Hort der Dekadenz und Superreichen gilt. Manch einer spricht sogar vom Treffpunkt der Schönen, Reichen und Berühmten - als wären sie dort schöner als in Unterschleißheim, Ottobrunn oder Planegg.

Die höchste Millionärsdichte im Landkreis München wird ja stets im Isaridyll Grünwald vermutet, wo sich angeblich Fußballprofis, Investmentbanker und Filmproduzenten hinter meterhohen Mauern und Hecken in ihren Villen verschanzen, die Angestellten im Rathaus vergoldete Wasserhähne aufdrehen und jedes Jahr die Hauptverkehrsader, die Südliche Münchner Straße, neu asphaltiert wird - weil die Gemeinde es sich einfach leisten kann. Selbst wenn das nicht stimmen sollte, wäre es zumindest treffend erfunden.

Aber nur kein Neid, es muss nicht immer Grünwald sein und auch nicht der Starnberger See, an dem ohnehin Millionärsvillen an zu vielen Stellen den Zugang zum Wasser versperren. Wie wäre es stattdessen mit dem Feringaseee, dem Heimstettener oder dem Garchinger See im Norden? Auch am Taxetweiher in Ismaning lässt es sich im Sommer gut aushalten. Natürlich auch am Deininger Weiher, wo es gleich an mehreren Stellen unkompliziert Möglichkeiten zum Baden gibt. Und der so herrlich eingebettet im Gleißental liegt, dass die Sehnsucht nach vermeintlich mondäneren Zielen schnell schwindet. Und wer sich am Kiosk noch eine Halbe Bier oder einen Snack holt, kann mit einem Lächeln darüber nachdenken, wer denn in der Schlange davor nun eine siebenstellige Summe auf dem Konto hat. Und sich freuen, dass der mutmaßliche Millionär halt auch warten muss, bis er an der Reihe ist ist.

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