Jura-Examen:Wie schafft man 16 Punkte?

Ein Interview mit der Einser-Juristin Sonja Pelikan.

16,08 Punkte hat Sonja Pelikan im ersten juristischen Staatsexamen geschafft - ein Ergebnis, das unter Jurastudenten als phänomenal gilt. Mit vier Punkten ist das Examen bestanden, 85 Prozent erreichen maximal acht Punkte. Die Münchner Studentin ist damit die beste bayerische Absolventin seit 1983.

SZ: Wie fühlen Sie sich?

Pelikan: Sehr erleichtert.

SZ: Haben Sie mit dem Ergebnis gerechnet?

Pelikan: Nein, niemals.

SZ: Wie bereitet man sich auf ein solch sensationelles Examen vor?

Pelikan: Klausuren, Klausuren, Klausuren. In dem letzten Jahr vor dem Examen habe ich über hundert fünfstündige Klausuren geschrieben.

SZ: Warum haben Sie sich eigentlich so reingehängt?

Pelikan: Damit ich später einmal einen guten Job bekomme und meine Familie ernähren kann. Bei den derzeitigen Arbeitslosenzahlen muss man sich einfach anstrengen, zumal gerade bei den Juristen allein die Note zählt und andere Qualifikationen nur sekundär sind.

SZ: Das juristische Examen in Bayern soll eines der schwierigsten in Deutschland sein. Fanden Sie es auch schwer?

Pelikan: Verglichen mit den vier Jahren des Lernens und Durchhaltens waren die zwei Prüfungswochen letztlich nur halb so wild. Da ich das Ziel so nah vor Augen hatte, konnte ich meine Kräfte mobilisieren und noch über mich hinaus wachsen.

SZ: Was macht das bayerische Staatsexamen so schwierig?

Pelikan: Unser Pflichtprogramm ist größer als in vielen anderen Bundesländern. Fächer, die in Bayern zwingend sind, gelten woanders als Wahlfächer. Neben unserem Pflichtprogramm mussten wir noch in einem Wahlfach eine Prüfung ablegen - und zwar sowohl eine schriftliche als auch eine mündliche Prüfung. In einigen Bundesländern wird auch eine Hausarbeit gestellt, die mit in die Gesamtnote einfließt. Dadurch wird der psychische Druck abgemildert.

SZ: Ist das der Grund, warum die Misserfolgsquote so hoch ist? In den letzten Jahren sind in Bayern immer über 30 Prozent durchgefallen?

Pelikan: Ich glaube nicht, dass diese Quote mit der Art der Prüfung zusammenhängt. Das Problem liegt eher am Jurastudium an sich.

SZ: Wie ist das zu verstehen?

Pelikan: Im Vergleich zu anderen Studienabschlüssen müssen wir alles, was wir je gelernt haben, zum Zeitpunkt des Examens wissen. Wir haben also nicht die Möglichkeit, einzelne Bereiche vorab durch eine Prüfung abzulegen. Deshalb dauert auch das Studium verhältnismäßig lange. Ich persönlich war etwa im August letzten Jahres auf dem Wissensstand, den ich auch während der Prüfung hatte. Das letzte halbe Jahr habe ich also, abgesehen vom Klausurtraining, ausschließlich mit Wiederholen verbracht. Mit diesem Kampf gegen das Vergessen müssen sich wohl alle Jurastudenten in Deutschland herumschlagen, manche unterschätzen die Zeit die sie dafür benötigen und gehen deshalb zu früh ins Examen.

SZ: In Jura ist es üblich, zu einem privaten Repetitor zu gehen? Haben Sie das auch gemacht?

Pelikan: Hm, ja. Ich hatte sogar für jedes Fach einen anderen.

SZ: Der Repetitor kostet etwa 100 Euro pro Monat. Manche Studenten können sich das nicht leisten. Ist das nicht ungerecht?

Pelikan: Natürlich ist das ungerecht. Allerdings gibt es zum Beispiel an der Münchner Uni als Examensvorbereitung ein über mehrere Semester angelegtes Tutorium für Zivilrecht und öffentliches Recht. Es bietet den Studenten perfekte Lösungen und Spitzenreferenten - und das ohne Bezahlung.

SZ: Was würden Sie am Jurastudium ändern?

Pelikan: Schwierige Frage. Es wäre aber sicher sehr sinnvoll, derartige öffentlich finanzierte Tutorien auszubauen. Zur Zeit wird in diesem Bereich aber eher eingespart.

SZ: Wie geht es jetzt für Sie weiter? Haben Sie schon Jobangebote bekommen?

Pelikan: Nein. Ich muss ja erst noch das zweite Staatsexamen mit mindestens neun Punkten ablegen. Bis dahin bin ich nur eine einfache Juristin beziehungsweise kann den akademischen Grad der Diplom-Juristin beantragen. Außerdem will ich vor dem Referendariat promovieren, deshalb muss ich mich noch ein paar Jahre gedulden, bis ich Volljuristin bin.

Interview: Kathrin Heydebreck

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