SZ-Serie: Grün im Grau:"Wir haben sie gerettet"

SZ-Serie: Grün im Grau: Zehn Hektar Grün mit ein paar Fußballtoren und ein paar Bänken: die Unnützwiese in Trudering.

Zehn Hektar Grün mit ein paar Fußballtoren und ein paar Bänken: die Unnützwiese in Trudering.

(Foto: Catherina Hess)

Auf den ersten Blick hat die Unnützwiese in Trudering nichts Besonderes zu bieten. Doch den Anwohnern ist sie so teuer, dass sie eine geplante Bebauung auf der Grünfläche mit heftiger Gegenwehr verhinderten. Verändern könnte sich das Areal dennoch bald.

Von Ilona Gerdom

Ein paar Jungs kicken einen Ball zwischen zwei Eisentoren hin und her. Fünf Holzbänke stehen da noch. Ein Stück weiter ein Klettergerüst, Schaukel und Wippe in einem Sandkasten. Sonst nur Rasen. Zugegeben, der Anblick der Truderinger Unnützwiese ist an diesem Nachmittag in den Sommerferien - und auch sonst - eher unspektakulär. Die Grünfläche ist nicht vielmehr als eine beinah leere Wiese. Doch genau dafür schätzen sie die Menschen im Viertel. So sehr, dass sie sich vor einigen Jahren für ihren Erhalt sogar mit der Stadt angelegt hatten.

Die jungen Fußballspieler sitzen inzwischen auf einer Bank. Sie sind oft hier. Sozusagen Stammgäste der Unnützwiese. "Wenn's warm ist drei- bis viermal die Woche", sagt der eine. Der 16-Jährige findet die Fläche "sehr schön", weil sie "ziemlich groß und nah ist". Nur etwa 100 Meter entfernt wohne er. Sein Freund nickt zustimmend. Auch als sie noch ein paar Jahre jünger waren, sind sie schon hierhergekommen. Sie sind mit der Wiese aufgewachsen. Und sie sind nicht die einzigen in Trudering: Mit dem grünen Fleck von rund zehn Hektar Größe an der Bajuwarenstraße/Ecke Unnützstraße verbinden viele Menschen in der Umgebung Erinnerungen.

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(Foto: SZ-Karte: Mainka/Mapcreator.io/HERE)

So auch Stefan Hofmeir. Nicht nur auf, sondern generell mit der Unnützwiese hat er schon viel Zeit verbracht. Vielleicht sogar mehr als jeder andere. Erst aus Spaß: "Ich war mit meinen Kindern sehr häufig hier. Zum Fußballspielen oder auch Schaukeln." Aber im Juli 2016 wurde aus dem Freizeitort für ihn eine ernste Angelegenheit: Damals beschloss der Stadtrat, die Grünfläche für das Projekt "Wohnen für Alle" zu nutzen. Erst sollten 55, später dann noch 48 Wohnungen für Geflüchtete und Menschen mit geringen finanziellen Mitteln gebaut werden. Das hätte nicht die ganze Wiese betroffen, doch entlang der Bajuwarenstraße wäre ein Häuserstreifen entstanden. Etwa 8400 Quadratmeter wären wohl unbebaut geblieben.

Nicht genug, wie man im Viertel fand. Es formierte sich Protest. Hofmeir gründete gemeinsam mit anderen die Bürgerinitiative "Rettet die Unnützwiese". "Wir haben alles in Bewegung gesetzt", erinnert sich der Mitinitiator. Der Gedanke an die damaligen Pläne für die Anlage regt ihn heute noch auf. Es geht ihm dabei um mehr als nur einen Platz in Trudering. Hofmeir betont, dass es generell "aus der Zeit gefallen und nicht klug ist", Grünflächen wie diese zu bebauen. Damit würde noch mehr Boden versiegelt. Freiluftschneisen würden möglicherweise blockiert. Die Hitze staut sich. Kurz: Auch Stadtklimatisch gesehen, sei die Bebauung von Grünflächen kritisch zu bewerten.

Nicht ohne Stolz sitzt er jetzt auf einer Bank im Schatten, blickt auf die Unnützwiese und sagt: "Wir haben sie gerettet." Letztlich war das Thema 2017 im Petitionsausschuss des Bayerischen Landtags gelandet. Aus Sicht der Juristinnen und Juristen bestand kein Baurecht. Die Stadt stoppte das Vorhaben.

Spricht man in diesen Sommertagen Menschen auf der Wiese an, merkt man schnell, dass dieses Fleckchen Gras heiß geliebt wird. "Allergrößtes Geschenk", nennt es zum Beispiel Lisa, die mit ihrem Partner auf der Wiese unterwegs ist. "Für uns ist es super, weil wir gegenüber wohnen und keinen Garten haben", sagt sie. Mit den gemeinsamen zwei Kleinkindern sind sie oft hier. Es sei ihr "Gartenersatz".

Auch an anderen Orten gibt es ähnliche Konflikte

Wenn nicht gerade Schule oder Abendessenszeit ist, ist die Wiese meist ein beliebter Treffpunkt. Wer weiß, was daraus ohne den Einsatz der Bürgerinitiative geworden wäre. Doch so eindeutig wie hier im Münchner Osten ist die Lage nicht immer. Im Westen der Stadt wird zum Beispiel um die sogenannte Erdbeerwiese gestritten. Es gibt verschiedene Ansichten, wie mit der Freifläche und Frischluftschneise zwischen Weinschenkstraße, Bauseweinallee und der Straße Im Wismat umzugehen ist.

Die grün-rote Rathauskoalition hat einen Schulneubau an der Von-Kahr-Straße vor. Man bräuchte dafür Flächen des SV Untermenzing. Als Ersatz würde dann ein Teil des Erdbeerfeldes zur Sportfläche werden. Einen Stadtratsbeschluss gibt es dazu bisher nicht. Uneinig sind sich auch die Bürgerinnen und Bürger der Stadtteile Untermenzing und Obermenzing, die beide betroffen sind. Wie es hier ausgeht, ist also noch offen. Klar ist, dass grüne, unbebaute Flächen in München ein rares und umkämpftes Gut sind.

Auch was die Unnützwiese angeht, ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Ihre Rettung bedeutet nicht zwingend, dass sie bleibt, wie sie ist. Auf Antrag des örtlichen Bezirksausschuss soll sie aufgewertet werden. Die aktuellen Planungen sehen zum Beispiel Kletterwände für Jugendliche, mehr Bäume und Bolzplätze vor. Das gefällt nicht allen. Hofmeir zum Beispiel spricht von einer "Vollmöblierung". Nachbarin Lisa sorgt sich, dass nicht mehr genug Platz zum "Toben und Tollen" für die Kinder bleibt. Ihr Partner dagegen sagt: "Wenn man es noch verbessern kann. Warum nicht?" Voraussichtlich im Herbst will das Baureferat einen Beschlussentwurf vorlegen.

Häuser werden damit zwar nicht entstehen. Der Anblick würde sich aber freilich ändern. Die Wiese wäre dann nicht mehr nur eine Wiese, sondern mehr.

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