RBB:Der Rundfunkrat wagt die Flucht nach vorne

RBB: Das Aus für Intendantin Patricia Schlesinger hat die Vorsitzende des RBB-Rundfunkrates, Friederike von Kirchbach, am Montag verkündet.

Das Aus für Intendantin Patricia Schlesinger hat die Vorsitzende des RBB-Rundfunkrates, Friederike von Kirchbach, am Montag verkündet.

(Foto: Gerald Matzka/dpa)

Die Entscheidung, Intendantin Patricia Schlesinger abzuberufen, ist riskant. Doch die Alternative war noch riskanter.

Kommentar von Claudia Tieschky

Beinah unvorstellbar, dass in Deutschland im öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine Intendantin oder ein Intendant abberufen wird. Der Name Patricia Schlesinger wird von jetzt an nur mit diesem dramatischen Fall verbunden sein. Von ihrer langen Karriere vorher, von ihrer Arbeit als Journalistin und geschätzter Programmmacherin wird in der Öffentlichkeit nur eines bleiben: die blitzschnelle Entlassung in Schande, die der Rundfunkrat des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) am Montag bei nur einer Enthaltung einhellig beschlossen hat. Rechtfertigt der Sachstand zu der Affäre dieses Stigma? Ja, Schlesinger machte vor dem Gremium dem Vernehmen nach den Eindruck einer Person, die immer noch kein Gespür für das Ausmaß der Krise im Sender hat. Doch die Compliance-Ermittlungen sind nicht abgeschlossen, es gibt zwei Versionen von der Geschichte mit den strittigen Abendessen-Abrechnungen, die für die Abberufung wohl den Ausschlag gaben. Welcher Schaden dem Sender tatsächlich durch Schlesingers mutmaßliche Vergehen entstand - vom riesigen Imageschaden einmal abgesehen -, wird sich erst in einigen Wochen oder Monaten sagen lassen. Die Antwort ist in Wahrheit: Sofern der RBB nicht mehr Erkenntnisse hat, als er öffentlich macht, muss man diese Entscheidung riskant nennen. Ist es also richtig oder falsch, dass der Rundfunkrat so entschieden hat?

Die Beschäftigten sind empört über die Boni für die Geschäftsleitung

Noch riskanter, als die Intendantin rauszuwerfen, erschien den RBB-Gremien offensichtlich die Alternative: vor der Öffentlichkeit und empörten Sendermitarbeitern als unentschlossen dazustehen oder sogar als Teil des Problems. Mit seiner Entscheidung hat der Rundfunkrat die Flucht nach vorne angetreten. Die Gremien - deren Kontrolldefizite in dieser ganzen Affäre noch mal ein richtig dickes eigenes Kapitel sind - hätten sonst eine normale Vertragsauflösung vorbereiten oder längere Zeit auf das Ergebnis der Ermittlungen und Compliance-Untersuchung warten müssen. Normalität und Abwarten aber gibt es gerade nicht im RBB, wo die Beschäftigten enttäuscht und empört sind, weil sie von Boni für die Geschäftsleitung erfahren, während am Journalismus gespart wurde. Statt Normalität verlangen sie Neuanfang, Transparenz, eine neue Geschäftsleitung, einen anderen Führungsstil. Und wenigstens das in der ganzen Affäre ist: gut so.

In einer früheren Version des Textes stand, dass in Deutschland im öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch nie eine Intendantin oder ein Intendant abberufen wurde. Das ist falsch. Edmund Gruber wurde 1992 als Intendant des Deutschlandfunks abberufen.

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