AfD-Politiker:Wann ist ein Hitlergruß ein Hitlergruß?

AfD-Politiker: Geriet wegen einer Armbewegung ins Visier der Staatsanwaltschaft: der AfD-Politiker Petr Bystron.

Geriet wegen einer Armbewegung ins Visier der Staatsanwaltschaft: der AfD-Politiker Petr Bystron.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Die Staatsanwaltschaft will in einer Armbewegung des früheren AfD-Landeschefs Petr Bystron die verbotene Geste erkannt haben, das Amtsgericht München lehnt einen Strafbefehl ab. Beendet ist die Sache damit noch nicht.

Von Johann Osel

Da steht er also auf einer mobilen Bühne am Münchner Königsplatz, vor einem roten Herz mit Aufdruck "Gesund ohne Zwang". Eine Kundgebung Anfang März gegen die Corona-Politik, angemeldet von der AfD Bayern, und mittendrin der frühere Landeschef Petr Bystron. "Die Impfung schützt überhaupt nicht", konstatiert der Bundestagsabgeordnete, auch wenn "die entrückte Politkaste" dies behaupte. Alles "Lüge" sagt Bystron in seiner Rede oft über die Pandemie, von den Zuschauern ertönt es im Chor "Lüge, Lüge". Einmal stimmt er einen Slogan an, auf dass die Leute ihn wiederholen mögen: "Wir sind mehr." Das freilich ist an dem Tag eine äußert kühne These, der Polizeibericht zählt nur 130 Teilnehmer - und ein Vielfaches an Einsatzkräften.

Das Spektakel vom Frühjahr wäre wohl keiner weiteren Betrachtung wert, würde Bystron - blaue Warnweste, die Hände meist am Bauch gefaltet - nicht plötzlich rufen: "Wir sind die wahren Freunde der Demokratie, wir sind die AfD". Und dann schießt sein rechter Arm nach oben.

Ein Winken an die Gäste, eine etwas artifiziell geratene Kampfansage? Oder eine Handbewegung, die laut Strafgesetzbuch das "Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen" bedeutet - ein Hitlergruß? Immer wieder müssen sich Gerichte in Deutschland damit befassen, manchmal geht es bei der Auswertung sogar um Mathematik: um den Winkel, wie viel Grad Streckung des Armes? Noch während der Versammlung wurde Bystron jedenfalls angezeigt, die Staatsanwaltschaft ermittelte dann; auch in der AfD-Zentrale nahe München wurden Beamte vorstellig, um Material sicherzustellen. Die Mitarbeiter dort waren kooperativ, so gab es keine Durchsuchung unter Zwang. Später erließ die Staatsanwaltschaft Strafbefehl gegen Bystron, dessen Immunität wurde vom Bundestag aufgehoben. Demnach habe er "bewusst" den rechten ausgestreckten Arm zum Hitlergruß in Richtung Kundgebung gehalten; auf exakte Ausübung komme es dabei nicht an, wenn die "Grußform der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft" für einen objektiven Personenkreis klar als solche erkennbar sei.

Das Amtsgericht München allerdings teilte diese Auffassung nach Informationen der Süddeutschen Zeitung nicht und lehnte nun den Strafbefehl ab. Beim seitlichen Blick auf Bystron könne man der Staatsanwaltschaft "durchaus" beipflichten, hieß es zur Begründung. Frontal betrachtet aber sei das nicht haltbar, es sei erkennbar, "dass die Außenfläche der Hand nach außen und nicht nach oben zeigt und auch der Daumen nicht angelegt ist." Auch aus dem Kontext der Rede heraus, sei ein Hitlergruß oder eine absichtlich zum Verwechseln ähnliche Bewegung "nicht schlüssig". Es könnte sich also um eine "bloß zufällige Geste im Rahmen der Rede" gehandelt haben, anderes sei nicht nachweisbar.

Die Staatsanwaltschaft hat sofortige Beschwerde eingelegt

Zu Ende ist der Fall noch nicht. Wie ein Sprecher des Gerichts auf Nachfrage mitteilte, hat die Staatsanwaltschaft sofortige Beschwerde eingelegt: Der Beschluss sei "mithin nicht rechtskräftig", die Akten werden dem Landgericht als zuständiges Beschwerde-Gericht zur Entscheidung vorgelegt. Bystron selbst hatte den Vorwurf bestritten, er wähnte eine "Einschüchterung Oppositioneller". Die Entscheidung des Amtsgericht jetzt wertet er als "Blamage für die Staatsanwaltschaft".

Das Landgericht ist am Zug. Vielleicht ist auch alles nur ein Missverständnis. In der Karriere des AfD-Politikers reihen sich ja Zufälle und Blöd-gelaufen-Momente auffällig aneinander. Eine Auswahl: Ein Foto von Bystron mit einschlägig bekannten Neonazis vor einigen Jahren in einem Biergarten? Reine Zufallsbekanntschaften, als man bei einer Veranstaltung nebenan keinen Einlass bekam. Ein Selfie mit einem Aktivisten der vom Verfassungsschutz beobachteten "Identitären Bewegung" auf der Wiesn? Ähnlicher Umstand. Der Skandal um Bystrons steuerzahlerfinanzierte Südafrika-Reise, wo er mit rassistisch beleumundeten Paramilitärs Schießübungen abgehalten haben soll? Eine Organisation der "Zivilgesellschaft" in seinen Augen, ein paar Schüsse nur, weil er selbst Jäger sei. Oder die Affäre um Störer im Bundestag 2020, inklusive einer Aktivistin, die Abgeordnete anpöbelte und auf Bystrons Einladungsliste stand? Kam ohne sein Wissen auf die Liste, quasi ein Missgeschick.

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