Am Tag nach dem Eklat:Scholz "zutiefst empört" über Abbas

Am Tag nach dem Eklat: Die Atmosphäre war angespannt: Bundeskanzler Scholz (rechts) und Mahmud Abbas beantworten am Dienstag Fragen von Journalisten.

Die Atmosphäre war angespannt: Bundeskanzler Scholz (rechts) und Mahmud Abbas beantworten am Dienstag Fragen von Journalisten.

(Foto: Wolfgang Kumm/dpa)

Der Kanzler bemüht sich nach den Holocaust-Vorwürfen des Palästinenserpräsidenten um Schadensbegrenzung. Sein Sprecher nimmt die Schuld für den versäumten Widerspruch auf sich.

Von Daniel Brössler, Berlin

Nach zunächst unwidersprochenen Holocaust-Vorwürfen von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas gegen Israel im Kanzleramt bemüht sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) um die Begrenzung des Schadens für sein eigenes Ansehen und die Beziehungen zu Israel. "Der Bundeskanzler ist empört und entsetzt über die Worte von Herrn Abbas. Eine Relativierung des Holocaust mit mehr als sechs Millionen Toten ist völlig unakzeptabel. Dies auch noch auf deutschem Boden zu tun, unentschuldbar", sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittwoch. Der Kanzler bedaure, dass er nicht "direkt" habe reagieren können. Die Schuld dafür nahm Hebestreit auf sich. "Das war mein Fehler, und den muss ich auf meine Kappe nehmen", sagte er.

Abbas hatte am Vortag während einer Pressekonferenz mit Scholz Israel "50 Massaker, 50 Holocausts" vorgeworfen. Danach beendete Hebestreit die Pressekonferenz, ohne dass Scholz dies zurückgewiesen hat. Noch am Abend ließ sich Scholz aber von der Bild-Zeitung mit den Worten zitieren, gerade für Deutsche sei "jegliche Relativierung des Holocaust unerträglich und inakzeptabel". Er sei "zutiefst empört über die unsäglichen Aussagen des palästinensischen Präsidenten", fügte er am Morgen auf Twitter hinzu.

Von der Opposition kam heftige Kritik an Scholz. "Ein unfassbarer Vorgang im Kanzleramt. Der Bundeskanzler hätte dem Palästinenserpräsidenten klar und deutlich widersprechen und ihn bitten müssen, das Haus zu verlassen", sagte CDU-Chef Friedrich Merz. Die Linke forderte eine Entschuldigung von Scholz. Vom Koalitionspartner FDP erhielt Scholz Unterstützung. Dessen Empörung sei während der der Pressekonferenz "klar sichtbar" gewesen, betonte Vizefraktionschef Alexander Graf Lambsdorff. Schockiert zeigte sich der Zentralrat der Juden in Deutschland. "Skandalös" nannte es Zentralratspräsident Josef Schuster, dass die Relativierung des Holocaust zunächst unwidersprochen geblieben sei.

In den Beziehungen der Bundesregierung zur palästinensischen Autonomiebehörde führte der Eklat zu einer schweren Belastung. Der Bundeskanzler erwarte, dass Abbas "die Singularität des Holocaust ohne jede Einschränkung anerkennt", sagte Hebestreit. Am Morgen sei der Leiter der palästinensischen Vertretung in Berlin ins Kanzleramt einbestellt und ihm dies "unmissverständlich übermittelt" worden. Er habe den Holocaust und dessen Einzigartigkeit nicht relativieren wollen, erläuterte Abbas am Mittwoch in einer Mitteilung. Es handele sich um das abscheulichste Verbrechen in der neueren Geschichte. Er habe vielmehr herausstellen wollen, welche Verbrechen und Massaker an den Palästinensern begangen worden seien.

An diesem Donnerstag will Scholz mit dem israelischen Ministerpräsidenten Jair Lapid telefonieren, um über den Vorfall zu sprechen. Lapid nannte die Äußerungen von Abbas "nicht nur eine moralische Schande, sondern eine ungeheuerliche Lüge."

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