Technik:Blaues Band

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David Macaulay: Mit Volldampf über den Atlantik. Dampfmaschinen, schnelle Schiffe und eine Reise in die neue Welt. Aus dem Englischen von Margot Wilhelmi. Gerstenberg 2021. 128 Seiten, 24 Euro. Ab 10 Jahren. (Foto: Verlag)

Die faszinierende Welt der Ozeanriesen verbindet der Autor mit seinen Erinnerungen an die Übersiedlung in die USA.

Von Robert Probst

Heute eilt man zum Flughafen, setzt sich in ein Flugzeug, schaut gelegentlich aus dem Fenster und ein paar Stunden später landet der Flieger in New York. Wie bequem - und wie schade, dass die Zeit der Atlantiküberquerung mit dem Schiff längst der Vergangenheit angehört. Aber die Zeit lässt sich zurückdrehen. Um mit Volldampf über den Atlantik zu reisen, könnte man etwa zu dem gleichnamigen neuen Buch des Meisterillustrators und Geschichtenerzählers David Macaulay greifen.

Als Zehnjähriger übersiedelte Macaulay im Jahr 1957 mit seiner Familie von England in die USA

Es lässt die Leserinnen und Leser tief eintauchen in die faszinierende Welt der Dampfmaschinen und Ozeanriesen und die Entstehung eines "Doppelhüllenrumpfes" eines Schiffes. Und es erzählt auch eine persönliche Geschichte des Autos.

Als Zehnjähriger übersiedelte Macaulay im Jahr 1957 mit seiner Familie von England in die USA - mit der SS United States, dem damals größten und auch schnellsten Dampfschiff der Welt. Fünf Tage dauerte die Reise von Southampton nach New York. Der kleine David interessierte sich damals nur für das Empire State Building, erst später wurde sein Interesse für die Schifffahrt geweckt. Nun, "sechzig Jahre später", wie er auf seiner Homepage schreibt, kommt der Rest der Geschichte.

Macaulay bringt auch in diesem Buch sein ganzes Können als Architekt, Illustrator und Grafiker ein. Berühmt und ausgezeichnet wurde er etwa für "Das dicke Mammutbuch der Technik" und "Sie bauten eine Kathedrale" - mit dem Prinzip, technisch anspruchsvolle Zusammenhänge aus Geschichte und Gegenwart anschaulich begreiflich zu machen, ohne dabei die Komplexität zu vernachlässigen. Man kann also bei Macaulay auf oft amüsante Art sehr viel lernen, auf manchen Seiten kann man auch sehr, sehr lange verweilen, um sich in die Details zu vertiefen.

In diesem Buch erzählt Macaulay zusammen mit seiner Kindheitsgeschichte, die des Konstrukteurs der SS United States, William Francis Gibbs, und der Geschichte der Dampfmaschine. "Crossing on time", wie das Buch im englischen Original heißt, beginnt also im 17. Jahrhundert mit der Erfindung neuer Antriebsarten und kommt über den Dampfmaschinen-Verbesserer James Watt zum Wettbewerb, welches Schiff mit dem "Blauen Band" für die schnellste Atlantiküberquerung dekoriert werden durfte.

Der eigentliche Star dieser bildgewaltigen Story aber ist die SS United States. 70Seiten "dauert" die Konstruktion und der Bau bis zur Jungfernfahrt. All das ist mit architektonischen Schnitten und Detailzeichnungen - inklusive zahlloser Fachausdrücke wie Wellenbock, Schlingerkiel und Backbordanker - in präziser und liebevoller Kleinarbeit illustriert. Highlight ist ein vierseitig ausklappbarer Mittelteil, der den Atlantikliner in seiner ganzen Pracht im wahrsten Sinne des Wortes entfaltet.

Nicht jedes Kind wird auf Anhieb das Prinzip der Dampfmaschine durchschauen (manch Erwachsener wohl auch nicht) oder die Einzelheiten des Brandschutzkonzepts eines großen Schiffes. Aber jeder wird verstehen, welche Faszination Physik und Technik auf die Menschen ausüben kann. Schön, dass David Macaulay es noch auf die SS United States geschafft hat, ein Jahr später begannen die Langstreckenflüge zwischen Europa und den USA. (ab 10 Jahre und Erwachsene)

David Macaulay: Mit Volldampf über den Atlantik. Dampfmaschinen, schnelle Schiffe und eine Reise in die neue Welt. Aus dem Englischen von Margot Wilhelmi. Gerstenberg 2021. 128 Seiten, 24 Euro.

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