Bundesverfassungsgericht und Datenschutz:Sprayer klagt erfolgreich gegen Polizei

Bundesverfassungsgericht und Datenschutz: Ein Polizist fotografiert zur Beweissicherung Graffiti am Rand einer Neonazi-Kundgebung.

Ein Polizist fotografiert zur Beweissicherung Graffiti am Rand einer Neonazi-Kundgebung.

(Foto: David Ebener/dpa)

Darf die Polizei Fotos und Fingerabdrücke nach dem Prinzip Eichhörnchen sammeln? Nein, entscheidet Karlsruhe im Fall eines Sprayers. Er hatte in Zwickau rechtsextreme Sprüche übersprüht.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Es war nicht das erste Mal, dass der Mann mit der Polizei zu tun hatte, seine Karriere als Sprayer hatte ihm schon ein paar Verfahren wegen Sachbeschädigung eingebracht. Doch im Juni des vergangenen Jahres wurde er erwischt, als er auf einem Gasverteilergebäude in Zwickau rechtsextreme Sprüche mit silberner Farbe übersprüht hatte. Eigentlich mit guter Absicht, aber: juristisch wieder eine Sachbeschädigung.

Die Polizei wollte für künftige Gelegenheiten schon mal ihre Datenbank mit dem Profil des Sprayers füttern: Fünfseitenbild, Ganzkörperbild, Spezialbild, dazu Finger- und Handflächenabdrücke sowie eine Personenbeschreibung - der Mann sollte sozusagen von allen Seiten gescannt werden. Gegen die entsprechende polizeiliche Anordnung zog der Sprayer vor Gericht.

An diesem Freitag hat das Bundesverfassungsgericht nun entschieden: Die derart breitflächige Maßnahme verstößt gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, also gegen den Datenschutz.

Der Datenschutz des Einzelnen gilt auch gegenüber der Polizei

Denn was die Zwickauer Polizei hier an erkennungsdienstlichen Maßnahmen auffahren wollte, war für die Aufklärung der Sprayaktion gar nicht nötig. Die Abdrücke waren vollkommen überflüssig, weil am Tatort weder Finger- noch Handspuren gefunden worden waren, die für einen Abgleich getaugt hätten. Auch die Fotos waren entbehrlich, denn es gab einen Zeugen, der den Sprayer noch am Tatort angesprochen und sogar gefilmt und fotografiert hatte. Eine solide Beweislage also, die erwarten ließ, dass der Zeuge den Mann im Gerichtssaal wiedererkennen oder der Richter den Angeklagten anhand der Bilder identifizieren würde, auch ohne Fünfseiten- oder Spezialbilder.

Das Bundesverfassungsgericht stellte klar, dass der Datenschutz gerade auch gegenüber der Polizei seinen Platz hat. "Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt den Einzelnen gegen informationsbezogene Maßnahmen, die für ihn weder überschaubar noch beherrschbar sind." Deshalb seien die erkennungsdienstlichen Maßnahmen auf das zu beschränken, was "konkret notwendig" für ein Strafverfahren sei. Soll heißen: Die Polizei darf im Ermittlungsverfahren nicht nach dem Prinzip Eichhörnchen verfahren. Die Befugnis zum Einsammeln persönlicher Daten ist rechtsstaatlich strikt begrenzt.

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