Stilkritik Partyvideo:Lasst sie zappeln

Stilkritik Partyvideo: Sanna Marin (links) tanzte, als gäbe es, zumindest an diesem Abend, mal ausnahmsweise keine 1300 Kilometer lange Landgrenze mit Russland.

Sanna Marin (links) tanzte, als gäbe es, zumindest an diesem Abend, mal ausnahmsweise keine 1300 Kilometer lange Landgrenze mit Russland.

(Foto: Screenshot Twitter)

Ein Video der finnischen Ministerpräsidentin Sanna Marin ist der finale Beleg: Spitzenpolitikern kann nichts Besseres passieren, als beim Tanzen gefilmt zu werden.

Von Marcel Laskus

Es könnten unruhige Stunden sein für den Verlag, der das Buch "Public Relations für Dummies" herausgibt, denn spätestens seit das Video der tanzenden Sanna Marin durch Whatsapp-Gruppen gereicht wird, sollte es ganz dringend aktualisiert werden. Die zu ergänzende Lektion: "Wenn der/die von Ihnen betreute Politiker/in tanzt und dabei gefilmt wird, dann lassen Sie ihn/sie um Himmels Willen einfach weitertanzen."

Keine Mehrwertsteuersenkung, keine Ruckrede und kein Neun-Euro-Ticket hat das Zeug dazu, das Ansehen einer politischen Person so beiläufig zu polieren wie die verwackelte Aufnahme einer Schrittfolge bei gleichzeitig erklingender Musik. Ja gut, ein paar Leute beschwerten sich erwartbar darüber, dass es unwürdig sei, was die finnische Ministerpräsidentin da tat, als sie mit Freunden durch eine Wohnung eskalierte. Marin selbst zeigte sich ebenfalls zerknirscht, allerdings über den Fakt, dass offenbar ein Freund das private Video einfach mit der Öffentlichkeit teilte.

Was bleiben wird, ist etwas anderes: Da war also eine gelöste Sanna Marin zu sehen, die zu der Musik des finnischen Popsängers Antti Tuisku tanzte, als gäbe es, zumindest an diesem Abend, mal ausnahmsweise keine 1300 Kilometer lange Landgrenze mit Russland. Die Handykamera kam kaum hinterher, Marins Tanz-Moves aufzuzeichnen, so schnell bewegte sie sich. Und die Betrachter erreichte die erleichternde Botschaft: Auch im Jahr 2022 steckt hinter Spitzenpolitikern keine künstliche Intelligenz, sondern immer noch ein Mensch, der hin und wieder rauswill aus dieser marineblauen Blazer-Hülle.

Dabei muss man gar keine Sozialdemokratin sein und auch nicht jünger als 40, um als Politiker mit Partyvideos zu punkten. Wie Donald Trump sich zu "YMCA" bewegte, war wenigstens insofern verzückend, als dass rechte und linke Amerikaner endlich mal zusammen was zum Lachen hatten. Und sogar Friedrich Merz hat sich kürzlich beim Tanzen filmen lassen. Mindestens dem CDU-Nachwuchs hat das mächtig imponiert.

Nur Boris Johnson hat wohl einfach Pech gehabt. Ausgerechnet von seinen Partygate-Exzessen gibt es nur Fotos und leider keine Videos.

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