Nord Stream 2:Lange Leitung in Schwerin

Nord Stream 2: Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, im Jahr 2020 bei einem Besuch der Gas-Anlandestation von Nord Stream 2.

Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, im Jahr 2020 bei einem Besuch der Gas-Anlandestation von Nord Stream 2.

(Foto: Jens Büttner/dpa)

Ein Untersuchungsausschuss soll fragwürdige Entscheidungen von Manuela Schwesigs Regierung rund um Nord Stream 2 aufklären. Er kommt nur sehr langsam voran.

Von Saskia Aleythe, Hamburg, und Klaus Ott

Seit acht Wochen wartet der CDU-Politiker Sebastian Ehlers auf viele, viele Akten, die brisanten Stoff über die SPD und deren Russland-Politik enthalten könnten. Ehlers leitet im Landtag in Mecklenburg-Vorpommern den Untersuchungsausschuss "Klimaschutzstiftung". Das ist ein harmloser Name für ein brisantes Thema. Es geht um die SPD und das inzwischen stillgelegte Projekt Nord Stream 2. Und um die Frage, ob die SPD-geführte Regierung unter Ministerpräsidentin Manuela Schwesig heftig getrickst hat, um die umstrittene Gas-Pipeline von Russland durch die Nordsee nach Deutschland verwirklichen zu können.

Die Stiftung Klima- und Umweltschutz MV war Anfang 2021 auf Basis eines Landtagsbeschlusses von Schwesigs Regierung gegründet worden und sollte Ökoprojekte fördern, so der offizielle Zweck. Der eigentliche Zweck war es aber, Nord Stream 2 fertigzustellen und dabei offenbar US-Sanktionen gegen das Projekt zu umgehen. Die Stiftung wird nun aufgelöst, was lange strittig war. Vieles harrt noch der Aufklärung, weshalb die Opposition im Landtag in Schwerin den Untersuchungsausschuss auf den Weg brachte. Der wiederum beschloss bereits am 28. Juni 2022, zahlreiche Regierungsakten zu dem Projekt anzufordern.

Es gibt zwei Streitpunkte: zur langen Frist der Aktenlieferung und zur Zeugenbefragung

Die Koalitionsmehrheit von SPD und Linken kam im Ausschuss der Regierung aber sehr entgegen und setzte durch, dass die Akten "sukzessive" erst bis Ende des Jahres geliefert werden müssten. Diesen Beschluss bestätigt Ausschusschef Ehlers auf Anfrage. Die Opposition hatte der Regierung nur etwas mehr als fünf Wochen Zeit geben wollen. SPD und Linke machten daraus mehr als sechs Monate. Das ist ein ungewöhnlich langer Zeitraum für die Lieferung von Regierungsakten an einen Untersuchungsausschuss. Und noch etwas ist ungewöhnlich: SPD und Linke wollen bei der nächsten Sitzung an diesem Freitag durchsetzen, dass sie mit ihrer Mehrheit Zeugenbefragungen beenden können.

Ausschusschef Ehlers von der CDU sieht die Gefahr, dass Rot-Rot Zeugenvernehmungen stoppt, selbst wenn noch Fragen offen sein sollten. "Diese Sorge teilen einige in der Opposition." Ehlers hat auch kein Verständnis dafür, dass die Regierung so lange braucht, um erste Akten vorzulegen. Einige aber eher belanglose Unterlagen sollen inzwischen im Landtag angekommen sein. Die langsame Aktenlieferung "erschwert uns natürlich die Arbeit. Die Akten müssen ausgewertet werden, erst dann kann es richtig losgehen mit der Benennung von Zeugen. Das verzögert sich jetzt alles".

So sieht das auch der Grünen-Abgeordnete Hannes Damm. Er wirft der Regierung vor, sich bei der Aktenlieferung "gegenüber dem Landtag vollkommen respektlos" zu verhalten. Und das Vorhaben, Zeugenbefragungen per Ausschussmehrheit beenden zu können, sei eine "Missachtung demokratischer Gepflogenheiten". Damm sagt, ihm sei kein anderes Parlament in Deutschland bekannt, bei dem das der Fall wäre.

Thomas Krüger, Obmann der SPD-Fraktion im Untersuchungsausschuss, widerspricht den Vorwürfen. Die sechs Monate seien lediglich ein Enddatum und entsprächen der bisherigen Praxis, das sei keine "Verzögerungstaktik". Die Opposition habe vergleichsweise sehr hohe Anforderungen an die technische Umsetzung der Akten- und Datenlieferung gestellt, "was weit über das hinausgeht, was in bisherigen Untersuchungsausschüssen üblich war". Bislang habe in der Regel eine Frist von bis zu sechs Monaten zur Vorlage der Daten gegolten.

In Bayern war der Ausschuss zu den Maskenaffären nach sechs Wochen arbeitsfähig

SPD-Mann Krüger versichert zudem, dass das Recht der Abgeordneten, alle Fragen zu stellen, nicht beschnitten werde. "Sollte der Ausschuss das Ende der Befragung eines Zeugen beschließen, bleibt das Recht der Opposition, den Zeugen wieder vorzuladen, selbstverständlich bestehen." Aber warum will Rot-Rot sich dann trotzdem das Recht ausbedingen, Zeugenbefragung zu beenden? Krüger antwortet: "Wir wollen nicht, dass Zeugen, die während der Befragung in einen emotionalen Ausnahmezustand geraten sind, weiter befragt werden. In diesen Fällen muss es möglich sein, die Befragung abzubrechen und zu einem späteren Zeitpunkt neu anzusetzen." Außerdem wolle man "keine Befragungen, die bis tief in die Nachtstunden gehen. Auch diese könnte man erneut zu einer annehmbaren Tageszeit ansetzen".

In Bayern, wo gerade ein Untersuchungsausschuss die Maskenaffären und weiteren CSU-Filz durchleuchtet, lief und läuft das ganz anders. "Wir waren nach nur sechs Wochen arbeitsfähig, das ist rekordverdächtig", sagt der Grünen-Abgeordnete Florian Siekmann. Sein Lob für die schnelle Aktenlieferung aus der Regierung versieht er nur mit einer Einschränkung. Speziell beim bayerischen Gesundheitsministerium sei bei der Qualität der Akten noch "Luft nach oben" gewesen. Die rasche Aktenvorlage hatte Ausschusschef Winfried Bausback (CSU), vormals Justizminister in Bayern, mit strengen Fristen bewirkt.

Und bei Zeugenvernehmungen gibt es in Bayern keine Sonderrechte für die Ausschussmehrheit. Die Befragung der Zeugen sei eines der wichtigsten Rechte der Opposition, sagt Siekmann. "Wer dieses Recht unterdrückt, hat Angst vor der harten Wahrheit und sabotiert die Kontrolle durch das Parlament."

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