Kolumne: Ladies & Gentlemen:Aus einem Guss

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(Foto: Balenciega)

Allerlei seltsame Overalls sind in den aktuellen Kollektionen der Top-Labels zu entdecken. Reiner Avantgarde-Quatsch oder kann man diese neuen Einteiler wirklich tragen?

Von Max Scharnigg und Julia Werner

Für Sie: Ehrliche Haut

Es kauft ja eigentlich gerade niemand mehr was, weil Inflation ist und man ja sowieso schon alles doppelt im Schrank hat. Aber von diesem Ganzkörperanzug kann das ja wohl nicht jede behaupten. Braucht man den? Bitte nicht so schnell mit dem Abwehrreflex. Das hautenge Ding mit integriertem Handschuh stammt aus der "Red Carpet Collection" von Balenciaga, was schon suggeriert, dass man es jetzt als neuen heißen Scheiß auf festlichen Anlässen tragen sollte. Und es ist natürlich tausend Mal lässiger als irgendein blödes langes Kleid. So bedeckend der Jumpsuit auf den ersten Blick wirkt - in Wahrheit zeigt er alles, also wirklich jede Lebenslinie des eigenen Körpers. Das ist der Grund, warum man über so eine Catwoman-Verwandlung ernsthaft nachdenken sollte. Die modische Botschaft lautet: Ich komme als ich selbst. Wie toll wäre bitte eine Braut in diesem Look, befreit von all der weißen Unschuldsfolkore aus Tüll und Seide, die wirklich niemandem über 20 noch ernsthaft steht? Aber natürlich ergeben sich aus dem Trend erst mal praktische Fragen. Wie geht man damit bitte aufs Klo, ohne dass die Handschuhe den Boden berühren, wer macht einem den Reißverschluss auf und zu, und wie lange kann man darin tanzen, bis man riecht wie ein Iltis (Polyamid)? Die Antwort auf alle diese Fragen lautet: Der Look ist nicht für Leute gedacht, die vorhaben, lange zu bleiben. Er ist also wirklich das ultimativ ehrliche Outfit. Und Ehrlichkeit steht jeder, gilt für Bräute und Gäste gleichermaßen.

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(Foto: Prada)

Für ihn: Die Nylonhülle

Der sehr adrette Zürcher Designer Alfredo Häberli trägt seit Jahrzehnten elegante Overalls im Alltag und bei öffentlichen Auftritten und ist damit das wandelnde Beispiel dafür, dass so ein Onepiece eigentlich das ideale Kleidungsstück sein könnte: körperbetont, männlich-industriell, aufs Notwendige reduziert, gewissermaßen ein Sieg der Vernunft über die tägliche Frage, was man bloß anziehen soll. Ob der Formgeber Häberli auch in dieses ziemlich formlose Recycling-Nylon-Ganzkörperkostüm von Prada steigen würde, ist allerdings fraglich. Was das Label selbst "pragmatische Neuinterpretation der Herrengarderobe" nennt, die von Laboranzügen inspiriert sein soll, ist eben nicht sehr dynamisch-körperbetont sondern vor allem sehr nylonlastig und faltig geraten. Sogar die Models sehen darin ein bisschen verloren aus. Nein, es mag avantgardistisch-cool gedacht sein, aber die ersten Assoziationen bei diesem Statement-Einteiler aus Mailand gehen doch leider eher in Richtung Angelfunktionskleidung oder Überlebensanzug mit eingebauten Auftriebskörpern. Und, auch wenn das eine völlig sinnlose Frage in der Mode ist, warum sollte man eigentlich ausgerechnet von Laboranzügen irgendetwas Brauchbares für die modische Welt hinter dem Sicherheitsglas ableiten können? Jeder ist doch immer schon froh gewesen, wenn er die Dinger abstreifen konnte, und jetzt soll es plötzlich die Befreiung der Herrengarderobe sein? Sicher, minimalistisch und irgendwie krisenfest wirken die Anzüge, aber für knapp 1700 Euro bekommt man Schöneres, das diesen Zweck genauso erfüllt - sogar bei Prada.

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