Literatur:Wald und Schreiblust

Wolfram Hirches gesammelte "Spottlichter" - Münchner Kolumnen über Goethe und die literarische Welt.

Von Antje Weber, München

Jetzt, wo alle verreisen, womöglich sogar nach Thüringen, ist eine gute Gelegenheit, einmal wieder an Goethe zu erinnern. Der krakelte dort, auf einem Berglein namens Kickelhahn, einst ein paar Verse in das Holz einer Schutzhütte, nahm sodann sein Smartphone aus dem Wams, drehte ein kleines Video vom Wald, sprach das Gedicht "Wandrers Nachtlied" dazu ein und schickte alles als WhatsApp an seine Group.

So ungefähr muss es gewesen sein, und so ungefähr bekommt man auch eine Ahnung vom Verfahren Wolfram Hirches. Der Münchner Autor nimmt sich in seinen Glossen ein mehr und minder naheliegendes Thema aus der Literatur vor, verfremdet es, dreht es weiter oder in ganz andere Gefilde ab - so wie es sich für gute Glossen gehört.

Die Kolumnen, die er von 2010 bis 2021 für die "Literaturseiten München" schrieb, kann man nun in einem Buch mit dem Titel "Spottlichter" nachlesen. Sie zeigen Hirche als literarisch und historisch bestens informierten und schön respektlosen Autor, der manchmal nostalgische Gefühle auslöst und manchmal ein Schmunzeln. Hirche lässt Beiläufiges und Fußläufiges (etwa den Spaziergänger Peter Handke) einfließen, schweift vom gegenwärtigen "Münchgrant" zur futuristischen "Buchdrohne", schlägt Romantitel wie "Grass' Hosenknopf" vor und empfiehlt den kräuterliebenden Lyriker Jan Wagner als "Kompromiss-Orakel".

Die Natur, besonders in der Wuchsform des Waldes, schätzt aber auch Hirche. Wir bräuchten seine Stille, formuliert er mit Goethe, "um der unverbesserlichen Verworrenheit der Menschen auszuweichen". Falls wir dort, so ließe sich hinzufügen, nicht gerade auf Handke stoßen.

Wolfram Hirche: Spottlichter. Verlag P. Machinery, 2022, 200 Seiten, 16,90 Euro

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