Präsidentschaftswahlkampf in Brasilien:"Sie träumen bestimmt in der Nacht von mir", antwortet der Präsident auf eine kritische Frage

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Erstes direktes Aufeinandertreffen: die brasilianischen Präsidentschaftskandidaten Luiz Inacio Lula da Silva (PT), Simone Tebet (MDB) und Jair Bolsonaro (PL) bei der TV-Debatte. (Foto: Miguel Schincariol/AFP)

In einer TV-Debatte diskutieren Amtsinhaber Bolsonaro, der frühere Präsident Lula und weitere Herausforderer über Korruption und Frauenrechte. Die Veranstaltung findet unter strengen Sicherheitsvorkehrungen statt, trotzdem gibt es einen Zwischenfall.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Brasiliens Staatschef Jair Bolsonaro und sein aussichtsreichster Herausforderer, Luiz Inácio Lula da Silva, sind zum ersten Mal im Wahlkampf direkt aufeinandergetroffen. In einer Debatte, die live im Fernsehen, Radio und Internet übertragenen wurde, mussten sich die beiden Politiker am Sonntagabend zusammen mit vier weiteren Kandidaten den Fragen von Journalisten und Journalistinnen stellen, ebenso wie denen ihrer Mitbewerber.

Die Sendung, die mehrere Medienhäuser in Zusammenarbeit organisiert hatten, war mit großer Spannung erwartet worden. Sie fand in einem Studio in der brasilianischen Millionenmetropole São Paulo statt, rund einen Monat vor den Wahlen am 2. Oktober. Die Wahl gilt als richtungsweisend, und die Stimmung im Land ist extrem angespannt. Derzeit liegt der linke Ex-Präsident Lula da Silva von Brasiliens Arbeiterpartei PT in den Umfragen mit 47 Prozent der Stimmen vor dem Amtsinhaber Jair Bolsonaro, für den nur 32 Prozent der Befragten stimmen wollen. Brasiliens rechter Präsident hat in den vergangenen Wochen aber aufgeholt.

Die Debatte war aufgeteilt in drei Runden, deren Regeln und Redezeiten vorab festgelegt worden waren. Eines der beiden dominierenden Themen war die Korruption. Jair Bolsonaro und seine Anhänger werfen der Arbeiterpartei und deren Kandidaten Lula da Silva systematische Vetternwirtschaft während ihrer Regierungszeit vor. Gleich zu Beginn der Sendung stellte Brasiliens amtierender Präsident seinem Herausforderer hierzu Fragen und zwang ihn so in die Defensive.

Das zweite große Thema waren sehr viel überraschender Frauenrechte und männliche Gewalt. Amtsinhaber Bolsonaro hat bei den Wählerinnen in Brasilien bisher noch wenig Rückhalt. Gründe hierfür sind wiederholt frauenfeindliche Kommentare des rechten Politikers. Eigentlich hat Bolsonaro darum den Kampf um die Stimmen der Brasilianerinnen zur Hauptaufgabe seiner Kampagne gemacht. Bei der Debatte am Sonntag kam es dann aber zu einem Zwischenfall, bei dem der Staatschef eine Journalistin beschimpfte, die ihm eine kritische Frage zu Impfungen gestellt hatte, denen Bolsonaro skeptisch gegenübersteht. Brasiliens Präsident sagte daraufhin, er glaube, die Journalistin sei von ihm besessen: "Sie träumen bestimmt in der Nacht von mir", so Bolsonaro, nur um dann hinzuzufügen: "Sie sind eine Schande für den Journalismus." Vor allem unter den Kandidatinnen und den Journalistinnen löste das Empörung aus.

Nach einer angespannten Debatte, die sich über drei Stunden zog, steht für viele Kommentatoren fest, dass Bolsonaro aus dem Duell als Verlierer hervorgegangen ist. Kommentatoren kritisieren aber auch Lulas Auftritt: Er sei kritischen Fragen zu Korruption während seiner Amtszeit ausgewichen.

Dass Bolsonaro und Lula tatsächlich kommen würden, war bis kurz vor dem TV-Duell am Sonntagabend ungewiss gewesen. Erst am Samstag gaben die beiden Kandidaten bekannt anzutreten. Die Polizei verschärfte daraufhin noch einmal die Sicherheitsvorkehrungen. Die Anhänger von Bolsonaro und Lula wurden vor dem Studio räumlich getrennt, die Kandidaten selbst betraten das Studio zeitversetzt und wurden vor der Debatte in unterschiedlichen Stockwerken untergebracht.

Die Sendung fand ohne Zuschauer im Studio statt. In einem separaten Raum für Unterstützer kam es aber kurz nach Beginn der Übertragung zu Auseinandersetzungen: Ein Mitglied von da Silvas Arbeiterpartei und ein ehemaliger Minister von Bolsonaro beschimpften sich gegenseitig und mussten von Ordnern getrennt werden.

Sollte es keiner der Kandidaten am 2. Oktober schaffen, mindestens 50 Prozent der Stimmen für sich zu gewinnen, kommt es zu einer Stichwahl. Diese ist für den 30. Oktober angesetzt, zuvor wird es eine weitere TV-Debatte geben, am 9. Oktober.

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