Olympische Spiele 1972:Wolken in der Schwimmhalle

Olympische Spiele 1972: Kunstperformance als Kritik an Sport und Geschäft: Timm Ulrichs "Olympische Tretmühle".

Kunstperformance als Kritik an Sport und Geschäft: Timm Ulrichs "Olympische Tretmühle".

(Foto: Tobias Hase/LHM)

Eine Ausstellung in der Münchner Rathausgalerie rückt die Rolle der Kunst bei den Olympischen Spielen 1972 ins Bild.

Von Jürgen Moises, München

Ein echter Andy Warhol oder Gerhard Richter an der Wand? So etwas würde man wohl in einem Museum oder bei einem reichen Sammler vermuten. Aber in einem Schwimmstadion? Dazu wäre es nämlich bei den Olympischen Spielen von 1972 in München fast gekommen. Warhol hatte für die 92 Meter breite Rückwand die Idee, diese mit einem Orangenmotiv zu gestalten. Und der damals noch sehr junge Richter schlug ein aus Großdias zusammengesetztes Wolken- oder Landschaftspanorama vor. Im Falle des US-Pop-Art-Künstlers blieb es bei der Idee. Sein deutscher Kollege lieferte immerhin Ideenskizzen ab. Am Ende waren der Olympiabaugesellschaft aber die befürchteten Kosten für die technische Betreuung zu teuer.

In der Ausstellung "Visionen und Wirklichkeit. Kunst für die Olympischen Spiele in München 1972" sind Richters Entwürfe nun nach Längerem wieder zu sehen. Warhol und Richter waren dabei nicht die einzigen prominenten Künstler, die für Beiträge damals im Gespräch waren. Deren Entwürfe dann aber nicht realisiert wurden, wie man in der sehr informativen, auf viele Originaldokumente wie Skizzen, Fotos oder Briefe zurückgreifenden Schau erfährt. Dan Flavin etwa schlug ein Beleuchtungskonzept für Straßenführungen und Wegkreuzungen vor. Und Walter de Maria eine "olympische Erdskulptur", die eine 120 Meter tiefe Schachtbohrung im Olympiaberg vorsah. Auch daraus wurde nichts, obwohl sich nicht zuletzt die für die Gesamtanlage zuständigen Architekten Behnisch & Partner dafür aussprachen.

Olympische Spiele 1972: Diese "olympischen Boxen" hat die amerikanische Künstlerin Dorothy Iannone 1972 für die "Spielstraße" entworfen.

Diese "olympischen Boxen" hat die amerikanische Künstlerin Dorothy Iannone 1972 für die "Spielstraße" entworfen.

(Foto: Tobias Hase/LHM)

Das heißt nicht, dass sich die von Elisabeth Hartung kuratierte Schau nur auf gescheiterte Visionen konzentriert. Nein, sie zeigt sehr anschaulich, wie hoch allgemein der Anspruch bei den die Spiele begleitenden Kunstprojekten war. "Aktuell, attraktiv, integriert" sollte die Kunst sein, zu der Skulpturen, Installationen, Performances, Musik, Theater und Design gehörten. Vieles war vergänglich wie Otto Pienes "Olympischer Regenbogen" oder die "Wasserwolke" von Heinz Mack. Anderes wie die im Olympischen Dorf stehende "Silbersäule" von Roland Martin blieb erhalten.

Olympische Spiele 1972: Dieser Entwurf von Heinz Mack für eine Portalskulptur in Form von olympischen Ringen wurde wie zahlreiche andere nicht ausgeführt. Im Hintergrund: Die berühmte "olympische Spirale", hier in der Gestaltung von Victor Vasarely.

Dieser Entwurf von Heinz Mack für eine Portalskulptur in Form von olympischen Ringen wurde wie zahlreiche andere nicht ausgeführt. Im Hintergrund: Die berühmte "olympische Spirale", hier in der Gestaltung von Victor Vasarely.

(Foto: Tobias Hase/LHM)

Eine wichtige Rolle, damals wie heute, spielt die "Spielstraße", inklusive Medienstraße und Multivisionszentrum. Diese sollte ein künstlerischer "Kommentar" zum Sportgeschehen sein und wird in Form einer Video-Installation wieder lebendig gemacht. Hier kann man anhand von Original-Filmmaterial sehen, dass so manche Performance durchaus provokativ oder wie interaktiv vieles gedacht war. Hinzu kommen Original-Exponate wie Timm Ulrichs "Olympische Tretmühle", der damit den "dummen Darwinismus" der Wettkämpfe aufs Korn nahm. Was von der Liaison von Kunst und Sport damals geblieben ist, das ist am 9. und 10. September auch bei einer Tagung Thema. Der Eintritt ist wie bei der Ausstellung frei.

Visionen und Wirklichkeit, Rathausgalerie, bis 11. Sep., tgl. 13 bis 19 Uhr, Marienplatz 8, muenchen1972-2022.de

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