Neu in Kino & Streaming:Welche Filme sich lohnen - und welche nicht

Neu in Kino & Streaming: Idris Elba und Tilda Swinton in Three Thousand Years of Longing.

Idris Elba und Tilda Swinton in Three Thousand Years of Longing.

(Foto: IMAGO/Picturelux)

Idris Elba qualmt als Geist aus der Flasche, Andrea Sawatzki regiert ein Freibad, und Isabelle Huppert verknallt sich in Lars Eidinger. Die Starts der Woche in Kürze.

Von SZ-Kritikern

L'état et moi

Fritz Göttler: Was dabei rauskommt, wenn man die Worte Komponist und Kommunist durcheinanderbringt. Eine spielerische Reflexion zu Politik und Kunst, parabelhaft und albern, ein träumerischer Slapstick, wie man ihn kennt von Max Linz. Ein Ausgangspunkt für diesen Film war Brechts Stück über die Pariser Commune 1871. Der Komponist Hans List, verstrickt in deren Wirren, findet sich nach einem Zeitsprung im heutigen Berlin wieder, dort soll gerade sein Stück "Die Elenden" aufgeführt werden, und er darf mitmachen, als Statist. Der Film wechselt zwischen zwei Orten hin und her, wo Performance alles ist - der Staatsoper und dem Justizpalast. Viele Akteure aus dem vorigen Linz-Film, "Weitermachen Sanssouci!", sind wieder dabei, auch Sophie Rois, sie verkörpert Hans List und zugleich eine Gegenspielerin, die Richterin Praetorius-Camusot. Mag sein, dass ich verloren habe, seufzt sie versonnen, doch Rot bleibt eine schöne Farbe.

Freibad

Susan Vahabzadeh: Ein ganzes Schwimmbad nur für Frauen, mit Liegewiesen, Bademeisterin und allem Drum und Dran - es könnte so schön sein, aber natürlich geht bald das Gezeter los: Unterschiedliche Kulturen und Generationen prallen aufeinander. Die einen grillen, die anderen kriegen sich darüber in die Haare, was zu wenig Textilien sind und was zu viele. Doris Dörries Frauenfreibad ist ein komischer Spiegel der westlichen Welt: Alle sind gut im Austeilen, keiner nimmt irgendwas hin. Das ist ein bisschen lehrreich und auch ziemlich lustig.

Das Glücksrad

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(Foto: neopa/fictive/Film Kino Text)

Annett Scheffel: Beglückend meditatives Kino: Ryûsuke Hamaguchi ist ein stiller Meister der bittersüßen Alltagspoesie. Der Episodenfilm des japanischen Oscar-Gewinners lief 2021 auf der Berlinale, noch bevor er mit "Drive My Car" seinen internationalen Durchbruch feierte. In drei anrührenden Kapiteln erzählt er von verschiedenen Frauen, deren Leben durch schicksalhafte Zufälle in unerwartete Richtungen gelenkt wird. Mit großer Leichtigkeit entfaltet der Film tiefgründige Geschichten von verdrängten Gefühlen, komplexen Beziehungen und der Unberechenbarkeit des Lebens.

Indemnity

Philipp Bovermann: Seine Frau liegt tot im Bett neben ihm, die Polizei hämmert schon an der Tür. Der Feuerwehrmann Theo, der seit einem missglückten Einsatz an seinen Traumata laboriert, steckt plötzlich mitten in einer Verschwörung. Der Südafrikaner Travis Traute hat den Film in seiner Heimat produziert und gedreht, ein afrikanischer Actionfilm aus Südafrika also, mal was anderes. Super wäre es gewesen, wenn man das dem Film irgendwie anmerken würde - wenn er nicht nur zwanzig, dreißig Jahre alte Actionmotive aus Hollywood halbherzig recyclen würde. So hat man beim Gucken immerhin beides: ein bisschen Fernweh nach anderen Filmen, ein bisschen Nostalgie, aber von beidem nicht genug.

Justine

Sofia Glasl: Warum die Jugendliche Justine alkoholkrank wurde, ist eigentlich egal in Jamie Pattersons leisem wie hartem Porträt. Familienprobleme, Bindungsängste, Klinikaufenthalte klingen immer wieder an, doch versucht der Film nicht, die Sucht zu psychologisieren. Die Sitzungen mit ihrer Therapeutin lässt Justine an sich abtropfen. Patterson interessieren die zerstörerischen Mechanismen, sogar als eine neue Liebe zur sanften Rachel entsteht und einen Ausweg bietet. Tallulah Haddon und Sophie Reid füllen diese bisweilen skizzenhafte Handlung mit berührenden Momenten, die kurz hoffen lassen, bevor Justine sich selbst und andere immer wieder sabotiert.

Komm mit mir in das Cinema - Die Gregors

Anke Sterneborg: Eine Liebesgeschichte im, um und für das Kino. Angefangen hat sie mit einem Streit über "Menschen am Sonntag" von Robert Siodmak: Ulrich Gregor schätzte ihn sehr, seine spätere Frau Erika fand das Frauenbild darin empörend. Überhaupt ist sie die Kämpferische, er der Analytiker. Gemeinsam gründen sie 1962 die Deutsche Kinemathek, später das eigene Kino Arsenal und 1971 die Berlinale-Sektion "Forum des internationalen Films". Von Berlin schwärmten sie in die Welt hinaus, um nicht kommerzielle und politisch engagierte Filme aufzuspüren. So prägten sie einen großen Teil der deutschen Filmkultur. Alice Agneskirchner nimmt sich viel Zeit für dieses zugleich intime und historische, berührende und kurzweilige Doppelporträt, säumt den Lebensweg mit Erinnerungen in Wort und Bild, blättert in Fotoalben und Filmprogrammen, lässt Freunde, Wegbegleiter und Filmemacher zu Wort kommen und zeigt viele Ausschnitte von Schlüsselfilmen.

Museum of the Revolution

Sofia Glasl: Einst als Monument für die sozialistische Arbeiterbewegung in Jugoslawien geplant, sind vom Museum der Revolution in Belgrad nur noch unterirdische Bauruinen übrig. In Srđan Kečas desillusioniertem Dokumentarfilm wird es zum Sinnbild menschenverachtender Ideologie jenseits politischer Ausrichtung. Während im darüber liegenden Park heute Konzerte stattfinden, hausen in den Kellergewölben aus den Sechzigern die Verlierer der Systeme, unter ihnen das Mädchen Milica. Keča begleitet sie durch den Alltag - Autoscheiben putzen mit der Mutter und leichte Momente mit der Wahlgroßmutter Mara wechseln einander ab auf dem schmalen Grat zwischen lähmender Ohnmacht und lebenserhaltendem Stolz.

Over and Out

Martina Knoben: Als Kinder waren sie die "vier Muskeltiere", beste Freundinnen im Turnverein. Gut 25 Jahre später verbindet sie nicht mehr viel, bis Maja (Nora Tschirner) ihre Freundinnen via Videobotschaft nach Italien lockt. Hier beginnt ein Roadtrip mit einer Leiche im Kofferraum - Maja ist tot, Steffi (Julia Becker), Lea (Jessica Schwarz) und Toni (Petra Schmidt-Schaller) sollen sie am Meer bestatten. Die Tragikomödie von Julia Becker hat ihre Momente, die Darstellerinnen geben den Figuren zudem Tiefe. Aber muss es wirklich Italien sein und die steife Tote im Kleinwagen, damit formelhaft in Sackgassen geratene Frauenleben eine andere Spur nehmen?

Three Thousand Years of Longing

Kathleen Hildebrand: Als Nachfolger seines Meisterstücks "Mad Max: Fury Road" hat George Miller ein modernes Märchen gedreht, für dessen irren Ehrgeiz man ihn feiern muss, selbst wenn sich seine Vision nicht erfüllen sollte - zu zeigen, dass man auch aus Nicht-Actionfilmen Blockbuster machen kann. Idris Elba erscheint Tilda Swinton als charmanter Dschinn mit gebrochenem Herzen, sie hat drei Wünsche frei, weiß aber als zufriedene Single-Akademikerin jenseits der fünfzig nicht, was sie wollen soll, und lässt sich deshalb erst mal aus dem Dschinnleben erzählen. Miller packt dafür viel vom Werkzeug seines Kino-Maximalismus aus. Am tollsten: die Ankunft des Geists als Riese im Hotelzimmer, der mit Tilda Swinton Altgriechisch spricht.

Die Zeit, die wir teilen

Anke Sterneborg: Eine nächtliche Autofahrt im Regen wird zur memory lane, auf der die Verlegerin Joan (Isabelle Huppert) schwerelos melancholisch durch einen Strom von Erinnerungen treibt. Sie verweilt bei der Jugendliebe zum irischen Taschendieb, klinkt sich in die verschiedenen Lebensphasen ihres Sohnes ein und lässt sich in den Sog eines Verhältnisses zum jungen, getriebenen Autor Tim (Lars Eidinger) reißen. Zwischen realer Gegenwart, erinnerter Vergangenheit und ersehntem Wunschtraum lässt Laurent Larivière die Konturen verwischen.

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