Slowakei:Ein Männerstreit lässt die Regierung wanken

Slowakei: Bald allein zu Haus? Die Regierung des slowakischen Ministerpräsidenten Eduard Heger löst sich unaufhaltsam auf.

Bald allein zu Haus? Die Regierung des slowakischen Ministerpräsidenten Eduard Heger löst sich unaufhaltsam auf.

(Foto: Jakub Kotian/dpa)

Zerbricht in Bratislava die Koalition unter Ministerpräsident Heger, droht bei Neuwahlen die Rückkehr der alten, korrupten Eliten.

Von Viktoria Großmann

Igor Matovič ist kein Mann für die zweite Reihe. Man hätte es ahnen können, als er Ende März 2021 seinen Posten als Ministerpräsident der Slowakei räumte. Die Regierung, damals gerade ein Jahr alt, schien gerettet zu sein. Matovič tauschte die Plätze mit dem damaligen Finanzminister Eduard Heger, der seither die Viererkoalition in Bratislava führt. Doch bald gab es neuen Ärger.

Auch als Finanzminister ließ Matovič keine Gelegenheit für Beleidigungen und Angriffe aus. Die Fraktion der konservativen, wirtschaftsliberalen SaS (Freiheit und Solidarität) kündigte schließlich ihren Austritt aus der Regierung an - sofern Matovič im Amt bleibe. Premier Heger müsste dann eine Minderheitsregierung führen. Am Mittwoch lief ein von der SaS gesetztes Ultimatum ab und die Partei ging den nächsten Schritt: Ihr Vorsitzender, Wirtschaftsminister Richard Sulík, trat zurück. Zugleich kündigte er weitere Verhandlungsbereitschaft an.

Im Kampf um die Regierung scheint es um Sozialpakete für Familien zu gehen, um Entlastungen der Haushalte angesichts steigender Energiekosten und die Schuldenpolitik der Regierung. Doch vor allem ist es der Streit zweier Männer, der die slowakische Regierung in unsicheren Zeiten ins Wanken bringt. Matovič ringt mit Wirtschaftsminister Sulík von der SaS. Matovič zog einst selbst über die SaS-Liste ins Parlament ein, bevor seine Partei Oľano Erfolg hatte, zu deutsch: Gewöhnliche Leute und unabhängige Persönlichkeiten. Mit dieser gewann er im März 2020 eindeutig die Parlamentswahl, war aber auf Koalitionspartner angewiesen.

Ex-Regierungschef Fico führt in Umfragen. Er ist nach rechts gedriftet

Bei aller Skepsis gegenüber Matovičs populistischem Kurs, markierte die Wahl dennoch eine politische Wende. Die Koalitionäre hatten ihren langjährigen Gegner, Ex-Premier Robert Fico, besiegt. Fico gilt als Kopf eines tief reichenden Korruptionsnetzwerkes, das in Ämter, Ministerien, Gerichte und Polizei hineinreichte. Sogar die Spuren im Fall des ermordeten Journalisten Ján Kuciak führen zu Fico.

Fico kann nun triumphieren. Der lautstarke Oppositionsführer ist seit dem Regierungswechsel mit seiner nominell sozialdemokratischen Smer-SD weit nach rechts abgedriftet, er holte sich als oberster Corona-Leugner, Russland-Freund und USA-Hasser neue Stimmen. In aktuellen Umfragen liegt seine Partei mit knapp 15 Prozent auf Platz zwei der Beliebtheitsskala. Der ehemalige Premier Peter Pellegrini hatte sich nach der Wahl 2020 von Ficos Smer-SD gelöst und führt mit seiner Partei Hlas, die sozialdemokratische mit nationalpopulistischen Elementen mischt, die Umfragen an.

Zerbricht also die Regierung und müssen letztlich Neuwahlen ausgerufen werden, steht nichts weniger als die Rückkehr der alten, korrupten Eliten zu befürchten. Nach ihren Verlautbarungen zu urteilen, möchten das weder Matovič noch Sulík. Dennoch hatte Matovič im Frühjahr kein Problem damit, ein Sozialpaket für Familien mit den Stimmen der rechtsextremen L'SNS durchs Parlament zu bringen. Die SaS stimmte nicht dafür, ihr erschien das Programm zu wenig zielgerichtet.

Slowakei: Sie muss wieder vermitteln: die slowakische Präsidentin Zuzana Čaputová, hier auf dem Weg zu einem früheren Schlichtungsgespräch mit dem Regierungschef.

Sie muss wieder vermitteln: die slowakische Präsidentin Zuzana Čaputová, hier auf dem Weg zu einem früheren Schlichtungsgespräch mit dem Regierungschef.

(Foto: Jaroslav Novák/dpa)

SaS-Vorsitzender Sulík jedoch traf sich vor einer Woche mit Robert Fico um über energiepolitische Themen zu sprechen - was ihm viel Kritik einbrachte und zuletzt auch von Parteikollege und Außenminister Ivan Korčok als "Fehler" eingeschätzt wurde.

Am Mittwochnachmittag empfing Präsidentin Zuzana Čaputová in ihrem Amtssitz in Bratislava Premier Eduard Heger und den Parlamentspräsidenten. Es ist nicht das erste Mal, dass Čaputová im Regierungsstreit vermitteln muss. In einer Ansprache nach dem Treffen fordert sie die Regierung auf "die Zeit der gegenseitigen Vorwürfe bis Montag zu beenden". Es gehe nicht an, dass die Regierung sich seit zwei Monaten nur mit sich selbst beschäftige. Die Menschen im Land nähmen die Situation als "freien Fall und Chaos" wahr. "So regiert man nicht", sagte Čaputová.

Igor Matovič hat nun aus seinem Urlaubsort in Spanien einen Zehn-Punkte-Plan vorgelegt, dem die SaS zustimmen soll, darunter höhere Kindergeldzahlungen und finanzielle Entlastungen für Rentner. SaS-Chef Sulík ließ wissen, man könne darüber reden - aber nur, wenn Matovič zurücktrete.

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