Sicherheitspolitik:"Das kann man aus Prinzip nicht zulassen"

Sicherheitspolitik: Richard Marles, Vize-Premierminister und Verteidigungsminister Australiens, vor einigen Tagen im Cockpit eines deutschen "Eurofighter Typhoon".

Richard Marles, Vize-Premierminister und Verteidigungsminister Australiens, vor einigen Tagen im Cockpit eines deutschen "Eurofighter Typhoon".

(Foto: Kate Czerny/Australian Department of Defence)

Was die Ukraine mit dem Fernen Osten zu tun hat - und warum Australien um ein stärkeres Engagement der Europäer im Indopazifik wirbt.

Von Paul-Anton Krüger und Mike Szymanski, Berlin

Das Foto ist eine Premiere: ein australischer Verteidigungsminister im Cockpit eines deutschen Kampfjets. Es ist wenige Tage alt, Richard Marles stattete den sechs deutschen Eurofighter Typhoon am Freitag einen Besuch ab. Kurz zuvor waren sie auf dem Luftwaffenstützpunkt Darwin an der Nordküste des fünften Kontinents gelandet, zur dreiwöchigen Übung "Pitch Black". Anfang der Woche nun kam Marles, zugleich stellvertretender Premierminister, zum Auftakt einer Europareise nach Berlin, um Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) zu treffen; Großbritannien und Frankreich sind seine weiteren Stationen.

Seine Mission ist es, für ein stärkeres Engagement der Europäer im Indopazifik zu werben. Auf die Frage, warum sie sich für die weit entfernte Region und das zunehmend herausfordernde Gebaren Chinas interessieren sollten, verweist er im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine: "Die Ukraine ist weit von Australien entfernt, aber wir sind sehr an der Ukraine interessiert, weil es dabei um eine ganze Reihe von Prinzipien geht, die für Australien von grundlegender Bedeutung sind", sagt Marles. Russland als großes Land nötige mit der Invasion seinen kleineren Nachbarn durch militärische Macht und entgegen den Regeln des Völkerrechts. "Das kann man aus Prinzip nicht zulassen."

Was in der Ukraine auf dem Spiel stehe, sei die regelbasierte internationale Ordnung - und die ist "in Osteuropa genauso wichtig wie im Indopazifik", sagte der Minister. Die UN-Seerechtskonvention, die freie Schifffahrt auf Hoher See, diese Dinge "müssen jedes Land interessieren, das sich dem Schutz dieser Ordnung verpflichtet sieht". Deutschland und Australien pflegten eine Partnerschaft, die auf Werten basiere und sehen sich beide gleichermaßen diesen Prinzipien verpflichtet, sagte Marles, der auch in der Verteidigungsindustrie großes Potenzial für den Ausbau der Kooperation mit Deutschland sieht.

Empfangen wurden die 250 Soldaten der Bundeswehr in Australien denn auch als hoch willkommene Gäste. An dem Manöver mit 17 Nationen nimmt Deutschland zum ersten Mal Teil, neben Nationen wie Japan oder Südkorea. 2500 Soldatinnen und Soldaten und etwa 100 Luftfahrzeuge bieten die Länder auf, so groß war diese Übung noch nie. Die Besatzungen üben zusammen den Ernstfall in Operationen, die gemeinsam geplant und durchgeführt werden müssen, geht es darum, einen fiktiven Gegner zurückzudrängen.

Kann die Luftwaffe innerhalb eines Tages in Asien sein? Sie kann

Die Luftwaffe findet Trainingsbedingungen vor, wie sie sie aus Deutschland nicht kennt: ausgedehnte Tiefflüge in 70-80 Metern Höhe etwa. Wichtiger Teil der Mission war bereits das Verlegen der Flugzeuge von Deutschland aus in den Indopazifik. Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz hatte 24 Stunden als Ziel vorgegeben, um in Singapur zu sein. Er wollte demonstrieren, dass die Luftwaffe innerhalb eines Tages in Asien sein kann - und das gelang. Lediglich ein Jet musste beim Zwischenstopp in den Vereinigten Arabischen Emiraten repariert werden. Vor fünf Jahren wäre die Luftwaffe noch nicht in der Lage gewesen, so viele Flugzeuge so weit weg einzusetzen.

Politisch flankiert wird das Indopazifik-Engagement der Bundesregierung mit einer China-Strategie, die derzeit zusammen mit der Nationalen Sicherheitsstrategie federführend vom Auswärtigen Amt ausgearbeitet wird. Die Luftwaffe setzt unter der neuen Regierung fort, was die Marine im vergangenen Jahr noch unter der großen Koalition begonnen hatte: Chinas wachsende Machtansprüche hatten die Vorgängerregierung veranlasst, der Partnernation im Indopazifik stärker zur Seite zu stehen. Sie schickte in der Fregatte Bayern erstmals seit 20 Jahren ein Kriegsschiff in die Region, das an Großübungen teilnahm und Hafenbesuche absolvierte. Ständig dort zu kreuzen, dafür hat die Marine aber nicht genügend Schiffe.

Das ist aus Sicht Australiens aber auch nicht zentral, wie Marles klarstellte. Man begrüße die Entsendung der Eurofighter und der Fregatte. Es gehe aber vor allem um eine politische Allianz; Australien strebt auch engere Beziehungen zur Nato an. Deutschland habe als G7-Vorsitz eine Erklärung zur Lage in der Straße von Taiwan bewirkt, und Deutschlands Stimme habe international Gewicht. China versuche, "die Welt um uns herum zu formen auf eine Art und Weise, die wir vor ein paar Jahren noch nicht gesehen haben", sagte der Verteidigungsminister.

Freie Schifffahrt ist essenziell für Australien - auch in der Straße von Taiwan

Das stelle Australien vor Herausforderungen, die komplex seien - denn China ist zugleich Australiens wichtigster Handelspartner. Deutschland kenne diese Komplexität, sagte der Minister. Auch die Bundesrepublik hat enge Wirtschaftsbeziehungen zu China. Für Australien ist klar: Durch das Südchinesische Meer führen die wichtigsten Handelsrouten des Landes. Völkerrechtliche Grundsätze wie die freie Schifffahrt sind dort für das Land keine theoretischen Konzepte, sondern "berühren unsere grundlegenden nationalen Interessen", wie Marles es formuliert, und müssten auch in der Straße von Taiwan Anwendung finden. Für europäische Staaten sei dies ebenfalls wichtig, auch wenn Asien weit weg sei - nicht zuletzt deutsche Exportrouten verlaufen ebenfalls durch diese Seegebiete.

Die geografische Lage Australiens bedinge auch, dass das Land in der Lage sein müsse, einen "strategischen Raum" zu sichern - dazu brauche es auch moderne U-Boote mit hoher Reichweite, mithin nuklear getriebene, die aber nur konventionelle Waffen tragen sollen. Australien hat dafür eine Kooperation mit den USA und Großbritannien vereinbart und einen Vertrag zum Kauf konventionell betriebener Boote mit Frankreich annulliert.

Mit Blick auf China sagte Australiens Verteidigungsminister, das Land befinde sich "in einer militärischen Aufrüstung, wie es sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gegeben hat". Es mangele allerdings an Transparenz und Rückversicherung für seine Nachbarn. Das sei Anlass für "enorme Besorgnis". Australien halte an seiner Ein-China-Politik fest, wolle aber "keine einseitigen Veränderungen des Status quo in der Straße von Taiwan sehen". Das sieht die Bundesregierung ähnlich - Außenministerin Annalena Baerbock hatte es jüngst in New York ähnlich formuliert wie Marles: Auch für China gelte, dass es seine kleineren Nachbarn nicht einschüchtern dürfe.

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