"Three Thousand Years of Longing":Los, wünsch dir was

"Three Thousand Years of Longing": Idris Elba und Tilda Swinton in Bademänteln und zunehmender Verzweiflung in "Three Thousand Years of Longing".

Idris Elba und Tilda Swinton in Bademänteln und zunehmender Verzweiflung in "Three Thousand Years of Longing".

(Foto: Elise Lockwood/MGM/AP)

Ein exzentrisches Filmmärchen zeigt, was passiert, wenn ein Flaschengeist auf eine wunschlos zufriedene Frau trifft.

Von Kathleen Hildebrand

In der Szene, die die Geschichte so richtig in Gang bringt, sprechen die beiden Hauptfiguren minutenlang fließend Altgriechisch miteinander. Wenn so etwas in einem Film passiert, also so gut wie nie, hat man ein bestimmtes Zielpublikum vor Augen - Altgriechischlehrer, Altgriechischschüler, Studenten und Dozenten der klassischen Philologie. Also eher wenige.

Nicht das Zielpublikum eines Hollywood-Kinofilms mit doch nicht ganz kleinem Budget jedenfalls. Von einem Regisseur, der zwar alt ist, aber doch auf einem neuen Zenit seines Schaffens steht, seit er 2015 den irrwitzigen Actionknaller "Mad Max: Fury Road" in die Kinos gebracht hat. Der Film wurde sofort zum Klassiker nicht nur seines eigenen Genres. Wenn man aber dazudenkt, dass dieser George Miller in den Neunzigerjahren auch zwei Filme über ein sprechendes Ferkel gemacht hat - "Ein Schweinchen namens Babe" und dessen Fortsetzung -, kann man schon ein bisschen besser einordnen, was er sich dabei gedacht haben mag, einen riesigen Flaschengeist (Idris Elba) auf eine etwas steife Geisteswissenschaftlerin (Tilda Swinton) loszulassen, mit allem, was das bedeutet (nämlich einen Dialog auf Altgriechisch zum Beispiel: "Ich habe ein paar Kurse belegt", sagt sie).

Swinton spielt in dieser Verfilmung einer Erzählung der britischen Autorin A. S. Byatt die Narratologin Alithea Binnie, die in Istanbul einen Kongress besucht. Auf dem Großen Basar kauft sie sich eine kleine alte Glasflasche, und als sie der, zurück im Hotel, mit ihrer elektrischen Zahnbürste zu Leibe rückt, ploppt der Korken raus, und es entweicht in Schwaden von purpurnem Rauch ein Dschinn. Der erhält seine Freiheit vom Flaschengefängnis nur zurück, wenn er seiner Befreierin drei Wünsche erfüllt. Das Problem ist nur: Alithea ist glücklich oder vielmehr wunschlos zufrieden. Sie ist alleinstehend, hat einen Beruf, der zu ihr passt, und kann gut davon leben. Zweimal im Jahr ein Kongress irgendwo auf der Welt - was bliebe da zu wünschen übrig? Außerdem weiß sie als Frau vom Fach, dass ausnahmslos jede Wunscherfüllungsgeschichte als Essenz eine Warnung birgt. Be careful what you wish for - pass auf, was du dir wünschst.

Das Leben des Dschinns wird mit bombastischen Bildern erzählt

Über dieses Problem kommen die zwei erst einmal ins Plaudern in Alitheas luxuriösem Hotelzimmer, beide in flauschigen Bademänteln, und der Dschinn erzählt aus seinem jahrtausendelangen Leben. Von seiner obsessiven Liebe zur Königin von Saba, gespielt vom ugandischen Model Aamito Lagum, die in seiner ersten Gefangenschaft endete, und weiteren Liebesgeschichten, die, wie die Wünsche, immer im Schlimmsten endeten. Der Dschinn ist nicht nur mächtig, er ist auch ein bisschen schwermütig von seinem mehrfach gebrochenen Herzen. Idris Elba, der durch einem Kameratrick hier immer noch größer und wuchtiger erscheint, als er in Wahrheit ist, spielt das herrlich. Man will ihm tröstend, aber sehr respektvoll die spitzen Dschinnohren kraulen. Und dass Tilda Swinton den Typ "exzentrische kluge Frau" zur Perfektion beherrscht, muss man ja eigentlich nicht mehr erwähnen.

Es macht also viel Spaß, den beiden beim Reden zuzuschauen, und für die Erzählungen des Flaschengeists lässt George Miller einigen Bombast an Sets und Computerbildern vom Stapel. Der sieht allzu oft etwas zu unglaubwürdig bunt aus und behält zugleich etwas Klaustrophobisches. Man fühlt sich in all den Palästen, Haremshallen und türkischen Damenzimmern ähnlich eingesperrt wie der Geist in den diversen Gefäßen, in die es ihn immer wieder verschlägt.

Man wird das Gefühl nicht los, dass hier mehr drin gewesen wäre an Befreiungsschlägen, an Irrsinn und Dekadenz - wozu sind Flaschengeistwünsche denn sonst da? Aber trotzdem: Dass George Miller hier mit den Mitteln des Blockbusterkinos eine solche hochambitionierte Geschichte erzählt, die es im Gegenwartskino eigentlich nicht geben kann - eine Mischung aus Märchen, Kulturhistorie und Exzentrik, darüber kann man sich schon so sehr freuen, dass das nicht weiter ins Gewicht fällt.

Der vierte Akt von "Three Thousand Years of Longing" verändert den Ton des Films noch einmal aufs Schönste. Alithea fällt nämlich am Ende doch noch ein Wunsch ein, den der Dschinn ihr erfüllen soll. Sie nimmt ihn dazu mit nach London, es wird melancholisch, die große Ekstase wird ihr und den Zuschauern auch hier verwehrt. Aber am Schluss steht ein Gefühl, das auch viel wert ist: Zufriedenheit mit einem guten Schuss Sehnsucht.

Three Thousand Years of Longing, USA, Großbritannien 2022. Regie: George Miller. Drehbuch: G. Miller, August Gore, A. S. Byatt. Kamera: John Seale. Mit: Tilda Swinton, Idris Elba. Leonine, 106 Minuten. Kinostart: 1. September 2022.

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