"Munich Games" bei Sky:Wäre heute alles anders?

"Munich Games" bei Sky: Irgendwo in den Katakomben des Münchner Olympiastadions tickt eine Bombe. Wer sie dort platziert hat, müssen die Ermittler erst herausfinden.

Irgendwo in den Katakomben des Münchner Olympiastadions tickt eine Bombe. Wer sie dort platziert hat, müssen die Ermittler erst herausfinden.

(Foto: Sky Deutschland AG)

Wäre ein Anschlag wie das Olympia-Attentat von 1972 auch heute noch möglich? Diese Frage verhandelt die fiktionale Serie "Munich Games" auf Sky.

Von Roman Deininger

Sagenhaft, was alles hätte schiefgehen können bei diesem Projekt. Und nicht nur ein bisschen schief, sondern richtig in die Hose. Eine Thrillerserie, die ihre Spannung aus der spekulativen Fortschreibung eines realen Massakers zieht, da muss man erst mal schlucken. Elf israelische Sportler wurden am 5. und 6. September 1972 in München von palästinensischen Terroristen kaltblütig ermordet, auch ein deutscher Polizist kam ums Leben. Ob so etwas heute wieder möglich wäre, ist die Grundfrage, die "Munich Games" verhandelt.

Die Überlegung wird keinesfalls harmloser dadurch, dass einer der beiden noch lebenden Mörder gerade in einer ARD-Doku stolz verkündet hat, er würde es sofort wieder tun, "sollte es sich ergeben". Die psychischen Wunden des Olympia-Attentats sind auch nach einem halben Jahrhundert noch lange nicht verheilt, und das deutsche Sicherheitsversagen ist immer noch nicht konsequent aufgearbeitet. Erst im letzten Augenblick haben sich die israelischen Hinterbliebenen mit der Bundesregierung auf eine Entschädigung geeinigt, nur so wurde ein gemeinsames Gedenken am 50. Jahrestag möglich.

Die Schatten der Vergangenheit werden derzeit also sogar in den aktuellen Nachrichten sichtbar, in zahlreichen Dokumentationen ja sowieso. Dafür bräuchte es keinen fiktionalen Sechsteiler bei Sky. Und dennoch ist "Munich Games" ein herausragender Beitrag zu diesem Sommer der Erinnerung, ebenso originell wie klug und auf geradezu sachdienliche Weise provokativ.

Den Zuschauerinnen und Zuschauern sind wenige Gewissheiten gegönnt in dieser Serie, zunächst mal eigentlich nur die, dass irgendwo tief in den Katakomben des Olympiastadions eine Bombe tickt. Aber wer sie dort platziert hat und warum, das ist tief in dem bedrohlichen Regendunkel verborgen, das sich in vielen Momenten über die Kulissen legt - ein schmerzhaftes Korrektiv für alle Münchner, die gerade noch beseelt von den blendenden Bildern der European Championships durch ihre Stadt tänzeln.

Was darf ein ausländischer Geheimdienst auf deutschem Boden?

Die Handlung dreht sich um ein Fußballspiel zwischen dem solide erfundenen FC München 08 und Halutzi Tel Aviv, fünfzig Jahre nach dem Anschlag soll die Partie eine Feier der deutsch-israelischen Freundschaft werden. Das heitere Spiel gerät durch Hinweise auf einen geplanten Terrorakt ins Wanken, zumal deutsche und israelische Ermittler mit ihren bunten Befindlichkeiten eigentlich ausgelastet sind. Diesmal müsse man zusammenarbeiten, sagt ein Mossad-Mann (Igal Naor) flehend auf einem verlassenen Parkdeck zum Kollegen vom Bundeskriminalamt (Sebastian Rudolph, fast jeder Satz ein Ereignis). Der antwortet: "Tun wir das nicht immer?"

Was ein ausländischer, ganz und gar nicht zimperlicher Geheimdienst auf deutschem Boden könnte, dürfte und sollte: Das ist eine Problematik, für die es 2022 genauso wenig eine befriedigende Lösung gibt wie 1972. Damals bot Israel den Einsatz einer Spezialeinheit an; die Bundesrepublik lehnte mit Verweis auf das Grundgesetz ab. Das deutsch-israelische Autoren-Duo Michael Aviram ("Fauda") und Martin Behnke ("Berlin Alexanderplatz") führt einige solche Linien aus dem Gestern ins Heute, mit zarten Federstrichen, nie so dick, dass die Analogien allzu aufdringlich würden.

Was fällt noch unter Terrorprävention, was ist schon Paranoia? Die Jungs von der Stadion-Security wirken jedenfalls nicht weniger verdächtig als die Männer aus dem Flüchtlingsheim. Und dass der sympathisch-schlingelhafte Halutzi-Mäzen (Dov Glickman) irgendetwas zu verbergen hat, das merkt doch ein oberbayerischer Landgendarm. Warum kann man das Spiel nicht einfach absagen? The game must go on: Die Gegenwart ringt manchmal nach Luft im Würgegriff der Geschichte.

Das Ermittlerduo: eine deutsche Polizistin libanesischer Herkunft und ein israelischer Agent

Nervosität kurz vor dem Abkippen in Panik, das ist so der Grundpuls in den Tagen vor dem Anpfiff. Als Ermittlerduo spannt das Drehbuch - gegen deren Willen, versteht sich - eine privat wie beruflich zupackende deutsche Polizistin libanesischer Herkunft (Seyneb Saleh) und einen dauergereizten israelischen Agenten (Yousef Sweid) zusammen, der etwaige Heldentaten am liebsten am Computer vollbringt. Wobei ein israelischer Nerd es natürlich immer noch mühelos mit jedem deutschen Hipster aufnehmen kann.

Dass die Polizistin eine Affäre mit ihrem wichtigsten Informanten im islamistischen Milieu hat, strapaziert erst mal den guten Glauben des Publikums, fügt sich dann jedoch bald in eine Figurenriege, die sich üblichen Logiken und Erwartungen ziemlich konsequent verweigert. In diesem moralischen Ödland ist niemand mehr ganz, jeder auf seine Art gebrochen. Regisseur Philipp Kadelbach ("Unsere Mütter, unsere Väter") inszeniert das mit fiebriger Spannung und rauer Direktheit, getragen auch von dem guten Entschluss, seine Figuren einfach Hebräisch und Arabisch, Englisch und Deutsch reden zu lassen.

Obwohl man den echten Horror von 1972 in "Munich Games" nur im Vorspann und maximaldistanziert in Schwarz-Weiß sieht, ist er in jeder Minute da, als Mahnung und als Warnung, die dann die Protagonisten aber fast mehr lähmt als bewegt. Und in alldem spiegelt sich eine Welt, die seit den Spielen von München eher noch ein bisschen komplizierter geworden ist.

Munich Games, sechs Folgen, wöchentlich sonntags um 20.15 Uhr auf Sky One sowie online im Stream.

Weitere Serienempfehlungen finden Sie hier.

Zur SZ-Startseite
12 Opfer, München 1972, Kombo für Storytelling

SZ PlusTerror bei den Olympischen Spielen
:Zwölf Menschen und ihre Geschichten

Am 5. September 1972 nehmen Terroristen in München elf israelische Sportler als Geiseln. Nach einem desaströsen Polizeieinsatz sind alle Geiseln und ein Polizist tot. Wer die Opfer waren und was über ihre Schicksale bekannt ist.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: