Glosse "Ende der Reise":Total nachhaltig nach Venedig fliegen?

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Mit dem Flugzeug mal eben von Wien nach Venedig - und das soll nachhaltig sein? Da hat dann doch jemand zu dick aufgetragen. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Trotz Dürre und Gletscherschmelze: Das Reisen wird so gut wie CO₂-neutral - sagen Tourismusunternehmen. Man muss es nur glauben.

Glosse von Hans Gasser

Das Reisen ist etwas Schönes, ja. Aber, wie so viele schöne Sachen, nicht ungefährlich. Und damit meinen wir nicht, dass ein Flugzeug in den Atlantischen Ozean oder ein Reisebus von einer peruanischen Andenstraße stürzen kann. Es geht vielmehr darum, dass das Reisen ein recht CO₂-trächtiger Spaß ist, der sein Scherflein dazu beiträgt, dass die weltweiten Temperaturen nicht stürzen, sondern steigen und es auf diesem Planeten ziemlich bald schon ziemlich ungemütlich werden könnte. Stichwort: Kipppunkt. Dürre und Überflutungen im Wechsel - einen Vorgeschmack bekommen wir jetzt ja regelmäßig.

Auf das Reisen will und muss aber deswegen niemand verzichten. Denn: Es gibt ja die Nachhaltigkeit - oder zumindest die Nachhaltigkeitsbeauftragten in den Tourismusunternehmen. Derzeit gibt es kaum noch eine Destination zwischen Südtirol und den Malediven, die nicht auf ihre besonders großen Nachhaltigkeitsanstrengungen hinweist oder sagen wir besser: auf Instagram und Co. heftig damit winkt.

Was wird uns da nicht alles als total nachhaltig angepriesen! Das Hotel in den Bergen mit seinem 3000 Quadratmeter großen Spa-Bereich; das Resort im Atoll mit seinen Über-Wasser-Villen, in denen die Klimaanlage auf Hochtouren läuft; die Kreuzfahrt mit Erdgas-betriebenen 4000 Gäste fassenden Schiffen! Alles total nachhaltig.

Da kann doch nichts mehr schiefgehen mit dem Zwei-Grad-Ziel, oder?

Und jetzt bietet Austrian Airlines auch noch einen total CO₂-neutralen Flug von Wien nach Venedig an. "Für uns keine Kunst!", hieß es in der Werbung. Man könne die Gäste mit "100 Prozent SAF" (Flugbenzin aus nicht fossilen Rohstoffen) zur Biennale nach Venedig fliegen, und das Eintrittsticket gebe es noch obendrauf.

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Das war dem niederländischen Luftfahrtkritiker Eric Stam dann doch zu viel, er klagte vor dem österreichischen Werberat wegen irreführender Werbung und bekam recht, wie die Internetzeitschrift Aerotelegraph berichtet.

Die Hauptaussage der Werbung impliziere, dass klimaneutrales Fliegen bereits heute möglich sei, was nicht stimme. Der Begriff Sustainable Aviation Fuel (SAF) sei nicht klar definiert. Die meisten Fluglinien, die sich damit brüsten, mischen nur wenige Prozent bei, maximal könnte man damit 80 Prozent CO₂ einsparen, Austrian werbe aber mit 100 Prozent. Der Ethikkodex sei "nicht ausreichend sensibel umgesetzt", urteilte der Werberat. Was er und Austrian nicht sagten: Man kann wunderbar mit dem Zug nach Venedig fahren, bequem bis auf die Insel - und ganz ohne SAF!

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