Kultur:Künstlerisches Gedenken an das Olympia-Attentat

Kultur: Mit ihren Totenmasken gibt Ulrike Spangenberg den zwölf Opfern des Attentats ein Gesicht.

Mit ihren Totenmasken gibt Ulrike Spangenberg den zwölf Opfern des Attentats ein Gesicht.

(Foto: Johannes Simon)

Zum 50. Jahrestag des Anschlags auf die israelischen Sportler widmet die Künstlervereinigung Fürstenfeldbruck ihnen eine eigene Ausstellung. Die Opfer bekommen dabei ein Gesicht, die olympischen Ringe mehr als einen Kratzer

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

"Ich wünschte verzweifelt, diese Ausstellung würde es nicht geben." Ein Satz, den man so nicht unbedingt als Teil eines Kunstwerkes erwartet. Und doch liegt in diesen Worten von Alicia Henry die ganze Wahrheit der Ausstellung "Aus der Stille..." im Haus 10, in der sich die Künstlervereinigung Fürstenfeldbruck auf eindrucksvolle Weise mit dem Olympia-Attentat von 1972 auseinandersetzt. In ihrer Videoinstallation auf fünf Fernsehbildschirmen greift Henry den Satz "The Games must go on" - die Spiele müssen weitergehen - auf, den der damalige IOC-Präsident Avery Brundage auf der Trauerfeier für die Opfer am Tag nach dem Attentat gesagt hatte. Auf jedem Bildschirm flimmert eines der Worte, dazu läuft der Originalton. Alle paar Sekunden wechselt der Begriff auf dem zweiten Monitor: love. "The love must go on". Mit der Installation stellt Henry die Frage danach, was dieses "müssen" ist, ob es immer gilt und was man sich - wenn es denn unausweichlich ist, dass es weitergeht - für die Zeit danach wünschen kann. "Ich habe die Hoffnung, dass in der Antwort darauf unsere Chance liegt".

Kultur: Eine goldene Karte von Israel, umgeben von roten Federn für die toten Opfer und Terroristen hat Christine Helmerich geschaffen.

Eine goldene Karte von Israel, umgeben von roten Federn für die toten Opfer und Terroristen hat Christine Helmerich geschaffen.

(Foto: Johannes Simon)

Dass die Aufarbeitung der Gewalt und des Versagens bis heute nur schleppend vorankommt, war einer der Gründe, warum die Künstlerin Christine Helmerich die Ausstellung organisiert hat. Mit ihr sind es zwölf Mitglieder der Künstlervereinigung, die sich mit diesem schweren Thema auseinander gesetzt haben. Helmerich selbst zeigt eine Israel-Karte auf schwarzem Grund. Die Umrisse sind aus goldener Farbe, der Titel des Bildes "Kintsugi", verweist auf eine alte japanische Technik zum Zusammenfügen zerbrochener Keramik. Die Bruchstellen werden dabei mit einem vergoldeten Kleber gekittet. Rechts neben der Karte sind zwölf rote Federn wie Blutstropfen verteilt. Eine für jedes Opfer. Auf der linken Seite finden sich fünf weitere Federn - während des Befreiungsversuchs auf dem Fliegerhorst sind auch fünf Terroristen getötet worden.

Der Tod blickt dem Betrachter auch aus den fünf Gemälden von Gerhard Baumgärnter entgegen: fünf Schädel in den Farben der olympischen Ringe - blau, gelb, schwarz, grün und rot. Sie erinnern dabei nicht nicht an die Opfer des Attentats, sondern werfen auch die Frage auf, ob mit den israelischen Sportlern auch die Olympische Idee gestorben ist. Oder ob eine stetige Kommerzialisierung ihr den Todesstoß verpasst (hat). Genau dieses Thema greift auch Friedo Niepmann auf. In seiner Installation drehen sich die olympischen Ringe in Schwarz über einem Siegertreppchen aus "mit stumpfer Gewalt gebrochenen Holzstücken", wie es im Titel heißt. Trotz der immer wieder betonten Olympischen Idee machten die Spiele die Welt nicht besser, machten sie keines der so drängenden Probleme besser. "Das lässt vermuten, dass die Werte, für die Olympia steht, nicht stimmen oder schlicht falsch sind", schreibt Niepmann zu seiner Arbeit.

Kultur: Die weltbekannten Fotos der Terroristen im olympischen Dorf haben Claudia Hippe-Krafczyk zu ihren Gemälden inspiriert.

Die weltbekannten Fotos der Terroristen im olympischen Dorf haben Claudia Hippe-Krafczyk zu ihren Gemälden inspiriert.

(Foto: Johannes Simon)

Den zwölf Opfern des Attentats verleiht Ulrike Spangenberg gleich am Eingang der Ausstellung im Wortsinne ein Gesicht. Ihre zwölf Totenmasken zeigen die elf israelischen Sportler, Trainer, Kampfrichter und den bayerischen Polizisten, die bei dem Terroranschlag ihr Leben verloren haben. Wie Mahnmale hängen sie an der Wand und blicken den Betrachter an. Zugleich sind es offene, freundliche Gesichter, bereit zum Dialog - und vor allem dankbar dafür, sichtbar zu sein und zu bleiben.

Dem gegenüber stellt Claudia Hippe-Krafczyk Gemälde der weltbekannten Fotografien der Terroristen im olympischen Dorf. Verhüllt mit Masken stehen sie auf dem Balkon. Durch die Masken verlieren sie Individualität, werden zu Symbolen von Terror, Gewalt und Mord - und treten zurück hinter ihre von Spangenberg gezeigten Opfer.

Kultur: Christiane und Peter Neuberger haben einen Raum mit Bannern gestaltet, der zum Hinsetzen und Innehalten einlädt.

Christiane und Peter Neuberger haben einen Raum mit Bannern gestaltet, der zum Hinsetzen und Innehalten einlädt.

(Foto: Johannes Simon)

Einen ganzen Raum hat das Künstlerehepaar Christiane und Peter Neuberger gestaltet. Auf Bannern, die von der Decke hängen, sind abwechselnd Bilder der Klagemauer und aus Palästina zu sehen, manche Banner bleiben leer. Dazu sind Texte des Lyrikers Erich Fried, des israelischen Lyrikers Tuvia Rübner, begleitet von Galila Rüber am Piano, und von Saleh Khalil Srouji, einem palästinensischen Lyriker, musikalisch begleitet von Haitham Habeeb auf der Oud, zu hören. So entsteht ein Raum, der einlädt zum Hinsetzen, Innehalten, Nachdenken.

Der Schleier des Vergessens droht auf dem großformatigen Gemälde "Über die Folgen der Ursache" von Hans Fuchs über die Angelegenheit zu wachsen. Zwölf Grabsteine hat er auf roten Grund gemalt. Von den Seiten breitet sich ein dickes, schwarzes Netz aus und begräbt die Steine unter sich.

So erinnert das Gemälde an das Vergessen und Verdrängen der Schuld und Verantwortung für das Attentat und die Opfer, die die deutsche Seite trägt. Und auch, wenn es bereits bedrohlich zugewachsen ist, ist es eben nur ein Netz. Die gerade im Landkreis lebendige Erinnerungskultur mit der großen Gedenkfeier am Montagabend und Aktionen wie dieser Ausstellung der Künstlervereinigung hat bewirkt, dass es sich nicht komplett ausbreitet. Die nun angekündigte Historikerkommission könnte erreichen, dass es wieder verschwindet.

Und so ist die Ausstellung ein sichtbares Zeichen dessen, was von Politikern im Landkreis immer wieder betont wird: der besonderen Verantwortung, die Fürstenfeldbruck für die Ereignisse vom 5. September 1972 trägt. Vor allem aber der Verpflichtung, durch permanentes Erinnern und Auseinandersetzen dazu beizutragen, dass gerade die zwölf Opfer dieses einmaligen Terroranschlags nicht in Vergessenheit geraten.

Ausstellung "Aus der Stille", zu sehen bis 25. September, freitags von 16 bis 18 Uhr, samstags und sonntags von 10 bis 18 Uhr im Haus 10 in Fürstenfeldbruck

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