Habecks Auftritt bei "Maischberger":Bäcker, Brötchen, Insolvenz

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Bei Sandra Maischberger macht Wirtschaftsminister Robert Habeck klare Ansagen in Richtung seiner Kritiker. (Foto: WDR/Oliver Ziebe)

Zum unglücklichen Auftritt von Robert Habeck bei "Maischberger".

Von Josef Kelnberger

Man wüsste gern, was in Robert Habecks Kopf vorging, als er am Mittwochmorgen im Bundestag auf der Regierungsbank saß und zuhören musste, wie sich die Opposition an ihm abarbeitete. In der Wirtschaftspolitik fehlt dieser Regierung jede Fähigkeit zum strategischen Denken, sagte CDU-Chef Friedrich Merz. So weit, so erwartbar. Aber am Abend zuvor hatte Habeck all seinen Verächtern ungewollt großen Stoff geboten, ihn für unfähig zu erklären. Dachte Habeck vielleicht: Nie wieder Sandra Maischberger, nie wieder Talkshow? Oder zumindest: Nie wieder Brötchen?

Aber nein, hatte Habeck der Gastgeberin erklärt, die wachsende Kritik an seiner Amtsführung und seiner Person setze ihm nicht im Mindesten zu. Angesichts der historischen Krise stehe eben das gesamte politische Personal unter Druck, und jeder gehe mit dem Druck anders um. Das war seine Replik auf die Vorwürfe aus der SPD, die sinngemäß darin gipfeln, Habeck sei ein Schönschwätzer ohne Substanz. Sein Auftritt ließ allerdings ahnen: Auch Habeck spürt den Druck, und er tut ihm nicht gut.

Der Minister schlingerte Satz für Satz hinein in einen Shitstorm

Beim Thema Kernkraft machte der Wirtschaftsminister gar keine schlechte Figur. Seine Entscheidung, nur zwei Anlagen in Reserve zu halten, statt Laufzeiten zu verlängern, konnte er noch schlüssig begründen. Aber Bäcker, Brötchen, Insolvenz - von dieser Debatte hätte er besser die Finger gelassen. Der Minister schlingerte Satz für Satz hinein in einen Shitstorm.

Maischberger war Habeck grundsätzlich freundlich gesinnt, aber natürlich hakte sie nach, als der darauf beharrte, es werde nicht zwangsläufig eine Insolvenzwelle durch Deutschland rollen, wenn Bäcker aufgrund der aberwitzigen Energiepreise ihre Brötchen nicht mehr verkaufen können. Ob er das wirklich ernst meinte, fragte die Gastgeberin und lachte. Vermutlich konnte sie ihr Glück kaum fassen: Der Herr Minister war ins Schleudern geraten.

Die Bäcker, entgegnete Habeck, könnten ja auch ihre wirtschaftliche Tätigkeit einstellen - und später vielleicht die Brötchenproduktion wiederaufnehmen, wenn die Zeiten besser sind. Das Argument mag theoretisch richtig sein, denn wer den Betrieb in schlechten Zeiten sofort einstellt, kann nicht insolvent werden. Aber am Bäckeralltag ging der Diskurs natürlich sehr weit vorbei.

Der Wirtschaftsminister hätte es bei seiner Aussage bewenden lassen können: Die Bundesregierung werde alles tun, um den Bäckern und allen anderen mittelständischen Betrieben zu helfen. Aber Habeck wollte, wie es seine Art ist, die Sache mal wieder ganz genau erklären. Und das ging schief, mit politischen Folgen. In den sozialen Netzwerken machte die Opposition billige Punkte, der CSU-Generalsekretär Martin Huber zum Beispiel: Und wenn im Winter wegen Habecks Politik zu wenig Strom produziert werde, dann sei das wohl "kein Blackout, sondern das Licht hört einfach ein bisschen auf zu leuchten, oder was?"

Wenn der Stress so groß ist, dann sollte ein Minister vielleicht auch mal eine Talkshow auslassen

Am 23. Februar hatte Habeck letztmals bei Maischberger im Studio gesessen. "Mit einem Kloß im Hals", wie er an diesem Abend berichtet. Denn von US-Diensten sei er kurz zuvor informiert werden, dass Putin tags darauf seine Truppen losschicken würde. Habeck stieg in der Folge dank seines pragmatischen Krisenmanagements und seiner bürgernahen politischen Kommunikation zum Superstar der Regierung auf - mit dem erwartbaren Ergebnis, dass die politischen Gegner, ob in der Ampelkoalition oder aus der Opposition, nun bei jeder Gelegenheit versuchen, ihn zurück auf die Erde zu holen. Seit seinem Fehler bei der Konstruktion der Gasumlage ist die Jagd eröffnet. Und sie zeigt Wirkung.

Er habe momentan gar keine Zeit, Brötchen zu kaufen und in Ruhe zu frühstücken, sagte Robert Habeck noch. Wenn das so ist, und wenn der Stress so groß ist, dann sollte ein Minister vielleicht auch mal eine Talkshow auslassen.

Maischbergers Verdächtigung, er wolle wegen des Wahlkampfs in Niedersachsen - um die eigene Partei zu schonen - der Kernkraft nicht mehr Raum geben, konterte Habeck kühl mit dem Hinweis: Wenn er nach wahltaktischen Gesichtspunkten handeln würde, hätte er angesichts der aktuellen Beliebtheit der Kernkraft Laufzeiten verlängern müssen. Er handle strikt nach den Fakten, die der Stresstest ergeben habe, und das konnte er durchaus schlüssig begründen. Kernkraft werde nur gebraucht, um im Notfall das Stromnetz zu stabilisieren, und um die Strompreise zu senken, könne sie nur einen minimalen Beitrag leisten.

"Es sind Atomkraftwerke, es ist kein Spielzeug", sagte Habeck. "Die Leichtfertigkeit und Wankelmütigkeit gegenüber Kernkraft finde ich irritierend." Irritierend findet er offenbar vor allem den Ministerpräsidenten und Atomkraftfreund Markus Söder, der den Netzausbau so blockiert habe, dass nun vor allem im Süden Deutschlands die Stromversorgung in Gefahr sei. Der Bayer nervt ihn erkennbar. Die klarste Ansage ging aber an den liberalen Koalitionspartner Christian Lindner, der kein gutes Haar an Habecks Kernkraft-Plänen lässt. Es brauche eine Gesetzesänderung, um die Kernkraft länger als bisher geplant zu nutzen, und wenn sich die FDP seinen Vorschlägen verweigere - dann werde es eben wie geplant beim Ausstieg bleiben.

Es fällt nach diesem Abend schwer, naheliegende Wortspiele auszulassen: Habeck im Stresstest, Habeck unter Strom. Und auf Twitter trendet #bäcker. Ob Robert Habeck wieder Tritt fassen kann, wird nun jedenfalls zur Brötchenfrage der Ampelregierung.

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