Rückversicherungen:Schutz kostet Geld

Rückversicherungen: Monte-Carlo: Seit 60 Jahren treffen sich die Rückversicherer hier immer im September mit ihren Kunden.

Monte-Carlo: Seit 60 Jahren treffen sich die Rückversicherer hier immer im September mit ihren Kunden.

(Foto: Fesus Robert/PantherMedia)

Beim jährlichen Treffen an der Côte d'Azur wollen die großen Rückversicherer höhere Preise durchsetzen - und drohen schon mal ihren Kunden.

Von Herbert Fromme und Friederike Krieger, Monte-Carlo

Nach zwei Jahren Corona-Pause treffen sich die Rückversicherer der Welt wieder in Monte-Carlo an der Côte d'Azur. Ob Munich Re, Swiss Re, Lloyd's, Berkshire Re oder China Re - alle sind vertreten. In überteuerten, mit viel Marmor, Plüsch und Stuck verzierten Hotels verhandeln sie mit ihren Kunden: Das sind die Erstversicherer wie Axa, R+V oder Zurich, die ihrerseits Privatpersonen und Gewerbe versichern. Die Rückversicherer sichern die Erstversicherer gegen Katastrophen und andere Großschäden ab, sie sind die Versicherer der Versicherer. Manchmal machen sie auch Geschäfte mit großen Industriekonzernen.

Seit 60 Jahren findet das "Rendez-vous de Septembre" in Monte-Carlo statt. Der Ort steht für eine in die Jahre gekommene Vorstellung von Luxus, ist heute aber eher für Glücksspiel und Steuerflucht bekannt. Der Veranstalter zählt 2750 Anmeldungen aus aller Welt, fast so viel wie vor Ausbruch der Pandemie.

Die Rückversicherer sind eigentlich zufrieden. Nach einer jahrelangen Durststrecke ziehen die Preise für Rückversicherungsschutz seit 2017 an. Auch für das kommende Jahr rechnet die Ratingagentur Fitch mit höheren Preisen. In der Sachversicherung - Gebäude, Fabriken, Betriebsunterbrechung - werde es 2023 weitere Preissteigerungen geben, sagte Analyst Manuel Arrive.

Dazu trägt auch bei, dass einige Rückversicherer angesichts des Klimawandels vorsichtiger bei Rückdeckungen gegen Naturkatastrophen werden. Das verknappt das Angebot. "Wir treten in einen wirklich harten Markt ein, in dem die Nachfrage nach Sachdeckungen aufgrund reduzierter Kapazitäten nicht komplett befriedigt werden kann", sagte er. "Die Nachfrage steigt kräftig", sagte auch Catherine Thomas von der US-Ratingagentur A.M. Best. Zudem profitieren die Rückversicherer von den gestiegenen Zinsen, die ihre Kapitalerträge wieder sprudeln lassen.

"Die Inflation erreicht 2022 ihren Höhepunkt."

Gleichzeitig ziehen jedoch sehr dunkle Wolken auf. Vieles spricht dafür, dass die Verhandlungen im Mittelmeer-Klima nicht nur harmonisch sein werden. Hauptthema: Die hohe Inflation belastet die Branche, weil sie mehr für Schäden ausgeben muss. "Die Inflation erreicht 2022 ihren Höhepunkt", erwartet Munich Re-Vorstand Torsten Jeworrek. Aber sie werde auch 2023 noch eine große Rolle spielen. Die Preise für den Rückversicherungsschutz müssten das widerspiegeln, sagte er. "Wenn wir das nicht erreichen, ziehen wir Rückversicherungskapazität zurück", drohte Jeworrek in Monte-Carlo in Richtung seiner Kunden. Das würde das Angebot noch weiter verknappen.

"Eine langfristig hohe Inflation ist eine reale Gefahr für Rückversicherer", glaubt Analyst Arrive. Gefährlich wird es, wenn die Teuerungsrate mehr als zwei Jahre über dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre liegt. Insbesondere Rückversicherer, die nicht genug Reserven für Schäden gebildet haben und nicht die Marktmacht haben, hohe Preissteigerungen durchzusetzen, schaut sich Fitch deshalb genau an. Die finden sich vor allem im Haftpflichtbereich, in dem die Preisdisziplin nicht so hoch ist. Fitch erwartet hier im Gegensatz zum Sachbereich für 2023 keine Erhöhungen, sondern stabile Preise - angesichts der Inflation in Wahrheit eine Absenkung. "Es besteht die Gefahr, dass einige Rückversicherer zu spät reagieren", sagte Arrive.

Konkurrent Standard & Poor's (S&P) bezweifelt, dass von den Preiserhöhungen nach Abzug der Inflation noch viel übrigbleiben wird. "Das ein oder andere Plus könnte aufgefressen werden", gab Analyst Johannes Bender zu bedenken. So blieb auch bei Munich Re nach den Vertragsverhandlungen im Juli unter dem Strich nur ein Preisplus von 0,1 Prozent hängen. S&P sieht "mehr Gegenwind als Rückenwind für den globalen Rückversicherungssektor".

Zudem belastet der Ukraine-Krieg Versicherer und Rückversicherer. Der Konflikt kann die Branche bis zu 15 Milliarden Dollar kosten, glaubt Fitch-Analyst Brian Schneider. Vieles ist noch unklar, etwa wie viel die in Russland gestrandeten Flugzeuge die Gesellschaften am Ende wirklich kosten werden. Bisher haben die Rückversicherer davon nur einen Bruchteil verbucht. "Aber bis zum Ende des Jahres müssen sie ihre Ukraine-Schäden konkretisieren", sagte Schneider.

Munich Re sieht Atomkraftwerke nicht als grüne Energieform an

Auch die durch den Klimawandel steigenden Naturkatastrophenschäden machen den Rückversicherern große Sorgen. Die Wahrscheinlichkeit von schweren Fluten wie in Europa 2021 oder Hitzewellen, die unter anderem Großbritannien treffen, steige stark an, sagte Munich Re-Vorstand Thomas Blunck.

Munich Re sieht Atomkraftwerke nicht als grüne Energieform an, wie das die Europäische Union tut. Aber Jeworrek nannte Kernkraftwerke eine "wichtige Übergangsenergie". Weniger milde geht Munich Re mit Kohlekraftwerken um. Der Rückversicherer werde Kohleprojekte nicht neu versichern. Bislang habe es keine Anfragen dazu gegeben. In der vergangenen Woche hatten sich große Versicherungsmakler darüber beschwert, dass ihre Kunden für zusätzliche Kohleverstromung nur schwer Versicherungsschutz erhalten.

Bei erneuerbaren Energien will der Rückversicherer sein Engagement weiter ausbauen. Schon jetzt bietet er sogenannte Performance-Garantien für Windkraftanlagen und Solarpaneele an. Damit werden die Betreiber dagegen abgesichert, dass die Anlagen eher als erwartet eine geringere Leistung liefern. Künftig bietet die Munich Re dies auch für Hydrogen-Hersteller an, wenn Elektrolyseanlagen weniger produzieren als berechnet. "2021 wurden weltweit 446 Milliarden Dollar in erneuerbare Energien investiert", sagte Blunck. "Wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, müssen das bis 2030 jährlich 1300 Milliarden Dollar sein", rechnete er vor. Das bedeutet natürlich auch einen gigantischen Markt für Versicherer und Rückversicherer.

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