Berliner Gymnasium:Sexueller Missbrauch an katholischer Eliteschule

Erschütternde Vorwürfe: Zwei Priester haben sich jahrzehntelang an Schülern eines renommierten Jesuitenkollegs vergangen. Die Zahl der Opfer liegt noch im Dunkeln.

Ein Missbrauchsskandal nach Jahrzehnten des Schweigens: An dem katholischen Elitegymnasium Canisius-Kolleg in Berlin soll es in den 70er und 80er Jahren zahlreiche sexuelle Missbrauchsfälle gegeben haben. Bislang seien ihm sieben Fälle bekannt, berichtete der Rektor der renommierten Privatschule, Pater Klaus Mertes, in einer Email der Nachrichtenagentur dpa. Er gehe aber "von einer größeren Dunkelziffer" aus.

Canisius-Kolleg, Berlin, ddp

Das katholische Canisius-Kolleg in Berlin: Hinter diesen Mauern sollen Schüler jahrelang sexuell missbraucht worden sein.

(Foto: Foto: ddp)

Damit bestätigte er einen Bericht der Berliner Morgenpost. Das Canisius-Kolleg wird vom Jesuitenorden geführt. Viele frühere Absolventen sollen heute in führenden Positionen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft tätig sein.

Der Verdacht war bekanntgeworden, weil sich Mertes in einem Brief an etwa 600 ehemalige Schülerinnen und Schüler gewandt hatte. "Mit tiefer Erschütterung und Scham habe ich diese entsetzlichen, nicht nur vereinzelten, sondern systematischen und jahrelangen Übergriffe zur Kenntnis genommen", heißt es darin.

"Das Schweigen brechen"

Dem Bericht der Berliner Morgenpost zufolge waren der Schule bereits in den vergangenen Jahren vereinzelt Vorfälle bekanntgeworden. Neue Berichte ehemaliger Schüler hätten Mertes jedoch überzeugt, dass es sich nicht nur um Einzelfälle gehandelt habe.

Die des Missbrauchs verdächtigten Lehrer sind laut Mertes schon seit langem nicht mehr an der Schule. "Sofern sie noch leben, recherchieren wir", kündigte der Rektor an. Er habe sich nun auch zu dem Brief entschieden, "um einen Beitrag dazu zu leisten, das Schweigen in den betroffenen Jahrgängen zu brechen und den Betroffenen in den Jahrgängen das Sprechen zu ermöglichen".

Zunächst keine Anzeige

Das Berliner Landeskriminalamt leitete unterdessen ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt ein, wie ein Sprecher sagte. Eine Anzeige sei bei der Polizei bislang nicht eingegangen. Allerdings müsse man auch in jedem Einzelfall prüfen, ob die Straftat bereits verjährt sei.

Laut Strafrecht verjährt ein schweres Sexualdelikt nach zehn Jahren. Wenn die Opfer laut Polizei zum Tatzeitpunkt jedoch minderjährig sind, setzt die Frist erst ein, wenn die Opfer 18 Jahre geworden sind. Damit wären die Taten am Berliner Kolleg verjährt, sobald die Schüler 28 Jahre alt wurden. Nach Angaben des Rektors sind die Opfer heute etwa 40 Jahre alt.

Verunsicherte Schüler, verärgerte Eltern

Am Canisius-Gymnasium herrschte am Donnerstag große Unsicherheit. Einige Schüler erzählten, sie hätten erst am Morgen durch die Zeitung von den Missbräuchen erfahren. "Das war keinem Schüler bekannt", sagte ein 19-Jähriger. Im Unterricht habe man daraufhin kurz mit den Lehrern darüber geredet.

Auch viele Eltern erfuhren erst durch die Medien von den Vorwürfen. "Ich finde es sehr problematisch, diese Dinge einige Jahre lang gar nicht bekanntzugeben, obwohl einzelne Fälle bekannt waren", sagte eine Mutter. Es sei jedoch typisch für die Politik der Schule, das positive Image der Schule bewahren zu wollen.

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