Kuzina:Mediterrane Abstraktion

Kuzina: Feine Dekoration statt Fleischberge: die Lammkoteletts mit Joghurt-Minz-Dressing.

Feine Dekoration statt Fleischberge: die Lammkoteletts mit Joghurt-Minz-Dressing.

(Foto: Robert Haas)

Griechische Küche modern und in grenzüberschreitender Form: Das Kuzina in Haidhausen interpretiert traditionelle Gerichte neu. Die Speisekarte ist eher kurz, die Liste der Cocktails lang.

Von Alois Gudmund

Das Mittelmeer, sein Name deutet es an, liegt mittendrin zwischen Orient und Okzident und transportierte immer schon Kulturen und Kulinarien hin wie her. Nehmen wir als Beispiel nur simple Hackfleischbällchen. Keftedes heißen sie auf griechisch, Köfteler auf türkisch, und wie das arabische Pendant Kofta geht der Name auf das persische Wort für "hacken" zurück. Spanier dagegen essen Albóndigas, und schon geht die Reise von den Säulen des Herkules zurück an den Bosporus: Bunduq ist das arabische Wort für die Haselnuss und ähnlich kugelförmige Dinge. Das haben die Araber wiederum von den Griechen, die eine Haselnuss Fundúki nennen, was wiederum darauf verweist, dass die Haselnusssträucher einst am Póntos standen, dem Meer, in diesem Fall dem Schwarzen.

Von dieser großen Tour zurück ins kleine Haidhausen, finden wir auf der Speisekarte des Kuzina, genau: Albóndigas. Zu unserem Erstaunen, weil wir Keftedes erwartet hätten in einem Lokal, das sich "Greek Restaurant & Bar" nennt. Das ist nun weder griechisch noch spanisch noch sonst irgendwie mediterran, demonstriert aber einen Anspruch: Bloß der traditionelle Grieche an der Ecke will das Kuzina offenbar nicht sein.

Sondern anders, moderner. Abstrakte Kunst schmückt die weißen Wände des Gastraums, schwarz gepolstert sind die Bänke und Stühle, kugelförmige Lampen beleuchten unaufdringlich ungedeckte Tische. Über allem herrscht die Bar, hinter der hinauf bis zur Decke ganze Batterien von Flaschen mit meist alkoholhaltigem Inhalt funkeln. Die Liste der hier gemixten Cocktails ist lang.

Lange war die griechische Küche ja eher ein Aschenputtel unter ihren raffinierteren mediterranen Schwestern. Aber sie ist schon einige Zeit dabei, sich zu erneuern. Gyros, Moussaka und Zaziki, dazu billigen Retsina bis zum Abwinken und danach einen Ouzo aufs Haus - was das Land seit Alexis Sorbas' Zeiten den Touristen auftischt, das bekommt man im Kuzina nicht.

Kuzina: Über allem herrscht die Bar. Die Liste der Cocktails ist lang.

Über allem herrscht die Bar. Die Liste der Cocktails ist lang.

(Foto: Robert Haas)

Es ist eine eher kleine Karte, die den Gast hier erwartet. Die Zutaten darauf alle mit Strichen gelistet, wie es derzeit etwas arg angesagt zu sein scheint, ansonsten ist alles sehr übersichtlich: dreimal Fisch, viermal Fleisch, einmal vegetarisch, und viele, viele Vorspeisen.

Natürlich gibt es hier die traditionellen gefüllten Weinblätter (7,80 Euro) - und sie zeigten hier, dass sie so viel mehr sein können als ein essigsaurer Magenfüller, der griechischen Harzwein erst erträglich macht. Die zarten, warmen Blattröllchen lagen auf einem bunten Teller in einem scharf-süßlichen Joghurt mit Rosinen und umhüllten eine Milchreisfüllung, die einem cremigen Risotto glich - viel besser können solche Dolmades nicht sein. Auch die traditionellen Pasten, die gemeinhin zum Pitabrot gereicht werden und sich hier als "Vegane Liebe" (14,50) anschmeicheln, waren mit sonst seltener Sorgfalt bereitet: die tiefdunkel süß-sauer eingelegte Rote Beete, der Hummus, in dem die pürierten Kichererbsen noch leicht körnig prickelten, oder dessen Pendant aus Platterbsen, die Fava, mit Kapern schön verfeinert. Noch heraus aus diesem Quartett stach der knofelig-feine Rauchhauch des Chutney-artigen Auberginen-Aufstrichs.

Kuzina: Die ausgewachsene Form des Fleischbällchens: Bifteki, gefüllt mit Büffelmozzarella.

Die ausgewachsene Form des Fleischbällchens: Bifteki, gefüllt mit Büffelmozzarella.

(Foto: Robert Haas)

Die ebenfalls schön zarten Arme des Oktopus (14,00), elegant gewürzt mit Thymian, ragten aus einer Mixtur aus Linsen und Quinoa, die hier gut dazu passte. Geschärft war das Ganze mit Pimientos, also kleinen spanischen Pfefferschoten. Die Köche überschreiten also ganz gern allzu einengende nationale Küchengrenzen. Womit die herzlichen und kompetenten Kellner die erwähnten Albóndigas (8,00) auf den Tisch brachten, Bällchen aus feinem Rinderhack in einer angenehm scharfen Tomaten-Minz-Sauce, allerdings eher lau als warm.

Fast wie deren ausgewachsene Form, etwa tennisballgroß und gleich doppelt, erschien zum Hauptgang das Bifteki (16,00), gefüllt nicht mit scharfem Feta, sondern mit ungriechischem Büffelmozzarella, der dem würzigen Hacksteak eine mildere, verfeinerte Note verlieh. Und auch der solide Fritto Misto (17,50) - also das knusprig frittierte Meeresgetier - verwies nach Großgriechenland, wie Italien in der Antike hieß. Und zu den wirklich sehr gekonnt auf den Punkt gegrillten, saftigen Baby-Calamari (17,00) gab es noch einmal Quinoa - hier passte das modische Gekörn, etwas zu trocken und zu sehr gepfeffert, nicht so gut dazu.

Kuzina: Unaufdringliche Einrichtung und ein reizender Service: das Kuzina.

Unaufdringliche Einrichtung und ein reizender Service: das Kuzina.

(Foto: Robert Haas)

Fast wie beim traditionellen Griechen fühlten sich Gudmund und seine Mitesser über dem "Kuzina-BBQ-Teller" (17,90), nur dass sich auf diesem Grillteller Lammkoteletts, Schweinsmedaillons, Hähnchenstücke und Hacksteaks nicht zu Fleischbergen türmten, sondern nur ein kleines, feines Hügelchen bildeten. Sogar die Rosmarin-Kartoffeln waren winzig - wie die Portionen der Hauptgerichte überhaupt darauf bemessen waren, einer ordentlichen Vorspeise zu folgen.

Ein mit süßem Sirup satt und sündig durchtränkter Grieskuchen (6,80), der überall an den Gestaden des östlichen Mittelmeers als Revani bekannt ist, passte darum auch noch rein. International, eher von deutschen als griechischen Gewächsen geprägt, ist auch die Liste der offenen Weine, wobei ein spritziger Weißer der autochthonen Rebsorte Moschofilero (7,50 für 0,2 Liter) zeigte, das griechische Weine eben längst nicht mehr alle so schwer sind wie das Blut der Erde.

Kuzina, Kellerstraße 32, 81667 München, Telefon: 089/44488770, Öffnungszeiten: Montag bis Samstag von 17.30 bis 0 Uhr.

Die SZ-Kostprobe

Die Restaurant-Kritik "Kostprobe" der Süddeutschen Zeitung hat eine lange Tradition: Seit 1975 erscheint sie wöchentlich im Lokalteil, seit einigen Jahren auch Online und mit einer Bewertungsskala. Etwa ein Dutzend kulinarisch bewanderter Redakteurinnen und Redakteure aus sämtlichen Ressorts - vonMünchen, Wissen bis zur Politik - schreiben im Wechsel über die Gastronomie in der Stadt. Die Auswahl ist unendlich, die bayerische Wirtschaft kommt genauso dran wie das griechische Fischlokal, die amerikanische Fast-Food-Kette, der besondere Bratwurststand oder das mit Sternen dekorierte Gourmetlokal. Das Besondere an der SZ-Kostprobe: Die Autorinnen und Autoren schreiben unter Pseudonym, oft ist dies kulinarisch angehaucht. Sie gehen unerkannt etwa zwei- bis dreimal in das zu testende Lokal, je nachdem wie lange das von der Redaktion vorgegebene Budget reicht. Eiserne Grundregeln: hundert Tage Schonfrist, bis sich die Küche eines neuen Lokals eingearbeitet hat. Und: Nie bei der Arbeit als Restaurantkritiker erwischen lassen - um unbefangen Speis und Trank, Service und Atmosphäre beschreiben zu können.

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