Basketball-EM:Die Solokünstler schauen zu

Luka Doncic Basketball-EM

Luka Dončić kann's nicht fassen: Er verlor mit seinen Slowenen bei der EM gegen Polens Basketballer.

(Foto: Maja Hitij/Getty Images)

Jokić, Antetokounmpo und jetzt Dončić: Die bekanntesten Basketballer des Turniers sind allesamt raus - das Spiel entwickelt sich bei der EM so, dass Hochbegabte allein keinen Erfolg mehr garantieren.

Von Jonas Beckenkamp

Die Geschichte des Basketballs ist gespickt mit Verrücktheiten aller Art, aber in dieser geballten Form bei einem Turnier? So langsam kommt man gar nicht mehr hinterher beim Abhaken jener Bekanntheiten, die sich von dieser Europameisterschaft in aller Unfreiwilligkeit verabschieden. Einige der angesagtesten Körbewerfer der Welt sind in Berlin gescheitert, ausgeschieden mit ihren Teams - und das noch vor dem Halbfinale.

Nach Nikola Jokić, dem wertvollsten Profi der NBA, Griechenlands Muskelberg Giannis Antetokounmpo hat es nun Luka Dončić mit seinen Slowenen erwischt: Das 87:90 gegen Außenseiter Polen im Viertelfinale ließ den Zauberwerfer aus Dallas schockiert und körperlich verbeult zurück. Dabei hatten sie beim Titelverteidiger das Finale fest eingeplant. Sogar eine Doku sollte auf dem Weg dorthin entstehen, die Kameras begleiteten die Slowenen stets.

Doch nun? "Ich habe heute schrecklich gespielt", grummelte Dončić auf der Pressekonferenz nach dem Aus, als er sich nach reger Empörung über die Schiedsrichter etwas beruhigt hatte. "Ich habe mein Team und das ganze Land im Stich gelassen. Das geht voll auf mich." Während die Polen eine weitere Riesenüberraschung bei dieser EM ausgiebig feierten, war Dončić wie die meisten seiner Kollegen außer sich wegen einer Szene in der letzten Sekunde.

Dončić hadert mit sich und wieder einmal mit den Schiedsrichtern bei dieser Basketball-EM

Sloweniens Klemen Prepelič hatte einen Verzweiflungs-Dreier von der Mittellinie zum möglichen Ausgleich versucht, dabei rempelte ihn sein Gegenspieler gehörig um. Der Pfiff zu drei Freiwürfen blieb aus, die Partie endete mit einem Rumms fürs europäische Basketballtableau. Dončić haderte gegen die Polen mit seiner bislang schwächsten Leistung. Die Statistiken wiesen bei ihm zwar 14 Punkten, elf Rebounds und sieben Assists aus, doch dazu kamen sechs Ballverluste und etliche Würfe ins Niemandsland. Als die Partie sich nach einem Comeback der Slowenen zu einem Thriller entwickelte, musste er mit fünf Fouls vom Feld.

"Ich war nicht bei 100 Prozent. Ich habe im dritten Viertel eine Spritze bekommen", räumte der 23-Jährige ein, der auf dem Parkett arg mitgenommen aussah. Dass mit ihm die nächste Attraktion der Wettkämpfe in Berlin nach Hause fährt, dokumentiert das gestiegene Niveau im Rest Europas. "Diese EM war großartig anzuschauen, das Level ist unglaublich", fand auch Dončić. Dabei fällt auf, dass Solokünstler und NBA-gestählte Akteure nicht mehr alleine Erfolge garantieren.

Dončić mag in der Vorrunde 47 Punkte gegen Frankreich erzielt haben - im Halbfinale stehen nun aber die Franzosen. Und die Polen, die ohne einen einzigen NBA-Mann und sogar ohne Spieler aus der Euroleague antreten - wohl aber mit Mateusz Ponitka, der mit 26 Zählern, 15 Rebounds und zehn Assists ein Triple Double gegen die Slowenen schaffte. Im deutschen Team verteilt sich die Last auf viele Köpfe, auch wenn Franz Wagner (Orlando Magic) und der zuletzt vertragslose Dennis Schröder ihre Power aus den USA natürlich zur Schau stellen. Und selbst bei Halbfinalgegner Spanien heißen die Spielentscheider mitunter Rudy Fernández (Real Madrid) oder Lorenzo Brown (Maccabi Tel Aviv).

Sind es am Ende also gar nicht die großen Namen aus der NBA, die diese EM prägen? Sondern entwickelt sich das Spiel mehr und mehr Richtung Gemeinschaftlichkeit? Zumindest Bundestrainer Gordon Herbert würde den Fokus gerne ein wenig vom Kult um die drei Großkopferten wegrichten. "Es wurde viel über Dončić, Giannis und den Joker (Jokić; Anm. d. Red.) gesprochen", sagte der Coach am Mittwoch im Mediengespräch und nannte mit Schröder jemanden, den er bei der EM auf ähnlichem Level sieht: "Ich denke, wir müssen über Dennis sprechen, wenn es um die besten vier, fünf Spieler geht."

Nach anfänglichen Wacklern bei seiner Trefferquote steigerte sich der DBB-Spielmacher und legte gegen die Griechen 26 Punkte auf. Schröders Spiel mag immer noch vom Eins-gegen-eins geprägt sein, aber er hat sich auch in Sachen "Leadership" entwickelt, eines seiner Lieblingsworte in Berlin.

"Er hat nicht nur gut gespielt", betont Herbert, "seine Führungsqualitäten sind hervorragend. Er ist jemand, der als Point Guard das Spiel diktieren kann." Das gelang Dončić nicht immer, zu viel kaprizierte sich bei ihm auf die Variante "Kopf-durch-die-Wand", zu oft verhaspelten sich er und NBA-Kollege Goran Dragić mit ewigen Schiedsrichter-Beschwerden. Und auch Antetokounmpo stand sich mit seinen Undiszipliniertheiten gegen die Deutschen am Ende selbst im Weg (ebenso wie die Serben, die gegen Italien plötzlich keine Lust auf Verteidigung hatten).

Vielleicht ist das die Erkenntnis: In Europa gelangt der Basketball an eine Schwelle, an der einzelne Hochbegabte mit dem Extraquäntchen NBA-Können nicht mehr automatisch Dominanz versprechen. Es braucht mehr als den einen, der vom Parkplatz aus trifft, und es klappt nicht, wenn Mannschaften zu sehr auf Einzelkönner zugeschnitten sind. Oder wie es Spaniens Nationaltrainer Sergio Scariolo formulierte, als er über Schlüsselqualifikationen seiner Spieler sprach: "Bei uns geht's um Selbstlosigkeit, wir suchen immer den freien Mann und bewegen den Ball." Von allen Halbfinalisten kommen die Spanier übrigens auf die meisten Assists als Team.

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