Nationalmannschaft:Flicks Laufsteg für die Weihnachts-WM

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Bundestrainer Flick steht kurz vor seiner ersten WM-Nominierung als Chef. (Foto: Christof Stache/AFP)

Ein 20-Jähriger wird überraschend nominiert, ein scheinbar Ausgemusterter lebhaft gewürdigt: Der Bundestrainer setzt beim Aufgebot für die letzten Tests vor der Katar-WM unerwartete Zeichen.

Kommentar von Philipp Selldorf

Mehr als 77 000 Menschen besuchten am vorigen Freitag das Super-Cup-Endspiel zwischen Al Hilal aus Saudi-Arabien und Zamalek aus Ägypten im Stadion Lusail in Katar. Bei der Einweihung der WM-Endspiel-Arena trugen sie zu einem nationalen Rekord bei: Nie zuvor hatte es in dem arabischen Kleinstaat eine Veranstaltung mit so vielen Besuchern gegeben.

Nicht alle Anwesenden werden allerdings hinterher von dem im Elfmeterschießen entschiedenen Spiel und dem Auftritt des berühmten ägyptischen Sängers Amr Diab geschwärmt haben. Ihr Thema waren stattdessen die Probleme beim Einlass, bei der Heimreise und der Versorgung mit Getränken - gravierende Probleme, wie örtliche Medien berichteten. Am Stadion und an den Zugängen zur Metro entstanden Schlangen mit Wartezeiten wie am Berliner Flughafen zu Ferienbeginn. Lokaltypisch garniert mit hohen Temperaturen und noch höherer Luftfeuchtigkeit. Die Organisatoren fanden das alles nicht so schlimm: Sie priesen die "unschätzbar wertvollen Erfahrungen" des Abends.

Armel Bella-Kotchap spielte im Vorjahr noch für Bochum, nun tritt er für Southampton an - und steht vor seinem Nationalelf-Debüt. (Foto: G. Hubbs/Beautiful Sports/Imago)

Hierzulande mag man meinen, man habe daheim mit dem eigenen Nahverkehr genug Scherereien, aber dabei wird die Tatsache übersehen, dass bald die WM in Katar startet. In wenig mehr als zwei Monaten eröffnet der Gastgeber mit dem Spiel gegen Ecuador das Turnier, und dann werden sämtliche Aspekte des politischen, öffentlichen und sonstigen Lebens in Katar die Welt bewegen. Hansi Flick ist seinen Landsleuten da schon um einiges voraus, er befindet sich bereits "absolut im WM-Modus", wie er am Donnerstag berichtete.

Mats Hummels wirke "sehr fit", hält Bundestrainer Flick fest

Die skurrile Gleichzeitigkeit des nahenden Turnierstarts und der just in Fahrt kommenden Bundesliga- und Europacup-Saison nutzt der Bundestrainer, um den Wettbewerb für die Plätze im WM-Kader anzutreiben. Bei der Vorstellung des Aufgebots für die letzten beiden Länderspiele vor der Abreise nach Arabien (gegen Ungarn am 23. September und in England am 26. September) setzte Flick unerwartete Zeichen. So nominierte er einen Spieler, an den außer ihm wirklich niemand gedacht hatte, den 20-jährigen Verteidiger Armel Bella-Kotchap, der im vorigen Jahr dem VfL Bochum angehörte und nun dem FC Southampton beigetreten ist.

Auffallend lebhaft würdigte Flick außerdem die jüngste Entwicklung eines anderen Verteidigers, an den zu denken sich die meisten Freunde der Nationalelf bereits abgewöhnt hatten. Mats Hummels jedoch, findet Flick, "wirkt sehr fit" zurzeit und teilt daher mit den Weltmeister-Kollegen Mario Götze und Julian Draxler eine womöglich hoffnungsvolle Perspektive. Ihnen allen stehe die Tür nach Katar noch offen, versichert Flick. Für den Bundestrainer ist der laufende Spielbetrieb ein Laufsteg, auf dem sich seine Kandidaten anbieten.

Beim anstehenden WM-Turnier wird zunächst alles ein bisschen anders sein, als es die Beteiligten aus der DFB-Geschichte kennen: Die gewohnte Vorbereitung in der Tiroler Sommerfrische entfällt aus saisonalen und terminlichen Gründen, denn am Tag vor dem Abflug an den Golf trägt die Bundesliga noch zwei Spiele aus; statt wie üblich 23 Spieler darf der Bundestrainer 26 mitnehmen, das finale Testspiel schiebt man auf der Durchreise im benachbarten Sultanat Oman dazwischen, und das Adventssingen muss am Hotelpool bei 30 Grad stattfinden. Klingt alles noch sehr unwirklich, aber in bloß 65 Tagen geht es los in Katar.

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