"Tatort" aus Stuttgart:Innere Kehrwoch'

"Tatort" aus Stuttgart: Thorsten Lannert (Richy Müller, re.) und Sebastian Bootz (Felix Klare) müssen einen Fall von Fahrerflucht mit Todesfolge aufklären.

Thorsten Lannert (Richy Müller, re.) und Sebastian Bootz (Felix Klare) müssen einen Fall von Fahrerflucht mit Todesfolge aufklären.

(Foto: Benoît Linder/SWR)

Ein klassischer Plot mit Ermittler-Routiniers - und trotzdem eine ausgesprochen gut funktionierende Story um Schuld und Angst rund um die Fahrerflucht.

Von Holger Gertz

Die Geschichte in diesem Tatort ist, natürlich mit Abwandlungen, in der deutschen Krimihistorie schon ein paar Mal erzählt worden. In der Derrick-Folge "Abitur" (1978) fährt auf einer Landstraße ein Lehrer einen Mann an und begeht Fahrerflucht. So ähnlich ist der Plot im Klassiker "Blechschaden", dem ersten Tatort des jüngst verstorbenen Regisseurs Wolfgang Petersen von 1971. Unkonzentrierter Mann überfährt Jugendlichen, begeht Fahrerflucht und erfährt später, dass der Angefahrene noch gelebt hat: Er hat den Mann also verbluten lassen. Das ist eine schwere Schuld, die von da an auf ihm lastet.

Im Stuttgarter Tatort "Der Mörder in mir" von Niki Stein erfasst der mit dem dicken Auto heranrasende Anwalt Ben Dellien (Nicholas Reinke) einen Wohnsitzlosen und lässt ihn am Straßenrand liegen, der Anwalt war unter Druck: der Job, die kleinen Kinder. Und jetzt ist, von einer Sekunde auf die andere, das Leben kaputt, beziehungsweise es ist nur dann kaputt, wenn ihm die Tat auch nachzuweisen ist. Also versucht Dellien auf teilweise abenteuerliche Weise, Spuren zu verwischen, aber er verstrickt sich immer tiefer. Denn in allen Fahrerflucht-Krimis, dem Derrick und den beiden Tatorten, gibt es Zeugen beziehungsweise Mitwisser, die ihrerseits entscheiden müssen, wie sie sich verhalten - da entsteht dann sozusagen eine zweite Ebene der Schuld.

Fein ausgeleuchtet: die Atmosphäre der durchkomponierten Gutverdiener-Familie

Die Story ist schnörkellos und klar strukturiert, der Zuschauer weiß mehr als die Kommissare. Die Atmosphäre der komplett durchkomponierten Gutverdiener-Familien, bei denen die Namen der Kinder alle mit dem gleichen Buchstaben anfangen, wird sehr fein ausgeleuchtet, es ist eines dieser Stücke, bei denen nicht die Frage im Vordergrund steht: Wer beging die Tat? Sondern: Was macht die Tat mit dem Täter? Hier quält sich der reuevolle Dellien, weiht seine Frau Johanna (Christina Hecke) ein, die ihm beizuspringen versucht: "Du hasch den doch nicht mit Absicht umgebreddert." Aber das verfängt alles nicht, die Last dieser Schuld ist enorm, und die patente Gattin muss lernen: Man bringt sich und seinen Partner mit einer inneren Kehrwoch' nicht wieder ins Reine.

Ein klassischer Tatort mit den Ermittler-Routiniers Lannert und Bootz (Richy Müller und Felix Klare), der ausgesprochen gut funktioniert. Mal abgesehen davon, dass die neue Kommissarsanwärterin Begriffe wie Cybercrime auf Schwäbisch sagen muss und auch sonst als reine Klischee- und sogar Witzfigur angelegt ist. Da war man in der deutschen Krimihistorie schon mal weiter.

Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.

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