Versteckte Preiserhöhungen:Die Politik hilft beim Mogeln mit

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(Foto: Verbraucherzentrale Hamburg)

Unternehmen tricksen, wo es geht, und nutzen die Lücken in den Gesetzen sogar in Inflationszeiten. Zeit, dass die Vorschriften geändert werden.

Kommentar von Johannes Bauer

Beim Markenverband, der rund 400 deutsche Markenfirmen vertritt, hat man offenbar eine rührende Vorstellung vom deutschen Verbraucher. Brave Bürgerinnen und Bürger, die sich zu Hause an den Küchentisch setzen, ihre Lesebrille aus dem Etui nehmen und in aller Ruhe den nächsten Einkauf planen. Immer mit dabei: die Supermarktprospekte der vergangenen fünf Jahre, mit deren Hilfe sofort auszumachen ist, wie viel ein Produkt gekostet hat und ob es auf den Kilo- oder Literpreis gerechnet teurer geworden ist. Kaum vorzustellen, dass da jemand auf versteckte Preiserhöhungen reinfallen könnte!

Anders ist es jedenfalls nicht zu erklären, dass Alexander Dröge, Geschäftsführer der Lobbyvereinigung, allen Ernstes den Grundpreis am Supermarktregal als wirkungsvollen Verbraucherschutz anpries. "Da wird nichts gemogelt oder versteckt", fügte er hinzu, als er nach den Tricksereien von Herstellern und Händler gefragt wurde und ob eine Transparenzplattform notwendig sei, um diese zu unterbinden.

Zwei Jahre sind diese Aussagen nun her, und mag die Pandemie auch einige Gewissheiten infrage gestellt haben, eins ist so sicher wie die Corona-Infektion auf dem Oktoberfest: Getrickst, gemogelt und geschummelt wird im Supermarkt noch immer, in der aktuellen Krise womöglich sogar mehr als je zuvor und immer häufiger nicht nur von Herstellern, sondern auch von Händlern. Höchste Zeit also, dass die Politik dagegen vorgeht und die Shrinkflation-Masche durch strengere Vorgaben endlich eindämmt. Denn die Praxis, Mogelpackungen mit weniger Inhalt zum gleichen Preis zu verkaufen, ist mittlerweile viel zu weit verbreitet - das zeigt nicht zuletzt die Mogelpackungsliste der Verbraucherzentrale Hamburg, auf der sich in fünf Jahren rund 1000 Einträge angesammelt haben. Schuld am Umsichgreifen der Schummeleien sind natürlich Hersteller und Händler auf ihrer Jagd nach höheren Margen. Doch es ist die Politik, die jahrelang vor den mächtigen Lobbyverbänden der Industrie gekuscht und den Betrügereien am Kunden dadurch erst Tür und Tor geöffnet hat.

Dabei ist der finanzielle Druck auf Verbraucher schon enorm hoch. Natürlich liegt es eher an den sprunghaft gestiegenen Heiz- und Tankkosten, dass Menschen derzeit in existenzielle Nöte geraten. Der Erfolg mag umstritten sein, aber in diesen beiden Bereichen versucht die Politik immerhin Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Dafür zeigt sich die hohe Inflation im Supermarkt noch mal stärker als in anderen Lebensbereichen - und zwar nicht nur in offenen, sondern vor allem in versteckten Preiserhöhungen, die dem Kunden untergejubelt werden sollen.

Es ist unwürdig, was von Verbraucherinnen und Verbrauchern erwartet wird

Trotzdem hält sich der Gesetzgeber mit Eingriffen allzu höflich zurück. Allein darauf angewiesen zu sein, Preise immer akribischer miteinander vergleichen und im Internet nach Erfahrungsberichten geprellter Kunden zu suchen, ist unwürdig. Mit ihrer Zurückhaltung lasse die Politik die Verbraucher im Stich, stellte Armin Valet zuletzt fest. Wieder einmal. Schon seit 2005 beschäftigt sich der Verbraucherschützer mit Shrinkflation. Und obwohl das Problem so lange bekannt ist, habe es eine Koalition nach der anderen am politischen Willen vermissen lassen, bei der Unterscheidung zwischen Betrügerei und strafbarem Betrug zugunsten der Verbraucher nachzubessern.

Das wäre nicht mal schwierig, nur ein bisschen um die Ecke gedacht. Auf Bundesebene könnte der Gesetzgeber die Verpackungsordnung ändern und so dafür sorgen, dass Produkte mindestens bis zu einem bestimmten Anteil des Verpackungsvolumens gefüllt sein müssten. Hersteller und Händler, die den Inhalt schrumpfen, könnte man so dazu verpflichten, auch die Verpackung zu verkleinern. Noch gilt für den erlaubten Luftanteil in Packung eine Grenze von 30 Prozent, die auf einer fast 40 Jahre alten Verwaltungsrichtlinie basiert.

Verbraucherschutz wäre an dieser Stelle auch Umweltschutz. Denn wer die Inhaltsmenge schrumpft, aber die Packungsgröße beibehält, schadet nicht nur den Verbrauchern, sondern belastet durch die Ressourcenverschwendung auch unnötig die Umwelt. Der Markt soll ruhig regeln dürfen, aber mehr in dem Sinne, dass einzig Preis, Qualität und Marketing die Kriterien für den Erfolg eines Produkts sind - und nicht auch noch das geschickteste Schummeln bei der Füllmenge.

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