Öffentlicher Nahverkehr:Schrittmacher für Münchens Trambahnen

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Ein Mitarbeiter der MVG prüft das Rad einer Tram in der neuen Interimswerkstätte an der Ständlerstraße. (Foto: Robert Haas)

Das "Herzstück" des Straßenbahnnetzes ist arg in die Jahre gekommen - der Betriebshof. Für 400 Millionen Euro soll ein neuer gebaut werden. Ein erster Schritt ist jetzt geschafft.

Von Patrik Stäbler

Noch vor 50 Jahren galt die Straßenbahn in München als Auslaufmodell - so wie auch in Hamburg und West-Berlin. Überall dort wollte die Stadtpolitik allein auf U- und S-Bahn setzen, während die Tramgleise sukzessive verschwinden sollten.

Nicht zuletzt aufgrund massiver Bürgerproteste begann dann jedoch in den 1980er-Jahren ein Umdenken im Münchner Rathaus. Und so gehört die Straßenbahn heute nicht nur fest zum Stadtbild und befördert auf 13 Linien jährlich circa 70 Millionen Fahrgäste. Sondern nach einem Beschluss des Stadtrats soll das Münchner Tramnetz in den kommenden Jahren auch für mehrere Hundert Millionen Euro ausgebaut werden.

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Ausgerechnet das "Herzstück der Münchner Straßenbahn" sei von dieser Renaissance jedoch unberührt geblieben, sagt Ingo Wortmann. Der Chef der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) meint damit den Trambetriebshof an der Ständlerstraße, wo die städtischen Straßenbahnen gewartet und repariert werden. "Man hat an den Werkstätten gesehen, dass wir hier noch in einer Situation der Vergangenheit sind", beklagt Wortmann. Doch das soll sich nun ändern.

Für 400 Millionen Euro will die MVG auf dem circa 100 Hektar großen Areal zwischen Ständler- und Lauensteinstraße einen neuen Trambetriebshof bauen. Ein erster Teil dieses Großprojekts ist nun geschafft - und mithin der Grund, weshalb Ingo Wortmann und andere MVG-Beschäftigte an diesem Freitag zusammengekommen sind. Denn sie feiern die Eröffnung der sogenannten Interimswerkstätten, die als Übergangslösung bis zur Fertigstellung des Trambetriebshofs dienen.

Mehr als nur ein Parkplatz für Trambahnen: Rund 20 Millionen Euro haben die neuen Hallen gekostet. (Foto: Robert Haas)

Rund 20 Millionen Euro haben die neuen Hallen gekostet, die für einen Betrieb von sechs bis acht Jahren ausgelegt sind. "Wir haben jetzt ein Provisorium geschaffen und können aufatmen", sagt Wortmann. "Denn hier kann man gescheit arbeiten."

Genau das war zuvor nicht der Fall, nachdem 2018 Mängel in der Bausubstanz der bisherigen Montagehalle entdeckt worden waren. Diese musste in der Folge gesperrt werden, was zu erheblichen Einschränkungen im Betrieb führte. Dank der Interimswerkstätten könne man nun wieder mehr Fahrzeuge in kürzerer Zeit instandsetzen, freut sich Oliver Glaser, der bei der MVG den Bereich Schiene verantwortet. "Für die Fahrgäste hat das ein stabileres Angebot mit weniger Ausfällen zur Folge, für unsere Werkstatt eine höhere Produktivität."

Zudem sind die neuen Hallen eine Voraussetzung für den Startschuss zu einer "langwierigen Operation am offenen Herzen", wie Oliver Glaser den Neubau des Trambetriebshofs nennt. Mit diesem beschäftigt sich die MVG bereits seit 2015. Drei Jahre später mussten die Pläne infolge des gestiegenen Bedarfs überarbeitet und das komplette Gelände bis zur Lauensteinstraße in die Überlegungen mit einbezogen werden - also auch die Sportanlagen im Süden, das bisherige Vereinsgelände des SV Stadtwerke München.

Dessen Fußballer haben sich vor Kurzem endgültig von ihrer langjährigen Heimat verabschiedet. Nun laufe dort der Abbruch der Sportplätze sowie der Sporthalle, sagt Projektleiter Andreas Lindner. Nächstes Jahr solle der Abbau der Gleisbauhallen folgen, sodass Anfang 2024 die Arbeiten für den eigentlichen Trambetriebshof anlaufen können. Dieser werde nicht nur neue Werkstätten und Lagerkapazitäten umfassen, sondern auch Abstellplätze für 100 Fahrzeuge, sagt Lindner. "Insgesamt entsteht auf dem Gelände eine Gleislänge von zehn Kilometern."

Aktuell befindet sich das Vorhaben laut dem Projektleiter in der letzten Phase der Entwurfsplanung; Anfang 2023 soll das Genehmigungsverfahren starten. "Lärmschutz, Umweltschutz und Naturschutz werden da wichtige Themen sein", kündigt Lindner an. Er verspricht eine umfassende Bürgerbeteiligung, unter anderem seien Workshops und ein Infostand auf dem Gelände geplant. Schon an diesem Montag finde ein erster Rundgang mit Anwohnerinnen und Anwohnern statt, im Oktober werde dann eine öffentliche Informationsveranstaltung folgen. Zudem geht diese Woche eine Webseite zu dem Projekt online - auf mvg.de/bhs.

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