Flughafen München:Wie die Kunst den Krisen zum Opfer fällt

Flughafen München: Stephan Hubers hängender Brunnen "Die Alpen" im Flughafen München ist seit dem ersten Corona-Lockdown versiegt.

Stephan Hubers hängender Brunnen "Die Alpen" im Flughafen München ist seit dem ersten Corona-Lockdown versiegt.

(Foto: Petra Lüer)

Im Corona-Lockdown hat der Münchner Flughafen den "Alpen-Brunnen" von Stephan Huber und den "Lightway" von Keith Sonnier abgeschaltet - und will beide in Zeiten der Energiekrise nicht wieder anschalten. Geht es hier um Betriebskosten?

Von Evelyn Vogel

Französische Museen hat es als erste getroffen. Doch auch in Deutschland und anderen Ländern befürchten Museumsleute, dass es zu einem Energie-Lockdown kommen könnte. Dabei ist längst nicht ausgemacht, wie weit unter konservatorischen Gesichtspunkten ein Ausstellungshaus heruntergefahren werden kann und was das an Energieeinsparung bringt. Ganz zu schweigen davon, dass es ja auch konträre Überlegungen gibt, Museen und andere Kultureinrichtungen als "Wärmestuben" weiter gut beheizt geöffnet zu lassen. So mancher dürfte sich in diesen Tagen tatsächlich informieren, wie viel eine Dauerkarte fürs Museum kostet.

Auch bei Unternehmen, die Kunst für alle oder auch nur für Mitarbeiter zugänglich machen, wird aktuell die Frage nach den Unterhaltskosten gestellt. Bei einem Kunstwerk im Flughafen München geht es um einige Zehntausend Euro, mindestens 20 000, vermutlich mehr. Die müsste die Münchner Flughafengesellschaft aufbringen, um die als "Alpen"-Brunnen bekannte Arbeit von Stephan Huber im Terminal 1 wieder in Betrieb zu nehmen. Doch sind das nicht Peanuts im Vergleich zu den Betriebskosten eines Flughafens? Dass der Brunnen aktuell nicht sprudelt, ist eine Folge der Corona-Pandemie. Seit dem ersten Lockdown war das Terminal 1 vorübergehend mehrfach stillgelegt worden, um Kosten zu sparen. Auch wenn der Laden nun wieder brummt, wer durch T1 geht, stellt fest, dass bei Weitem nicht alles so ist wie vor der Pandemie. Das eine oder andere Geschäft wirkt verwaist, einige Cafés und Restaurants sind noch immer geschlossen. Dass da manches Kunstwerk, das Betriebskosten verursacht, nicht reaktiviert wurde, wird nur als Randerscheinung wahrgenommen - wenn überhaupt.

Flughafen München: Der "Lightway" von Keith Sonnier leitete die Passagiere im Flughafen München seit 1992 durchs Terminal 1. Im Corona-Lockdown 2020 wurde auch die Neoninstallation des berühmten amerikanischen Lichtkünstlers abgeschaltet.

Der "Lightway" von Keith Sonnier leitete die Passagiere im Flughafen München seit 1992 durchs Terminal 1. Im Corona-Lockdown 2020 wurde auch die Neoninstallation des berühmten amerikanischen Lichtkünstlers abgeschaltet.

(Foto: Peter Bauersachs)

Denn ebenso wie Hubers "Alpen"-Brunnen im Lockdown trockengelegt wurde, dämmert seither auch eine andere Arbeit im Dornröschenschlaf vor sich hin: Keith Sonniers berühmter "Lightway". Die bunte, 1,2 Kilometer lange Neon-Arbeit des US-Amerikaners hat seit der Eröffnung des Münchner Airports im Jahr 1992 Millionen von Besuchern durchs T1 geleitet. Dezent an manchen Stellen, kraftvoll hell und inspirierend an anderen. Keith Sonnier ist vor zwei Jahren gestorben und kann gegen die Abschaltung seiner Kunst nicht mehr persönlich protestieren. Huber schon.

Zwischenzeitlich hatte ihn nämlich eine Information seitens des Flughafens erreicht, dass man überlege, den Alpen"-Brunnen einem neuen Standort, einer veränderten Nutzung oder sogar dem Abbau zuzuführen. Das Kunstwerk besteht aus drei Teilen und erstreckt sich über drei Stockwerke: Oben die als Mosaik umgesetzte Ansicht eines schneebedeckten Bergpanoramas, darunter eine blaue Glasplatte, über die sich das Wasser ergießt, als ob das ewige Eis schmelzen würde, unten ein Auffangbecken für das Wasser. Ein hochaktuelles Symbol für die schmelzenden Gletscher in Zeiten der Erderwärmung und des Klimawandels.

Stephan Huber: "Für einen Flughafen einer Kulturstadt unwürdig"

In einem Telefonat mit einem Vertreter des Flughafens, erzählt Huber, wurde ihm angedeutet, dass man vielleicht nur das Mosaik mit dem Alpenpanorama behalten und an anderer Stelle installieren wolle. Der Künstler lehnt ein solches Ansinnen ab und findet den Umgang mit seinem Kunstwerk "für einen Flughafen einer Kulturstadt unwürdig", noch dazu wo die Landeshauptstadt Mit-Gesellschafter des Flughafens ist. Doch die Stadt fühlt sich für das Objekt nicht zuständig, da es nicht im Rahmen eines städtischen Wettbewerbs für Kunst am Bau entstanden ist. Ursprünglich waren "Die Alpen" im Besitz der Hypo-Vereinsbank, die es dem Airport zunächst als Leihgabe zur Verfügung stellte. 2006 sollte dem Brunnen schon einmal das Wasser abgedreht werden. Damals hieß es, die jährlichen Wasser- und Wartungskosten in Höhe von etwa 20 000 Euro, wolle die Bank sich sparen. Am Ende ging Hubers Kunstwerk per Schenkung ins Eigentum des Flughafens über.

Für Huber hat der hängende Brunnen eine ganz besondere Bedeutung: Als er ihn 1992 schuf, war es eines der ersten Berg-Motive, das er für eine Arbeit verwendete. Bis heute gehören die Alpen zum festen Bildkanon des 1952 im Allgäu geborenen Bildhauers und Objektkünstlers, der nicht nur Documenta- und Venedig-Biennale-Teilnehmer war, sondern seit 2004 eine Professur an der Akademie der Bildenden Künste München innehat und vielfach ausgezeichnet wurde.

Der Information, dass Hubers Werk abgebaut werden solle, widerspricht der Leiter der Flughafen-Pressestelle, Ingo Anspach: Ihm sei nicht bekannt, dass man "Die Alpen" deinstallieren wolle. Allerdings prüfe man derzeit den Sanierungsaufwand und lasse die Kosten schätzen. Eine solche Schätzung liege jedoch noch nicht vor. Huber rechnet mit 59 000 Euro für die Reinigung, Sanierung und einen vorläufig zweijährigen Unterhalt. Denn da ihm seine Kunst wichtig ist, hat der Künstler eine Fachfirma mit einer Kostenschätzung beauftragt und überlegt, ob er das Geld irgendwie selbst, vielleicht mittels Crowdfunding aufbringen soll. Zugleich bringt ihn der Gedanke jedoch zur Verzweiflung, dass ein Künstler für die Renovierung und den Unterhalt eines Kunstwerks, das im öffentlichen Raum ausgestellt und nicht mehr sein Eigentum ist, selbst zuständig sein soll.

Was den finanziellen Unterhalt von Keith Sonniers "Lightway" betrifft, geht der Flughafen von früheren Zahlen aus. Danach belaufen sich die Wartungskosten auf etwa 8500 Euro, hinzu kommen die Stromkosten. Ob eine Sanierung notwendig ist oder wie hoch der Aufwand dafür wäre, dazu gibt es keine Informationen. Man sei aber zuversichtlich, dass der "Lightway" irgendwann wieder angeschaltet werde. Generell würden aufgrund der finanziellen Einbrüche des Flughafens infolge der Pandemie alle Investitionen auf den Prüfstand gestellt, soweit diese nicht unmittelbar betriebsnotwendig seien.

Im Hinblick auf die kommende Energiekrise dürfte sich an dieser Haltung von Unternehmen in nächster Zeit wohl kaum etwas ändern. Bleibt zu hoffen, dass die öffentliche Hand ihrem Beispiel nicht folgt und energieintensive Kunstwerke in Museen abschaltet.

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