Bräurosl auf der Wiesn:Ins große, weite Zelt hinaus

Lesezeit: 3 min

Die Küche in der Bräurosl braucht noch etwas, um sich einzuspielen. Die Rohrnudel mit Zwetschgenröster fällt etwa nur in die Kategorie "Passt schon". (Foto: Stephan Rumpf)

Peter Reichert betreibt das Donisl am Marienplatz und setzt auf bayerische Tradition. Wie funktioniert das nun auf der Wiesn? Dort hat er gerade die Bräurosl übernommen.

Von Pep Rooney

Dieses Jahr, so war häufig zu lesen, gibt es auf der Wiesn nur relativ wenige Neuheiten. Während in normalen Jahren stets mindestens ein innovatives und Aufsehen erregendes Fahrgeschäft neue Technikrekorde zu brechen versprach, hielten sich die Schausteller nach zwei Jahren Corona-Zwangspause diesmal zurück. So war die spektakulärste Neuigkeit vielleicht schon allein die Nachricht im April, dass das Oktoberfest überhaupt stattfinden wird. Gleich danach auf der Skala der mehr oder minder aufregenden Wiesn-News kam dann aber schon die Bräurosl. Hier ist wirklich alles neu: Das luftig gestaltete Zelt ist mit 15 Metern das höchste auf der Wiesn, es hat nun eine umlaufende Galerie und wirkt im Vergleich zu manch älterem Zelt einladend und freundlich.

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Als Festwirt hat Peter Reichert die Familie Heide abgelöst, die vor zwei Jahren beschlossen hat, sich von der Wiesn zurückzuziehen. Reichert, ehedem Wirt der Schönheitskönigin auf der Oidn Wiesn und aktueller Betreiber des Donisl am Marienplatz, ist nicht nur als Gastronom bekannt, sondern auch als Musikant. Und das Konzept des Donisl, das sehr stark auf die Rückbesinnung zur echten bayerischen Tradition setzt, hat er nun in größerem Maßstab mit auf die Wiesn genommen. Dass das nicht in allen Punkten funktioniert, hat sich allerdings schnell herausgestellt. Die Blasmusik am Abend kam bei vielen überhaupt nicht gut an, weshalb es fortan wieder den üblichen Wiesn-Einheitsbrei zu hören geben soll. Von der Debatte um die Stimmung im Zelt haben wir uns als Essenstester natürlich nicht beeinflussen lassen, das soll Sache der Ballermann-Feuilletonisten bleiben.

Das luftig gestaltete Zelt ist mit 15 Metern das höchste auf der Wiesn. (Foto: Stephan Rumpf)

Dass Tradition zumindest auf dem Teller gut ankommt, haben wir weiland schon auf der Oidn Wiesn und im Donisl festgestellt. Die Speisekarte ist mit der am Marienplatz in weiten Teilen identisch, es gibt bayerische Klassiker und auch Gerichte, die man nicht mehr so häufig auf Speisekarten findet, Innereien zum Beispiel oder Schaschlik. Das alles gibt es natürlich mit dem erwarteten Wiesn-Aufpreis. Und die Tatsache, dass nun potenziell mehr als 8000 Münder satt gemacht werden müssen, hat uns neugierig gemacht. Klappt das alles genauso solide wie im Donisl?

Bei der Leberspätzlesuppe (7 Euro) zum Beispiel haut die Küche schon ganz gut hin, wie auch bei der Ente. Die Viertelportion (22,50) ist groß genug für einen durchschnittlichen Esser, der vielleicht noch eine Nachspeise schaffen will. Das Fleisch war zart, die Haut knusprig, die Soße schön würzig. Das Blaukraut allerdings war sowohl als Beilage zur Ente wie auch zum Rehragout (28,50) etwas fad. Das Ragout kam passenderweise just in dem Moment an den Tisch, als die Kapelle "Heit gibt's a Rehragout" anstimmte. Leider war es nur lauwarm, dafür war das Wildfleisch sauber durchgeschmort, die Soße gut abgeschmeckt.

Die Hauberlinge wiederum gaben Rätsel auf. Hauberlinge sind ein pikantes Schmalzgebäck, das in einigen Regionen Bayerns traditionell zu Ragout gereicht wird. Als der Mittester am Tisch aber versuchte, sie zu schneiden, scheiterte er an der Härte des Gebäcks, was ihn zum böswilligen Scherz verleitete, solch Hauberlinge seien einst im 17. Jahrhundert als Geschosse eingesetzt worden und dieser sei aus der Zeit übrig. Ein solch vernichtendes Urteil ist natürlich übertrieben: Mit einem gescheiten Steakmesser wäre man der widerspenstigen Beilage wohl durchaus Herr geworden.

Mit dem Service konnte man mittags sehr zufrieden sein. (Foto: Stephan Rumpf)

Leider etwas trocken aber noch Wiesn-konform war das halbe Hendl (13,90), zart war das auch mit Innereien bestückte Schaschlik, das mit einer Paprika-Zwiebelsoße gereicht wurde (12,90), die allerdings - anders als angekündigt - kein bisschen pikant war. Die Käsespätzle waren okay, für den Preis von 15,80 Euro hätte man aber eine üppige Portion erwartet.

Das uns bereits vertraute Hechtenkraut, ein Fischauflauf mit gewaschenem Sauerkraut im Reindl, war dagegen alles andere als enttäuschend. Wenn dies wirklich die Leibspeise König Ludwig II. (20,50) war, wusste der Kini, was gut ist. Der Kaiserschmarrn zur Nachspeise (14,5o) war nichts Besonderes, die Karamellisierung fehlte völlig, dafür war der Teig einigermaßen luftig. Unter die Kategorie "passt scho" fiel auch die gebackene Rohrnudel (12,50) mit ihrem halbwegs luftigen Hefeteig und dem nicht zu süßen Zwetschgenröster.

Auf der Wiesn kann man vielerorts wirklich gut essen, die Küche in der Bräurosl aber braucht vielleicht noch ein Weilchen, um sich richtig einzuspielen. Mit dem Service um die Mittagszeit immerhin waren wir sehr zufrieden, das kann aber auch daran gelegen haben, dass nicht sonderlich viel los war.

Festzelt Bräurosl, Theresienwiese, Wirtsbudenstraße, täglich 10 bis 23.30 Uhr, an Wochenenden und am Feiertag 9 bis 23.30 Uhr.

Die SZ-Kostprobe

Die Restaurant-Kritik "Kostprobe" der Süddeutschen Zeitung hat eine lange Tradition: Seit 1975 erscheint sie wöchentlich im Lokalteil, seit einigen Jahren auch Online und mit einer Bewertungsskala. Etwa ein Dutzend kulinarisch bewanderter Redakteurinnen und Redakteure aus sämtlichen Ressorts - vonMünchen, Wissen bis zur Politik - schreiben im Wechsel über die Gastronomie in der Stadt. Die Auswahl ist unendlich, die bayerische Wirtschaft kommt genauso dran wie das griechische Fischlokal, die amerikanische Fast-Food-Kette, der besondere Bratwurststand oder das mit Sternen dekorierte Gourmetlokal.

Das Besondere an der SZ-Kostprobe: Die Autorinnen und Autoren schreiben unter Pseudonym, oft ist dies kulinarisch angehaucht. Sie gehen unerkannt etwa zwei- bis dreimal in das zu testende Lokal, je nachdem wie lange das von der Redaktion vorgegebene Budget reicht. Eiserne Grundregeln: hundert Tage Schonfrist, bis sich die Küche eines neuen Lokals eingearbeitet hat. Und: Nie bei der Arbeit als Restaurantkritiker erwischen lassen - um unbefangen Speis und Trank, Service und Atmosphäre beschreiben zu können.

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