Baden-Württemberg:Was Thomas Strobl unter Transparenz versteht

Baden-Württemberg: Thomas Strobl (CDU), Innenminister von Baden-Württemberg, sagte am Freitag vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags als Zeuge aus.

Thomas Strobl (CDU), Innenminister von Baden-Württemberg, sagte am Freitag vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags als Zeuge aus.

(Foto: Bernd Weißbrod/dpa)

In Stuttgart will ein Untersuchungsausschuss eine komplizierte Affäre aufklären. Es geht um sexuelle Belästigung bei der Polizei - und um den Innenminister.

Von Max Ferstl, Stuttgart

Es ist kurz nach zehn Uhr am Freitagvormittag, als der Zeuge Thomas Strobl aufgerufen wird. Und da kommt er auch schon, grauer Anzug, graue Krawatte, Akten unter dem Arm. "Guten Morgen", sagt Baden-Württembergs Innenminister, bevor er sich schwungvoll auf den Stuhl ganz vorne im Plenarsaal setzt, den Zeugenstuhl.

Ein Untersuchungsausschuss hat gewisse Ähnlichkeiten mit einem Gerichtsprozess: Zeugen werden aufgerufen, werden belehrt, die Wahrheit zu sagen, nichts hinzuzufügen, nichts wegzulassen. Und dass sie schweigen können, falls sie sich selbst belasten müssten. Aber Strobl (CDU) will reden. Obwohl er in dieser komplizierten Affäre nicht nur Zeuge ist, sondern auch Protagonist. Er stehe für Transparenz, sagt Strobl gleich zu Beginn. Wobei sein Transparenzverständnis ein Teil des Problems ist. Aber dazu gleich mehr.

Es hat sich einiges zusammengebraut im Südwesten. Los ging es vor knapp einem Jahr mit massiven Vorwürfen gegen den Inspekteur der Polizei. Der ranghöchste Polizist des Landes soll eine junge Polizistin sexuell belästigt und seine Einflussmöglichkeiten auf ihre Karriere betont haben. Ein Skandal, wenn es stimmt. Der Inspekteur wurde suspendiert. Doch die Affäre blieb nicht lange eine Polizeiaffäre.

Gegen Strobl ermittelt seit Monaten die Staatsanwaltschaft

Kurz vor Weihnachten schrieb der Anwalt des Polizeiinspekteurs einen Brief an den Innenminister Strobl. Der gab das Schreiben an einen Journalisten weiter. Weil dieser daraus zitierte, ermittelt seit Monaten die Staatsanwaltschaft. Strobl steht im Verdacht, den Reporter angestiftet zu haben, verbotenerweise "Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen" gemacht zu haben.

Der Untersuchungsausschuss will das jetzt alles durchleuchten, die sexuelle Belästigung, die Weitergabe des Anwaltsschreibens, die Beförderungspraxis bei der Landespolizei. Denn wie kann es sein, dass ein offenkundig ungeeigneter Polizist auf so einen verantwortungsvollen Posten kommt?

Antworten erhoffen sich die Abgeordneten unter anderem von Strobl, dem zuständigen Innenminister, wobei sich die Abgeordneten der Opposition schon auch erhoffen, dass sie den Druck auf den 62-Jährigen weiter erhöhen können. Sie fordern seit Monaten Strobls Rücktritt. Doch der wirkt am Freitag, bei der ersten öffentlichen Ausschusssitzung, nicht wie jemand, der um seine Zukunft kämpft.

Über den Inspekteur der Polizei sagt Strobl, dass er vor dessen Beförderung "nur Positives" über den Beamten gehört habe, zielstrebig, engagiert, ehrgeizig, tadelloser Ruf. Er sagt, dass es "keinerlei politische Entscheidung und keinerlei politische Einflussnahme" gegeben habe. Und dass er, Strobl, "tieftraurig" und enttäuscht gewesen sei, als er von den Vorwürfen gegen den Polizisten gehört habe.

Das Schreiben des Anwalts, findet Strobl, habe an die Öffentlichkeit gehört

Über den weitergeleiteten Anwaltsbrief sagt Strobl, dass es sich um ein "toxisches" Gesprächsangebot gehandelt habe. Er habe dem Eindruck zuvorkommen wollen, da werde ein sensibles Verfahren ins Hinterzimmer verlegt, da würden gravierende Vorwürfe auf dem kurzen Dienstweg ausgeräumt. Das Schreiben habe an die Öffentlichkeit gehört - und zwar schnell.

Der Weg, auf dem das Schreiben in die Öffentlichkeit fand, mutet dann im Rückblick allerdings etwas merkwürdig an. Das Ministerium leitete es einem einzelnen Journalisten der Stuttgarter Nachrichten weiter. Die Quelle, also Strobl, blieb monatelang anonym, auch auf mehrfache Nachfragen anderer Reporter. Warum er denn keine Pressekonferenz einberufen habe, will Oliver Hildenbrand, der Obmann von den Grünen, wissen. Stimmt schon, sagt Strobl, aus heutiger Sicht würde er das anders machen.

Dann wäre dem Innenminister einiges erspart geblieben. Doch im Wesentlichen hat man das, was Strobl am Freitag erzählt, in den vergangenen Monaten so oder ähnlich schon gehört. Es deutet wenig darauf hin, dass sich Strobls politische Zukunft hier im Untersuchungsausschuss entscheiden wird. Wichtiger dürfte sein, wie die Staatsanwaltschaft seinen Fall bewertet. Die Ermittlungen laufen noch.

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