Demonstration in Grafing:"Ich denke, also bin ich - gegen den Klimawandel"

Demonstration in Grafing: Nicht viele, aber ein paar junge Menschen sind doch in den Grafinger Stadtpark zur Klimaschutzdemo gekommen. Am liebsten stehen sie an dem Tisch, wo man Plakate malen kann.

Nicht viele, aber ein paar junge Menschen sind doch in den Grafinger Stadtpark zur Klimaschutzdemo gekommen. Am liebsten stehen sie an dem Tisch, wo man Plakate malen kann.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nach zwei Jahren Pandemie tut sich die Klimabewegung schwer, Menschen zu mobilisieren. Zum Protest in Grafing kommen nur etwa hundert Zuhörer, darunter mehr Rentner als Jugendliche.

Von Anja Blum und Sina-Maria Schweikle, Grafing

Ein Junge steht an einer Bierbank. Ganz versunken führt er den Pinsel über einen Karton. Ob er wohl überhaupt hört, was die ganzen Erwachsenen da nebenan ins Mikro sprechen? Von Klimawandel, Energiekrise, Protest? Seine Meinung jedenfalls tut der etwa Zehnjährige mit Farbe kund: Unter seinen Händen entsteht ganz langsam eine Erdkugel in Grün und Blau, wunderschön und unversehrt.

Es ist Freitagnachmittag, Klimastreik in Grafing. Die örtlichen Akteure von Fridays for Future, der Bund Naturschutz und andere Organisationen aus dem Landkreis haben dazu aufgerufen. Doch in den Stadtpark gekommen sind nicht, wie beim letzten Mal vor drei Jahren, rund 650 Menschen, sondern lediglich etwa einhundert. Außerdem sieht man erstaunlich wenig junge Gesichter, die Erwachsenen, vor allem Rentner, sind in der Überzahl. Haben Corona und der Krieg in der Ukraine die Klimakrise tatsächlich aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängt?

Demonstration in Grafing: Will sich für die kommenden Generationen einsetzen: Josef Biesenberger, Grünen-Stadtrat aus Grafing.

Will sich für die kommenden Generationen einsetzen: Josef Biesenberger, Grünen-Stadtrat aus Grafing.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Für die Organisatoren ist der überschaubare Zulauf jedenfalls keine Überraschung: "Aufgrund der Corona-Pandemie konnten wir uns mehr als zwei Jahre lang nicht mehr versammeln", sagt Sepp Biesenberger, zweiter Vorsitzender Grafinger Ortsgruppe im Bund Naturschutz. Und auch hier: Während man sich unter Fridays for Future eher Luisa Neubauer oder Clara Meyer vorstellt, ist Biesenberger kein Schüler oder Student mehr, sondern Rentner. Doch wie viele der Initiatoren und Unterstützer des Grafinger Klimastreiks sieht er sich in der Pflicht, die Menschen zu mobilisieren, sich für das Klima und den Naturschutz einzusetzen. "Schließlich sind wir es, die der jungen Generation die Misere eingebrockt haben", sagt Biesenberger. "Die Jugend verdient unser Umdenken."

Doch die Mobilisierung scheint nun, nach der Corona-Pause, um einiges schwieriger zu sein, das hatte sich im Landkreis Ebersberg bereits im März gezeigt: Knapp ein Jahr nach Ausbruch des russischen Angriffskrieges folgten etwa 100 Klimaaktivisten dem Ruf der Glonner Grünen. Doch nicht nur aufgrund der Pandemie hat die Fridays-for-Future-Bewegung im Landkreis an Fahrtwind verloren: "Aus Schülerinnen und Schülern wurden Studierende, andere machen eine Ausbildung oder arbeiten - da kann man nicht immer frei nehmen, um zu demonstrieren", erklärt Biesenberger. Außerdem seien viele der jungen Aktiven umgezogen und würden sich nun an anderen Orten Fridays for Future widmen. Und nicht alle Klimaaktivisten aus dem Landkreis demonstrierten in Grafing - viele machten sich dafür auf den Weg nach München, um sich dem größeren Protest anzuschließen, sagt Elias Schröter. "Ein Streik mit wenigen Leuten an vielen Orten ist weniger auffällig als ein Streik mit vielen Menschen an wenigen Orten."

Demonstration in Grafing: Elias Schröter, Sprecher der Grünen Jugend im Landkreis, wünscht sich einen besseren und kostengünstigeren ÖPNV.

Elias Schröter, Sprecher der Grünen Jugend im Landkreis, wünscht sich einen besseren und kostengünstigeren ÖPNV.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Auch Schröter, Sprecher der Grünen Jugend im Landkreis, ist umgezogen und lebt mittlerweile in München. Heute aber ist er nach Grafing zurückgekehrt, um sich in seiner alten Heimat für den Klimaschutz einzusetzen. Mit der S-Bahn sei er gekommen, erzählt er, und habe während der Fahrt, die wieder einmal in Grafing-Bahnhof unterbrochen worden sei, beschlossen, am Mikro über den ÖPNV zu sprechen. Dieser nämlich sei hierzulande einfach zu teuer und zu schlecht ausgebaut. "Das ist so traurig, denn eigentlich wollen wir doch weg vom Auto - aber halt auch rechtzeitig und kostengünstig ankommen", so Schröter. Das Neun-Euro-Ticket habe doch nun gezeigt, was alles möglich sei. "Dafür sollten wir auf die Straße gehen!"

Viele verschiedene Forderungen gibt es an diesem Nachmittag im Grafinger Stadtpark, von den Rednern, aber auch auf Plakate gemalt. Miriam Boehlke, die einige Zeit die FFF-Demos im Landkreis gemeinsam mit Kommilitoninnen und engagierten Schülern aus Grafing organisiert hatte, greift zwar nicht zum Mikro, zeigt aber ein Schild: "Degrowth (also, einfach gesagt, die Verringerung von Konsum und Produktion für mehr soziale Gerechtigkeit) ist sexy". Boehlke sagt: "Nachhaltigkeit hört nicht bei der ökologischen Nachhaltigkeit auf", Klimagerechtigkeit sei ein großer Punkt der Fridays-for-Future-Bewegung. Eine andere junge Frau hat auf ihr Plakat geschrieben: "Ich bin sicher, die Dinosaurier dachten auch, sie hätten noch Zeit". Man sieht "Omas for future", von Kinderhänden Geschriebenes wie "Umwelt ist wichtiger als Geld" und Witziges. "Ich denke, also bin ich - gegen den Klimawandel".

Demonstration in Grafing: Überschaubarer Zulauf: die etwa hundert Teilnehmer am Grafinger Klimastreik.

Überschaubarer Zulauf: die etwa hundert Teilnehmer am Grafinger Klimastreik.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Klaus Grünebach, Chef des Grafinger BN, lässt improvisierte Alarmsirenen erklingen und schwört das Publikum auf Widerstand ein. Für ihn als Opa sei besonders erschreckend, dass der ganze Raubbau zu Lasten der kommenden Generationen stattfinde. "Der Welterschöpfungstag war heuer schon am 4. Mai!" Ebenfalls gekommen ist Georg Hengster, Koordinator der Regionalgruppe Ebersberg für Gemeinwohl-Ökonomie, auch er echauffiert sich über Ausbeutung von Mensch und Natur und fordert ein wirtschaftliches Umdenken: Unternehmen, denen es nur um Gewinnmaximierung gehe, gehörten abgestraft. Nicht den Verstand, sondern die Emotionen anzusprechen, hat sich Uwe Peters vorgenommen. Der Grafinger stimmt zur Gitarre immer wieder sanfte Protestlieder an, von "Mad World" über "Country Roads" bis hin zu "Rauchzeichen".

Demonstration in Grafing: Unübersehbar ist die politische Einstellung dieser Aktivistin.

Unübersehbar ist die politische Einstellung dieser Aktivistin.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Werbung für den "Radentscheid" wiederum macht Jürgen Friedrichs vom ADFC - auch sein Verein setze sich für den Klimaschutz ein, erklärt er. "Der geht uns nämlich alle etwas an, egal, ob wir das Problem anerkennen oder ignorieren." Und ein besserer Nahverkehr sei ein wichtiger Baustein, um hier Fortschritte zu erzielen. Eine Art Rundumschlag wiederum gab es von Rosi Reindl von der ÖDP: Atomausstieg, Uranabbau, LNG-Tanker, Gentechnik, CETA-Abkommen - "es ist doch verrückt, was wir uns momentan alles gefallen lassen!" Dabei müsse man gerade gegen das Handelsabkommen mit Kanada nun "wirklich alles mobilisieren". Ganz lokal hingegen wurde es am Ende mit Josef Biesenberger, der den Zuhörern die Ebersberger Treibhausgasbilanz präsentierte: Eine Million Euro gebe der Landkreis täglich aus, um fossile Energie zu importieren. "Und das sind noch die veralteten Preise", so der BN-Vertreter. Gleich nächste Woche werde eine neue Bilanz veröffentlicht - "da dürfen wir schon gespannt sein".

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