Kritik:Ein Polonaischen? Kein Problemchen

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Der Songschreiber und Autor Peter Licht begeistert im Volkstheater mit einem semi-akustischen Konzert zwischen Selbsttherapie, Utopie und Gagaismus.

Von Martin Pfnür, München

Peter Lichts schrulliger kleiner Indie-Pop-Hit "Wettentspannen" nimmt gerade richtig Fahrt auf, als dem Sänger eine Idee zufliegt. Er sei letztens auf einer Hochzeit gewesen, so mit Polonaise und allem Drum und Dran, und da habe er sich vorgestellt, wie das wohl wäre, wenn man dazu diese eine markante Zeile des Songs singen würde. Und so führt er kurz darauf eine gut zwanzigköpfige Polonaise aus spontan herbeigeeilten Besuchern auf der Bühne des Volkstheaters an. "Wer tot ist, geht auf die Nerven", singen sie, was pietätlos wirken mag, und doch nicht pietätlos ist, weil die Zeile nun mal aus dem ebenso eigenwilligen wie in sich schlüssigen Peter-Licht-Universum stammt.

Dessen Weite durchmisst der Musiker, Dramatiker und Romancier im Volkstheater mit einer Verve, der man so nicht jeden Tag begegnet. Zusammen mit seinem Kölner Spezl Benedikt Filleböck am Keyboard fährt er bei der semi-akustischen Präsentation des Albums "Beton und Ibuprofen" ein wild kontrastiertes Set auf, das die ganze sprachliche Chuzpe, mit der Licht sich am Leben im westlichen Turbokapitalismus abarbeitet, aufs Schönste zum Leuchten bringt.

Es reicht vom krisenumarmenden Groove des "Candy Käsemann" zur tief in die Depression eintauchenden Spoken-Word- und Ambient-Nummer "Lost Lost Lost World". Vom beseelt von seiner elektronischen Textur gelösten "Sonnendeck" zur lagerfeuerschrabbeligen Diktatoren-Watschn "Der böse Mann". Oder auch vom strahlend schönen "Lied vom Ende des Kapitalismus", in dem sich letzterer als alter Schlawiner der Utopie geschlagen geben muss, zur autotuneverleierten Trash-Kultur-Verhohnepipelung im "Umentscheidungslied".

Erlösung naht schließlich, als Peter Licht sich für "Ibuprofen" an die Sitar setzt und zu meditativem Saitenklang die Segnungen der Pharmaindustrie preist. Steht doch für jedes Problemchen heute direkt ein Ibuprofenschn, Codeinschn oder Parazetamölschn bereit, wie er darin singt. Ein Glück aber auch!

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