Österreich:Leserpost zum Wahlrecht in Österreich

Österreich: Zum Zuschauen verdammt: Bei der Bundespräsidentenwahl am 9. Oktober können 1,4 Millionen Menschen, die in Österreich leben, nicht abstimmen.

Zum Zuschauen verdammt: Bei der Bundespräsidentenwahl am 9. Oktober können 1,4 Millionen Menschen, die in Österreich leben, nicht abstimmen.

(Foto: Roland Schlager/dpa)

Bei der Bundespräsidentenwahl in Österreich dürfen 1,4 Millionen Menschen, die im Land leben, nicht mitbestimmen. Viele Leserinnen und Leser kritisieren die ungerechte Regelung, es gibt aber auch Stimmen, die vor einer Änderung warnen.

In seiner Kolumne "Wer die Wahl hat" hat Dominik Prantl am 23. September 2022 geschrieben, dass er als deutscher Staatsbürger in seiner Wahlheimat Innsbruck nicht an den Landtagswahlen und der Bundespräsidentenwahl teilnehmen darf. Wie sehen die Leserinnen und Leser das Thema Wahlrecht für nicht österreichische Staatsbürger?

Gut informiert und involviert

Ich bin Deutsche (aus der Umgebung von Rosenheim) und lebe seit 1992 in Österreich (Wien bzw. Umgebung) und darf seitdem hier nicht wählen. Am Anfang war mein Interesse dafür noch nicht so groß, über die Jahre ist es gestiegen und inzwischen ärgere ich mich bei jeder Wahl. Ich bin eindeutig gut informiert und involviert und würde gerne meine Stimme abgeben in dem Land, in dem ich lebe. Am Anfang durfte ich noch in Deutschland wählen, was mir meist etwas schwergefallen ist, da ich mit der deutschen Politik nicht mehr so viel zu tun habe. Mittlerweile darf ich auch dort nicht mehr wählen, was mich allerdings weniger schmerzt als die Situation in Österreich. Natürlich könnte ich mich um die österreichische Staatsbürgerschaft bemühen, aber gibt man seine eigene deutsche Staatsbürgerschaft einfach so auf? Zu diesem Schritt möchte ich mich nicht entscheiden. Also beschränkt sich mein politisches Engagement hier auf passive Informationsaufnahmen und mitunter interessante Diskussionen im Freundeskreis. Melanie Weigl, Gießhübl (Niederösterreich)

Gefahr des doppelten Gewichts

Ein Problem ist die Möglichkeit, innerhalb zweier Demokratischen Einheiten Wahlrecht zu besitzen, also doppelt so großes politisches Gewicht z. b. innerhalb der EU. Das Wahlrecht an einem anderen Ort müsste also so lang ausgeschlossen sein. Außerdem erhält man durch das Wahlrecht Einfluss auf politische Entscheidungen, deren Konsequenzen man als nicht staatsangehöriger Bürger nicht trägt. Sönke Reimers, Itzehoe (Schleswig-Holstein)

Bitte auch Deutschland kritisieren

Ich bin Österreicherin, seit 28 Jahren wohnhaft in Deutschland, zahle Steuern und darf auch hier nicht mitbestimmen, was auf Bundesebene gewählt wird. Bitte kritisieren Sie nicht das österreichische Wahlrecht, denn das deutsche ist genauso ausgelegt. Petra Maria Schaller, Frankfurt/Main

Ungerechte Regelung

Bei der Bundespräsidentenwahl müsste man als Ausländer mitwählen können. Man wählt hier ja ein Staatsoberhaupt, das für alle Menschen aller Couleur in einem Staat da sein sollte und diese repräsentieren sollte. Somit ist das Ganze wirklich ungerecht geregelt und sollte dringend geändert werden! Ben Felgen, Mersch (Luxemburg)

Wahlrecht nach einer Frist

Seit 22 Jahren lebe ich als Wienerin in Bayern, und darf lediglich bei Regionalwahlen mitentscheiden. Meines Erachtens sollte man nach einer bestimmten Frist - fünf, allerhöchstens zehn Jahre - das allgemeine Wahlrecht im Land des Hauptwohnsitzes erhalten (können; vielleicht auf Antrag). Speziell zwischen Österreich und Deutschland könnte ich mir da eine bilaterale (evtl. auch eine trilaterale) Lösung mit der Schweiz vorstellen. Evtl. auch in Form von Doppelstaatsbürgerschaften? Die österreichische Staatsbürgerschaft aufzugeben ist für mich jedenfalls keine Option. Margarita Moerth, Egglham (Bayern)

Problem der Doppelstaatsbürgerschaft

Ich bin Österreicherin mit Wohnsitz in Frankreich. Ich kann an den Wahlen in Österreich teilnehmen außer kommunal, aber in Frankreich nur bei den Kommunalwahlen. Das Problem ist, dass Österreich kaum Doppelstaatsbürgerschaften erlaubt. Wenn das nicht wäre, könnten schon alle Ausländer, die gerne die österreichische Staatsbürgerschaft hätten ohne ihre erste Staatsbürgerschaft aufgeben zu müssen, wählen. Dabei müsste das Wahlrecht nicht einmal geändert werden. Jutta Martin, Straßburg (Frankreich)

Keine Mitbestimmung bei Steuermitteln

Als fast 50 Jahre, also weit mehr als die Hälfte meines Lebens, in Österreich lebender deutscher Staatsbürger bin ich selbstverständlich absolut der Meinung, dass mir auch ein Wahlrecht, nicht nur auf kommunaler Ebene und bei Europawahlen, zustehen würde. Steuern zahlen und zwar nicht zu wenig darf ich ja auch, aber mitbestimmen, wie diese Mittel verwendet werden sollen, darf ich nicht. Hans Czerny, Klosterneuburg (Niederösterreich)

Fairness gegenüber steuerzahlenden Ausländern

Ich lebe seit 27 Jahren in Kanada, bin austro/kanadischer Doppelstaatsbürger und darf in Österreich wählen. Ich zahle keine Steuern in Österreich und habe das seit 1995 nicht mehr getan. Der österreichischen Politik zu folgen ist ein zweifelhaftes, aber doch notwendiges Vergnügen, um halbwegs am Ball zu bleiben. Politikverständnis ist aber natürlich keine Voraussetzung für einen österreichischen Expat, um wählen zu dürfen. (Fairerweise auch für einen in Österreich lebenden Österreicher nicht.) Nach, na ja sagen wir, fünf? zehn? Auslandsjahren könnte das Wahlrecht doch aufgelöst werden. Im Gegenzug wäre es aber fair, die brav steuerzahlenden Ausländer einmal ihre Stimme abgeben zu lassen. Die haben doch ein "invested Interest" in der Sache. Helene Perndl, Vancouver (Kanada)

Ausnahme: Europawahl

Ich lebe und arbeite seit mehr als drei Jahren in Wien und dort finde ich es besonders absurd, weil ich über die Bezirksebene hinaus nicht einmal den Wiener Bürgermeister wählen darf, da dieser ja ein Landeshauptmann ist. Ich kann es ja einigermaßen verstehen, dass man nicht jedem/r, der/die übergangsmäßig für seine/ihre Arbeit nach Österreich zieht, sofort ein bundes- und landesweites Stimm- bzw. Wahlrecht gibt. Aber für Menschen ohne österreichischen Pass, die zum Beispiel zwei Jahre in das Steuersystem eingezahlt haben, könnte man dieses ohne Probleme bewilligen. Jedoch läuft das in Deutschland nicht anders ab: Dort darf man als Ausländer auch nur auf Kommunalebene wählen (Ausnahme wie in Österreich für EU-Bürger: Europawahl). Julian Holzinger, Wien

Erweitertes Wahlrecht

Ich bin unbedingt für erweitertes Wahlrecht und für leichtere Einbürgerung. Ich war selber 46 Jahre im Ausland und kenne das: Du musst alle Regeln einhalten, du musst alle Steuern zahlen und du darfst nirgends mitreden. Und die in Österreich weitverbreitete Ausländerfeindlichkeit ist erbärmlich. Heinz Nabieleck, Wien

Weder Gewinn noch Schaden

Ich bin Auslandsösterreicherin in Deutschland. Gerade heute hab ich meinen Bundespräsidenten-Wahlzettel eingeworfen und hoff mal, dass ich das Richtige für die ÖsterreicherInnen gewählt habe, denn letztlich tangiert es mich ja nicht - ich hab weder Gewinn noch Schaden! Monika Ludwig, München

Wunsch einer europäischen Lösung

Ich bin gern österreichischer Staatsbürger und lebe seit 21 Jahren in Niedersachsen, wo am 9. Oktober der Landtag gewählt wird. Ich bin nicht wahlberechtigt, würde aber sehr gerne wählen und engagiere mich trotzdem. Der Erhalt der Demokratie darf nicht an überkommenen Regeln und machtpolitischen Überlegungen wegen der Angst, dass Jüngere weniger konservativ wählen, scheitern. Ich wünsche mir für den Anfang eine europäische Lösung für ein Wahlrecht ab 16, nicht nur für Europäer, sondern für alle, die seit mehr als z.B. fünf Jahren, in einem Staat leben. Jürgen Perl, Oldenburg (Niedersachsen)

Staatsbürgerschaft braucht Wertigkeit

Ich bin zumindest skeptisch gegenüber der Vorstellung , dass jeder einige Jahre im Lande lebender Mitbewohner automatisch das Wahlrecht und auch gleichzeitig alle übrigen Rechte (Vorteile) des Staatsbürgers zuerkannt bekommen soll. (...) Abschreckend und gefährlich wird es vor allem dann, wenn beispielsweise in Österreich lebende türkische Staatsbürger das demokratische Wahlrecht in Österreich nutzen dürfen. Wie sich oftmals gezeigt hat, gibt es Menschen, die parallel in der Türkei einen fragwürdigen Autokraten wie Erdoğan wählen und für dessen Vorstellungen in Österreich demonstrieren. Freilich gibt es auch österreichische Staatsbürger ohne türkischen oder anderen fremdländischen Hintergrund, die mit autoritären Strukturen und Denkweisen sympathisieren, aber dies soll nicht Anlass sein, derartige Gegebenheiten durch automatische Einbürgerungen noch zusätzlich zu fördern. (...) Die Staatsbürgerschaft (soll) auch eine Wertigkeit besitzen und nicht zum Abfallprodukt werden, das jeder Mensch unkontrolliert per Automatik aufgrund zeitbedingter Anwesenheit zugeteilt bekommt. Gut gemeint ist sehr oft das Gegenteil von gut. Romantisch grotesk ausgedrückt, jeder hat überall alle Ansprüche und Rechte, Grenzen, Staaten, Staatsbürgerschaften, das war gestern, wir schaffen die paradiesische Glücklichkeit. Wie wir wissen, war die Freiheit im Paradies ja letztlich durch schwerwiegende Konsequenzen belastet. Folgen und Konsequenzen von Handlungen, Entscheidungen werden leider viel zu oft nicht in realistischer Verantwortlichkeit überdacht. (...) Von der Automatik der Verleihung von Staatsbürgerschaft / Wahlrecht abgesehen gibt es jedoch immer wieder überlieferte Fälle, wo auch ich, auf den jeweiligen Einzelfall bezogen, die Zuerkennung der Staatbürgerschaft, sofern diese beantragt wurde, für berechtigt und unterstützenswert ansehe. Doppelstaatsbürgerschaften / Wahlrecht sollten aus den anfangs genannten Gründen nicht die Regel sein. Wobei ich zwischen Deutschland, Schweiz, Frankreich, Niederlande usw. und Österreich nur geringe, wenn überhaupt, Bedenken hätte. Manfred Chiapo, Graz

Wahlrecht ruhend stellen

Auch ich hadere - als Deutsche, die seit nunmehr 17 Jahren in Österreich lebt - bei jeder Wahl wieder damit, dass ich nicht wählen darf und zum Zuschauen verdammt bin. Ich wäre durchaus dazu bereit, in der Zeit, in der ich nicht in Deutschland lebe, mein Wahlrecht dort ruhend zu stellen, wenn ich dafür hier das Wahlrecht erhalte. Verbunden mit einem "Staatskundetest", um zu beweisen, dass ich die demokratischen Grundregeln in diesem Land verstanden habe, wäre das meiner Meinung nach ein gangbarer Weg für alle, die hier wählen, aber nicht ihre Staatsbürgerschaft aufgeben möchten. Yvonne Schwarte, Oberndorf bei Salzburg

Individuen ohne politischen Einfluss

Es ist leider "normal", dass man in der EU als Nichtstaatsbürger nur auf Kommunalebene wählen darf. Mein Mann und ich sind Österreicher und leben seit 1966 in München. Wir wählen in Österreich, z.B. jetzt den Bundespräsidenten, würden auch gerne hierzulande wählen, wollten aber unsere Staatsbürgerschaft nicht aufgeben. Eine doppelte Staatsbürgerschaft ist unseres Wissens nach nicht möglich. Also leiden wir weiter als Individuen ohne politischen Einfluss. Ausgenommen die Münchner Kommunalwahl und die Wahl des Ausländerbeirats sowie die Europawahl. Bei letzterer können wir uns sogar aussuchen, wo wir unser Wahlrecht ausüben, ist das nicht toll? Edda Teimer, München

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