Ministerpräsidentenkonferenz:Worüber Bund und Länder streiten

Ministerpräsidentenkonferenz: Berät mit den Ländern über die Finanzierung der Entlastungen: Bundeskanzler Olaf Scholz.

Berät mit den Ländern über die Finanzierung der Entlastungen: Bundeskanzler Olaf Scholz.

(Foto: Michael Kremer/Future Image/Imago)

Gaspreis- und Strompreisbremse, Geld für einen Neun-Euro-Ticket-Nachfolger, Hilfen für Betriebe und Privatpersonen: Die Länderchefs und Kanzler Scholz haben bei ihrem Treffen am Nachmittag einiges abzuarbeiten. Ein Überblick über die wichtigsten Punkte.

Von Oliver Klasen und Carina Seeburg

Wenn Bund und Länder sich streiten, kommt ein Gremium ins Spiel, das viele Bürgerinnen und Bürger seit der Corona-Krise unter dem Kürzel MPK kennen: die Ministerpräsidentenkonferenz mit den 16 Länderchefs und -chefinnen sowie dem Kanzler. Oft waren das lange, zum Teil nächtelange Beratungen, bei denen es nur sehr zäh Fortschritte gab. Auch diesmal dürfte es nicht einfach werden. Statt um Maskenpflicht oder Kontaktbeschränkungen geht es nun darum, die Belastungen abzufedern, die wegen der exorbitant gestiegenen Energiekosten entstehen.

Von einem "Doppel-Wumms" hat Olaf Scholz in der vergangenen Woche gesprochen, als er den mit 200 Milliarden Euro ausgestatteten Abwehrschirm vorstellte. Mit "Doppel-Wumms" bezog sich der Kanzler auf das mit einem einfachen "Wumms" bezeichnete Corona-Hilfspaket, das Scholz damals noch als Finanzminister verantwortet hatte. Doppelt so schlagkräftig wie das Pandemie-Hilfspaket, so wünscht es sich der Kanzler wohl, aber Doppel-Wumms kann man auch anders verstehen, nämlich so, dass der Wumms sich - ganz genau wie in der Corona-Krise übrigens - nur entfalten kann, wenn er von zwei Stellen ausgeführt wird, von Bund und Ländern nämlich. Die allerdings, so scheint es, arbeiten derzeit vor allem gegeneinander und nicht mit vereinten Kräften.

Privatleuten und Betrieben muss geholfen werden, so viel ist klar. Unklar ist aber, wer im Einzelnen dafür aufkommen soll. Die Länder sind sauer, weil der Bund ihnen Kosten aufbürden wolle, aber zuvor zu wenig Mitspracherecht gegeben habe. "Wenn der Bund von den Ländern 19 Milliarden Euro haben möchte, um das von ihm ins Schaufenster gestellte Entlastungspaket mit zu bezahlen - von den Kommunen immerhin noch drei Milliarden Euro -, dann wird man schon drüber sprechen müssen", hat Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) gesagt. Ein Satz, den man durchaus als Warnung an die Ampelregierung verstehen darf.

Tatsächlich ist der Beschlussentwurf für die Sitzung mit vielen eckigen Klammern versehen, das bedeutet, dass Bund und Länder in diesen Punkten noch keinen Konsens gefunden haben. Viel Arbeit also für die MPK-Runde, die eigentlich schon vergangene Woche hätte zusammenkommen sollen. Die Corona-Infektion des Kanzlers vereitelte das jedoch. Nun beginnen die Beratungen an diesem Dienstag ab 13.45 Uhr. Ein Überblick über die strittigen Punkte:

Konzept für Gaspreisbremse und Entlastung bei den Strompreisen

Aus den Ländern wächst der Druck auf die Ampelkoalition, die angekündigte Gaspreisbremse schnell einzuführen, die Teil des 200 Milliarden Euro starken Entlastungsschirms ist. "Die Gaspreisbremse muss jetzt schnell, umfassend und unbürokratisch in Kraft treten - am besten noch im Oktober", sagt Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder. Es dürfe keine Verzögerung geben.

Eine von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission sollte ihre Empfehlungen für eine Gaspreisbremse ursprünglich erst Ende Oktober abgeben. Auf Druck der Länder und der Wirtschaft soll diese Empfehlung nun möglicherweise doch früher kommen. Das hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) angekündet - und neben der Gaspreisbremse auch eine effektive Strompreisbremse sowie eine Bremse für Sprit- und Heizölpreise in Aussicht gestellt. "Die Hilfe muss jetzt umfassend sein", so Habeck.

Noch ist unklar, auf welche Weise die Gaspreise genau gedeckelt werden. "Das muss jetzt zügig geklärt werden", fordert auch NRW-Ministerpräsident Wüst. Privathaushalte und Unternehmen müssten zu Beginn der Heizperiode wissen, woran sie seien. Die noch recht grobe Idee der Bundesregierung: Mindestens für einen Teil des Verbrauchs sollen die Preise so gedeckelt werden, dass private Haushalte und Firmen nicht überfordert sind. Was das genau bedeutet, ist aber noch offen.

Mittel zur Versorgung von Geflüchteten

Hunderttausende Menschen sind inzwischen vor dem Krieg aus der Ukraine nach Deutschland geflohen. Die Länder verlangen daher, dass der Bund seine Zusage aus dem Frühjahr einlöst, sie bei den Kosten für die Unterbringung und Betreuung stärker zu unterstützen. Angesichts weiterer Milliardenwünsche der Länder bremst Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) jedoch: "Es gibt Aufgaben, die werden nach dem Grundgesetz von den Ländern übernommen, etwa die Frage, wie Flüchtlinge untergebracht werden", sagt Lindner im ZDF-"Morgenmagazin". Er nimmt die Länder zudem in die Pflicht, bei der Finanzierung der Krisenbewältigung beizutragen: "Ich denke, die Bürgerinnen und Bürger erwarten, dass alle staatlichen Ebenen ihren Beitrag dazu leisten, dass unser Land ohne großen Schaden durch diese Zeiten kommt." Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) signalisiert die grundsätzliche Bereitschaft, die vom Bund geplanten Entlastungen mitzutragen, verweist aber auf eine faire Lastenverteilung und die hohen Belastungen wegen der wieder steigenden Zahl von Geflüchteten aus der Ukraine.

Nachfolger für das Neun-Euro-Ticket

Einig sind sich Bund und Länder lediglich, dass es 2023 möglichst ein bundesweit nutzbares, digital verfügbares Nahverkehrs-Abo geben soll. Doch wer die Kosten tragen soll, ist völlig unklar. Der Bund hat angeboten, 1,5 Milliarden Euro beizusteuern, wenn sich die Länder in gleicher Höhe beteiligen. Doch auf diesen Deal wollen die Länderchefs so nicht eingehen. Sie fordern unabhängig von der Finanzierung des Neun-Euro-Ticket-Nachfolgers mehr Geld für den öffentlichen Nahverkehr. Der wird prinzipiell von den Ländern finanziert, der Bund beteiligt sich über die sogenannten Regionalisierungsmittel mit jährlich derzeit etwa neun Milliarden Euro. Die Länder fordern nun zweierlei: Für die Jahre 2022 und 2023 verlangen sie wegen der hohen Energiepreise je 1,65 Milliarden Euro zusätzlich. Außerdem fordern sie eine generelle und dauerhaft wirksame Anhebung von 1,5 Milliarden Euro. Das wäre dann der Betrag, der für ein neues Nahverkehrsticket aufgewendet werden könnte.

Finanzierung der Wohngeldreform

Die Bundesregierung hat eine Wohngeldreform in die Wege geleitet, die Anfang 2023 greift. Statt 600 000 sollen künftig zwei Millionen Menschen von der Sozialleistung profitieren. Im Durchschnitt soll das Wohngeld zudem um 190 Euro angehoben werden. Außerdem soll es für alle Wohngeldbezieherinnen und -bezieher in diesem Jahr einen Heizkostenzuschuss geben. Bisher wird Wohngeld hälftig von Bund und Ländern finanziert. Nun, da der Kreis der Berechtigten erweitert wird, wollen die Länder, dass der Bund die Kosten allein übernimmt. "Der Bund möchte da viel machen, dann soll er es auch selber bezahlen", sagt NRW-Ministerpräsident Wüst.

Zusätzliche Entlastungen für Bürger und Betriebe

Die Länder fordern neben den 200 Milliarden Euro, die die Bundesregierung bereits zugesagt hat, zusätzliche Mittel. So soll es für die Industrie, kleinere und mittlere Unternehmen, Handwerk und Einzelhandel "zielgenaue Wirtschaftshilfen und Härtefallregelungen" geben. Betriebe sollen Steuerzahlungen und Vorauszahlungen an die Finanzämter gestundet bekommen. Mieterinnen und Mieter sollen vor Kündigung geschützt sein, wenn sie Nebenkosten und Miete nicht bezahlen können. Außerdem soll es zusätzliche Entlastungen für Pendler geben.

Hilfen für Krankenhäuser

Weil Klinken anders als andere Unternehmen nicht die Preise erhöhen können, treffen sie die exorbitant steigenden Energiekosten besonders. Daher fordern die Länder zusätzliche Hilfen des Bundes. Zwar hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) pauschal zugesagt, dass er es nicht zulassen werde, dass Kliniken wegen zu hoher Energiekosten schließen müssen, aber noch ist unklar, inwiefern sich der Bund an den Mehrkosten beteiligt.

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