Berufschancen:Wem das Metaverse schon jetzt Aufträge bringt

Berufschancen: Fabian Rückers digitales Ich in der Facebook-App Horizon Workrooms.

Fabian Rückers digitales Ich in der Facebook-App Horizon Workrooms.

(Foto: oh)

Viele Unternehmen verstehen noch nicht wirklich, was das neue 3-D-Internet überhaupt ist und wie sie es selbst nutzen könnten. Für Freiberufler birgt genau das Chancen.

Von Kathrin Werner

Der Avatar sieht Fabian Rücker ziemlich ähnlich. Braune Haare, eckige Brille, Dreitagebart. Der Rücker-Avatar macht die gleichen Bewegungen wie der echte Rücker, zeigt mit den Fingern auf den Bildschirm, nickt, legt den Kopf schief. Allerdings hat der Avatar keine Beine, anders als der echte 30-Jährige. Beine kann das Metaverse noch nicht so gut, erklärt Rücker. Die Sensoren an der Datenbrille, die er im echten Leben in diesem Moment auf der Nase trägt, können alles erfassen und ins Digitale übersetzen außer die Beine. Die sind einfach zu weit unten, die Sensoren sehen sie nicht.

Wer mit Rücker sprechen will, kann das nicht nur von Angesicht zu Angesicht tun, per Telefon oder bei den üblichen Videocall-Anbietern Zoom oder Teams, sondern auch im Metaverse, genauer gesagt: in Horizon Workrooms, dem Online-Softwaretool für virtuelle Konferenzräume von Facebook, das offiziell nun Meta heißt. "Wenn alle eine Brille aufhätten, fühlt es sich an, als wäre man wirklich im gleichen Raum", sagt Rücker. Viel besser sei das als die üblichen schlecht ausgeleuchteten Videocalls, bei denen man sich ständig gegenseitig ins Wort fällt oder sich komisch anschweigt. Wenn es nach Rücker geht, würde man sich für Konferenzen immer im Metaverse treffen. Dann läge die Zukunft der Arbeit im 3-D-Internet.

So erträumt es sich auch Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. Der wohl weltgrößte Fan des Metaversums hat seinen gesamten Konzern inzwischen in Meta umbenannt. An diesem Dienstag lädt er die Welt zur großen Konferenz Meta Connect, bei der er erklären will, warum das Metaverse mehr ist als eine Blase, die demnächst platzt. Wenn man Zuckerberg glaubt, ist das Metaverse das nächste große Ding, eine Weiterentwicklung des Internets, die unser aller Leben und Arbeiten revolutionieren wird. Es soll eine Art dreidimensionales Internet werden, das sich in die reale Welt integriert. Jede Nutzerin und jeder Nutzer marschiert dann mit Spezialbrille auf der Nase und dargestellt durch einen Avatar durch das Metaversum und bedient die Websites, die dann keine schnöden Seiten mehr sein werden, sondern eigene miteinander verbundene Welten, per Sprachbefehl oder Händefuchteln.

Noch funktioniert all das gar nicht oder nur halb. Und viele der Versuche, das Metaverse als große Sache darzustellen, ernten vor allem Häme, wegen der allgemeinen Beinlosigkeit und weil die Avatare und virtuellen Welten eher wie mittelmäßige Comics aussehen. Doch die Beratungsfirma McKinsey sieht im Metaversum ein Potenzial von bis zu fünf Billionen Euro an "Wertkreation" bis 2030. Auch viele Unternehmen haben schon investiert, nicht nur Facebook und andere Tech- und Videospiel-Konzerne, sondern auch Nike, Walmart, die Dating-App Tinder, die deutsche Brillengeschäftkette Mr. Spex, wo man virtuell Brillen anprobieren kann, oder Ikea, wo man seine eigenen Räume bereits mit virtuellen Billy-Regalen versehen kann. Und so ergeben sich auch Jobchancen.

Jobchancen nicht nur für Mitarbeitende der großen Konzerne, sondern auch für Marken- und Kommunikationsberater, für Programmiererinnen, Designerinnen und andere Freiberufler wie Rücker. Der ist selbst niemand, der das Metaverse hochjubelt, nicht nur wegen der Sache mit den Beinen oder weil viele Menschen seekrank werden, wenn sie so eine Datenbrille auf der Nase tragen und sich fühlen, als fahre das Hirn Achterbahn. "Wir sind noch ganz am Anfang der Entwicklung", sagt Rücker. "Aber in meinen Augen ist es eine absolute Zukunftstechnologie. Wenn man sich damit früh beschäftigt, findet man eine grüne Wiese vor, die man gestalten kann." Das gilt sogar, wenn ein Teil des Metaverse sich als Hype entpuppt. Es muss schließlich auch Leute geben, die erklären, was alles nicht funktioniert.

Mehr als ein Viertel der Selbständigen erwartet neue Jobperspektiven im Metaverse

Fast 50 Prozent aller Selbständigen aus der Tech-Branche in Deutschland, Österreich und der Schweiz wollen sich für die Metaverse-Zukunft weiterbilden, hat Freelancermap, eine Plattform für die Vermittlung von Freiberuflern, in einer Umfrage herausgefunden. Mehr als ein Viertel erwartet neue Jobperspektiven im Metaverse. "Gerade kommt einem der Begriff Metaverse noch sehr abstrakt vor, er wird vor allem für Marketing verwendet", sagt Freelancermap-Chef Thomas Maas. "Aber große Konzerne haben schon so viele Milliarden ausgegeben dafür, dass es kein Zurück mehr gibt." Das Unternehmen Freelancermap investiert allerdings noch nicht in das Metaverse, etwa in virtuelle 3-D-Räume für Bewerbungsgespräche, dafür sei es noch zu früh und die Nische zu klein. "Aber jetzt ist ein guter Zeitpunkt für Selbständige, sich als First Mover zu positionieren." Welche Jobs sich über die ersten Hardware- und Software-Entwickler-Jobs konkret ergeben, müsse sich noch zeigen, etwa im IT-Sicherheitsbereich, sagt Maas. "Wenn man sich auskennt, bevor sich die Konzerne selbst auskennen, müssen sie richtig Geld in die Hand nehmen für Freelancer-Honorare, wegen des Fachkräftemangels umso mehr."

Berufschancen: Fabian Rücker hat sich als Metaverse-Berater selbständig gemacht.

Fabian Rücker hat sich als Metaverse-Berater selbständig gemacht.

(Foto: Gregor Schuster)

Rücker ist so einer, der Unternehmen etwas wert ist. Der 30-Jährige ist Nerd mit Spezialgebiet "Virtual Reality" (VR) und "Augmented Reality" (AR). Als die ersten Datenbrillen auf den Markt kamen, hat er sich sofort eine besorgt und sich im Internet mit Gleichgesinnten zu Gruppen zusammengeschlossen, die mit VR und AR experimentieren. Seit 2016 forscht und promoviert er zu dem Thema am "Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung". Im vergangenen Jahr hat er sich als Metaverse-Berater selbständig gemacht. Seither zeigt er zum Beispiel Industriekunden, wie sich Anlagenplanung verbessern ließe, wenn man sie per Augmented oder Virtual Reality schon anschauen könnte, bevor die Anlagen existieren. Oder er gibt Mitarbeiterworkshops in Unternehmen, die anfangen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, aber noch nicht viel eigene Expertise dazu aufgebaut haben. "Es gibt noch riesige technische Herausforderungen, für die wir noch nicht ansatzweise eine Lösung haben", sagt er. "Aber je mehr Zeit vergeht, desto mehr wird diese Technik im Alltag ankommen und der Begriff Metaverse uns weniger wischiwaschi vorkommen."

Die Deutschen seien zurückhaltender als die Amerikaner, sagt Rücker

Rücker mag die Rolle des Tech-Erklärers und Zukunftsberaters, die "Pionierarbeit", sagt er. Und zumindest haben inzwischen die meisten Menschen in der Wirtschaft von dem Begriff Metaverse gehört. "In Deutschland sind wir sehr konservativ", sagt Rücker. "Natürlich gibt es einige Technologie-Enthusiasten, aber die meisten sind sehr skeptisch." In den USA war die Datenbrille Oculus Quest im vergangenen Jahr eines der beliebtesten Weihnachtsgeschenke. Zwar stehen die Brillen eher bei Fans von Videospielen auf dem Wunschzettel als bei Menschen, die in ihr Geschäftschancen wittern. Aber je mehr Leute eine haben, desto normaler wäre es auch, sie bei der Arbeit zu verwenden. "In Deutschland wird alles viel langsamer adaptiert", sagt Rücker. Einer der ersten Einwände, die er fast immer hört bei Workshops: Niemand habe Lust, so viel Zeit im Metaverse mit seinen comic-artigen Avataren zu verbringen. Rücker kontert immer gleich: Viele Menschen schauen auch zwölf Stunden am Tag auf einen zweidimensionalen Bildschirm, obwohl darauf theoretisch niemand Lust hat. Da sei es doch besser, virtuelle Elemente in die Realität zu integrieren.

Trotzdem merke er, dass sich im vergangenen Jahr viel getan hat und die Neugier steige, vor allem weil auch deutsche Wirtschaftslenker mitbekommen haben, wie optimistisch Mark Zuckerberg ist - und der hatte schließlich schon öfter den richtigen Riecher bei großen Entwicklungen des Internets. "Viele wollen den Anschluss nicht verlieren", beobachtet Rücker. Das bringt Selbständigen Aufträge. "Bei größeren Unternehmen bekommt man leichter einen Fuß in die Tür als bei kleinen, weil sie größere Budgets haben, um Innovationen auszuprobieren." Um erst einmal einen Freelancer wie ihn zu buchen, müsse man zudem nur eine vergleichsweise niedrige Schwelle überwinden. Seit Monaten ist er komplett ausgebucht, im sozialen Netzwerk Linkedin bekommt er regelmäßig Anfragen auch von Unternehmen, die ihn gern fest anstellen würden.

Wer mit Rücker sprechen will, muss ihn übrigens nicht in einem schnöden virtuellen Konferenzraum treffen. Man kann auch Minigolf mit ihm spielen in einer Virtual Reality. Durch die Datenbrille sieht es dann so aus, als habe man tatsächlich einen Golfschläger in der Hand. "Es fühlt sich wirklich echt an", sagt Rücker. "Und es ist doch so ein Klischee, dass die wichtigsten Geschäfte auf dem Golfplatz geschlossen werden."

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