Corona-Welle nach der Wiesn:"Die nächsten zehn Tage werden anspruchsvoll"

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Selten benutztes Wiesn-Accessoire: der Mund-Nase-Schutz. (Foto: Wolfgang Maria Weber/Imago)

Krankmeldungen häufen sich, Kliniken sind stark belegt und auch an Schulen und Kitas sind die steigenden Infektionszahlen spürbar. Münchens Gesundheitsreferentin warnt.

Von Heiner Effern, Barbara Galaktionow, Catherine Hoffmann und Andreas Salch

Die erwartete Coronawelle nach dem Oktoberfest rollt bereits spürbar über die Stadt hinweg. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sagte am Mittwoch seine Teilnahme an der Vollversammlung ab, weil sein Corona-Schnelltest angeschlagen hatte. Der Stadtrat hatte sich schon vor Reiters Infizierung vorsorglich eine Maskenpflicht für die Sitzung an diesem Mittwoch im Rathaus verordnet.

Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek (SPD) erklärte am Rande der Sitzung, dass die etwa 400 dafür eingeteilten Mitarbeiter bei der Erfassung der positiven Fälle nach dem langen letzten Oktoberfest-Wochenende noch in Rückstand seien. Der Inzidenzwert der Stadt werde erst in wenigen Tagen wieder aktuell sein. Auf die Handlungsoptionen oder -notwendigkeiten habe dieser jedoch keinen Einfluss mehr, er sei mittlerweile "eine optische Geschichte" zur allgemeinen Orientierung.

Entscheidend sei die Situation in den Krankenhäusern, "bei der Belegung der Betten und beim Personal", sagte Zurek. Ihr Eindruck: "Die nächsten zehn Tage werden anspruchsvoll." Es werde in den Kliniken immer wieder Engpässe, Umschichtungen oder sogar Schließungen von einzelnen Abteilungen geben können. Irritiert zeigte sich Zurek über die Ratschläge ihres Parteifreundes, des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD). Die Kommunen wären den von ihm angeregten Maßnahmen zum Corona-Schutz bei Volksfesten nicht aus dem Weg gegangen, ließ Zurek anklingen. "Dafür gab es aber keine vernünftige gesetzliche Grundlage. Die hätte man schaffen können", sagte sie.

Sitzung ohne Oberbürgermeister: Die Vollversammlung am Mittwoch fand ohne den erkrankten OB Dieter Reiter statt, Bürgermeisterin Katrin Habenschaden leitete die Aussprache. (Foto: Robert Haas)

Alarmstimmung herrscht im Handel derzeit noch nicht

Egal, ob im Handel, der Gastronomie, dem Handwerk oder bei den Verkehrsbetrieben - die Krankmeldungen sind nun wie erwartet hoch. Das liegt auch daran, dass zusätzlich Erkältungen und Grippe kursieren. Alarmstimmung herrscht jedoch noch nicht. "Die Betriebe kommen damit klar", sagte Wolfgang Fischer, Vorsitzender des Vereins City Partner. Der Handel könne Engpässe mit seiner Personalplanung gut kompensieren.

In den vielen Büros der Stadt, in denen die Anwesenheit der Mitarbeiter nicht verpflichtend ist, wird weiter aufs Homeoffice gesetzt. Die Firmen sind in diesem Herbst und Winter aber lediglich verpflichtet, Homeoffice-Angebote und Corona-Tests als Schutzmaßnahme zu prüfen, zwingend sind sie nicht. Schwieriger als in Handel, Wirtschaft und Handwerk ist die Lage bei der städtischen Verkehrsgesellschaft MVG. "Wir haben einen hohen Krankenstand, der vor allem im Busverkehr zu vielen Ausfällen geführt hat", sagte ein Sprecher. Deswegen habe man den Fahrplan vorübergehend ausgedünnt, "damit er wieder verlässlich ist".

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Auch in Schulen und Kitas sind die steigenden Infektionszahlen mittlerweile spürbar. Die städtischen Schulen erreichten zunehmend Meldungen über einen hohen Krankenstand unter den Lehrern, sagte ein Sprecher des Bildungsreferats - wobei man kurzfristig nicht nachvollziehen kann, ob es sich um Corona- oder andere Erkrankungen handelt. Auffallend hohe Unterrichtsausfälle gebe es aber nicht. An den staatlichen Schulen beobachtet Schulamts-Leiterin Bettina Betz derzeit "immer wieder Infektionsherde" an einzelnen Schulen, etwa dass drei oder vier Lehrer gleichzeitig krank seien, aber noch keine Ausfälle in der Breite. Dennoch vermutet sie den frühen Beginn einer Krankheitswelle - wobei sie deren Ursache nicht allein im Oktoberfest sieht.

Kita-Öffnungszeiten sind derzeit zum Teil eingeschränkt

Ähnlich wie in den Schulen sieht es auch in den Kitas aus. In den Kindergärten und -krippen der Arbeiterwohlfahrt (Awo) beobachtet man "seit Wiesn-Beginn verstärkt mehr Krankmeldungen", wie Julia Sterzer, Geschäftsführerin der Münchner Awo, sagte. Nicht immer handle es sich dabei um Corona, doch es summiere sich. Die Folge: Öffnungszeiten seien zum Teil eingeschränkt worden. Komplettschließungen habe es aber bislang nicht gegeben. Chris Hollmann vom gemeinsamen Kindergartenbeirat der Stadt sagte immerhin, er habe "keinen akuten Aufschrei vernommen".

Die Münchner Gerichte sind ebenfalls von der Viruswelle betroffen. Am Strafjustizzentrum in der Nymphenburger Straße kommt es im Augenblick immer wieder vor, dass Verhandlungstermine abgesetzt werden müssen, weil Verfahrensbeteiligte - also Richter, Schöffen, Verteidiger oder aber auch Angeklagte - erkrankt seien, wie ein Sprecher sagte. Staatsanwälte hingegen könnten sich oftmals durch eine Kollegin oder einen Kollegen kurzfristig vertreten lassen. Anders als zu den Hochzeiten der Pandemie fielen derzeit Verhandlungen aber nicht "flächendeckend" aus.

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