Stadtparks:Wohnzimmer im Freien

Stadtparks: Der Englische Garten in München gehört genauso zum Stadtbild wie die beiden Türme der Frauenkirche.

Der Englische Garten in München gehört genauso zum Stadtbild wie die beiden Türme der Frauenkirche.

(Foto: Ulrich Wagner/Imago)

Bäume, Sträucher, Wiesen: Parks gelten als grüne Lungen der Stadt. Doch sie haben noch andere wichtige Aufgaben. Warum Menschen Grünflächen brauchen - und welche Rolle der Gesang von Vögeln spielt.

Von Jochen Bettzieche

Ein Sonntagnachmittag auf der Insel La Grande Jatte in Paris. Menschen flanieren durch den Park, ein Mädchen übt sich im Seilspringen, ein Mann spielt auf einem Horn und untermalt das Treiben im Park musikalisch. Zumindest auf dem bekannten Bild des Malers Georges Seurat aus dem Jahr 1886. Eine Momentaufnahme, die gut verdeutlicht, welche Rolle öffentlich zugängliche Parks in Städten haben. Sie sind wichtig für das Klima einer Stadt, das meteorologische - aber auch das soziale.

Hervorgegangen sind sie wohl aus Palastgärten. Menschen nutzen Pflanzen seit Jahrtausenden, um Grünflächen anzulegen. So zählen die hängenden Gärten der Semiramis zu den sieben Weltwundern der Antike. Im Barock begannen absolutistische Herrscher, weitläufige Parks an ihren Prunkschlössern anzulegen, wie in Versailles, Sanssouci und Schönbrunn. Noch waren sie der Herrschaft und ihren Gästen vorbehalten und vor allem sehr formal angelegt, weiß Jens Spanjer, geschäftsführender Vorstand bei der Stiftung Schloss Dyck und Vorstand der Stiftung grüne Stadt: "Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts kommen dann englische Landschaftsgärten in Mode als Vorläufer der Stadtparks."

Geschwungene Wege und ein idealisiertes Naturbild lösten rechte Winkel und streng getrimmte Pflanzen ab. "Langsam durfte auch das Volk hinein, in Schloss Dyck zum Beispiel zunächst nur jeden Sonntag", sagt Spanjer. Stadt-, Volks- und Bürgerparks, die von vorneherein für eine breite Öffentlichkeit bestimmt sind, kamen erst Ende des 19. Jahrhunderts auf. "Waren die ersten Anlagen noch sehr landschaftlich gestaltet und zum Spazierengehen ausgelegt, kamen Anfang des 20. Jahrhunderts architektonische Elemente hinzu", erklärt Spanjer: Cafés und Restaurants, Sporthallen, Spielplätze, Musikpavillons und Konzertbühnen. Auch die Grünflächen wurden erst nach und nach freigegeben.

Viele Parks sind zu Aushängeschildern ihrer Städte geworden

Heute ist das anders. Je nach Anlage ist spielen, grillen, sonnen oder musizieren auf den Grünflächen erlaubt. So finden im Amsterdamer Vondelpark seit 1974 jeden Sommer von Juni bis August zahlreiche Kulturveranstaltungen statt. Weltweit sind Parks zum festen Bestandteil von Städten, manche sogar zu einem Aushängeschild, geworden, wie beispielsweise der Central Park in New York, der Englische Garten in München oder der 27 Quadratkilometer große Königliche Nationalstadtpark in Stockholm.

Parks haben gleich mehrere wichtige Funktionen. Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und sozialen Milieus kommen dort zusammen. Sie können sich gegenseitig begegnen, erklärt die Soziologieprofessorin Anna Steigemann von der Universität Regensburg: "Das führt zu einem besseren Neben- und Miteinander und trägt zum gesellschaftlichen Wandel bei." Für Bürger aus beengten Wohnverhältnissen sind die Parks zudem eine Art ausgelagertes Wohnzimmer, zumindest an schönen Tagen.

Gleichzeitig sind sie gut für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen. Nicht nur, weil die Pflanzen Schadstoffe aus der Luft filtern. So haben Forscher um Katrin Böhning-Gaese, Direktorin des "Senckenberg Biodiversität und Klima"-Forschungszentrums in Frankfurt und Mitglied des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung, in einer Studie herausgefunden, dass "für die individuelle Lebenszufriedenheit die Vogelvielfalt genauso wichtig ist wie das Einkommen".

Dazu kommt: Pflanzen und Grünflächen helfen dabei, die Temperatur in Städten vor allem in den heißen Sommermonaten zu reduzieren. So hat die Stadt Kaiserslautern beispielsweise Maßnahmen ergriffen, um Bereiche zu entsiegeln und zu begrünen. Dazu gehört auch, zusätzlich zu bestehenden größeren Grünflächen auch neue kleine Rückzugsräume zu schaffen, sogenannte Pocket-Parks.

Buchen setzt die Trockenheit besonders zu

Dabei kommt es auch auf die richtigen Pflanzen an. Sturm Ela zerstörte oder beschädigte 2014 in den Düsseldorfer Parkanlagen bis zu 60 Prozent des Baumbestandes, sagt Parkexperte Spanjer: "Und die Trockenheit der vergangenen Jahre setzt bundesweit unter anderem den Buchen zu, gleichzeitig werden durch die Hitze viele Pflanzen anfälliger für Schädlinge und Krankheiten." Eichen, Ahorn, Kastanien, Eschen, fast alle leiden. "Die Luft für einheimische Baumarten wird sehr dünn", beklagt Spanjer.

Das bedeute zwar nicht, dass in den kommenden Jahren überall Palmengärten entstehen, aber Pflanzen aus kontinentaleren Klimazonen seien im Vorteil, hat er beobachtet: "Also ungarische Eiche statt deutscher Eiche, oder auch der nordamerikanische Tulpenbaum, der liebt Trockenheit und eignet sich gut für große Parkanlagen."

Wie bei den Bäumen zeichnet sich auch bei Gräsern, Stauden und Sträuchern ein Wandel ab. So manches könnte aus den Grünanlagen verschwinden. "Statt Hortensien, die viel Wasser benötigen, werden wir zukünftig Pflanzungen mit hitze- und trockenverträglichen Stauden und Gehölzen haben wie zum Beispiel Schmetterlingsstrauch und Felsenbirne", sagt Spanjer.

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